Spaichingens Geschichte wird umgeschrieben
'Nen Guete! Und sie schämen sich nicht.Wer bezahlt das?
(tutut) - Stolpersteine, Erinnerungstafeln pflastern Wege und Plätze. MIt jüngsten Ausgrabungen ist Spaichingen zum Pompeji an der Prim geworden. Nun wird die Geschichte der Stadt umgeschrieben. Dank des französischen Verteidiungsministeriums wurde aus der grandiosen Siegergeschichte des westlichen Nachbarlandes heraus Licht in zwölf unbekannte dunkle deutsche Jahre geworfen.
Denn wer erinnert sich noch an 1933 bis 1945? Niemand war dabei, außer ein neuer Spaichinger Verein von Betroffenheitsgutmenschen. Dessen Vorsitzende hat nun sogar eine Ausbildung als Sterbebegleiterin gemacht. Das aber ist eine andere Geschichte. Um Erinnern geht es, um Wachhalten und Umerziehung , was nicht ganz enfach ist, ohne sich erinnern zu können, weil frauman nicht dabei waren. Gut, dass dies Franzosen umso besser können, denn deren Trauma haben die Boches ausgelöst, nachdem diese ein ewig friedfertiges Land über vier Jahre besetzt hielten.
Dank deutsch-französischer Freundschaft mit deutscher Unterwerfung erinnert sich nun auch Spaichingen all der ungeheuren Missetaten, zu denen linke Nazis fähig waren, weshalb linksgrüne Ausgrabungen gegen Rechts nun sagen können: So war es und nichts anders! Ein Verein macht Geschichten, und ein Bürgermeister ist dabei. Denn Geschichte, das ist finstere Vergangenheit und Chronik, nun beginnt im neuen Spaichingen die neue Zeit. Oder ist es Neuzeit? Egal!
Also begab es sich, dass "mit freundlichen Grüßen Hans Georg Schuhmacher, Bürgermeister", und "Angelika Feldes, Leitung Stadtgeschichte", nun disqualifiziert sie sich selbst als Historikerin, eine "Einladung" verschickt haben "anlässlich der Fertigstellung der neugestalteten Erinnerungsstätte im Gedenken an die Zwangsarbeiter in Spaichingen während der NS Zeit". Noch eins? Wie viele Denkmäler braucht Spaichingen, bis es seine Geschichte ganz vergessen hat, weil jeder, der hier ist nach der Definition einer gelernten Kommunistin und "cdu"-Regierungschefin, inzwischen das Volk darstellt und deshalb offenbar auch seine eigene Volksgeschichte erst lernen muss und dann schreibt.
Die seit Ende des Krieges von den Franzosen vorgeschriebene "Erinnerungsstätte" ist nämlich nicht neu, sondern bisher bekannt als "KZ-Ehrenmal" . Der falsche Platz, ein Massengrab, während die meisten Toten in Tuttlingen verbrannt wurden.Hier waren weder das KZ noch der Einsatzort für eine Fabrik der Mauserwerke. Nun, so scheint es, haben der Bürgermeister und eine "Leitung Stadtgeschichte" , von der bisher nur bekannt war, dass sie Leiterin des Gewerbemuseums ist, u.a. mit bahnbrechenden kulturellen Ausstellungen wie über Unterwäsche oder Weihnachtskrippele, nun nach jahrzehntelanger Anstellung bei der Stadt offenbar in Personalunion auch einen Verein vertritt, dem der Bürgermeister, so scheint es, die neue politisch korrekte Spaichinger Geschichtsschreibung überanwortet hat, damit sich die Stadt, d.h. die Spaichinger, nicht darum kümmern müssen.
So lädt die "Stadt Spaichingen" als Verein zu diesem KZ-Ehrenmal als neuer "Erinnerungsstätte im Gedenken an die Zwangsarbeiter in Spaichingen während der NS Zeit" ein und wirbt auf ihrer Einladung zum "Sonntag, 29. September um 10 Uhr" gleichzeitig um Mitglieder für den Verein, der nun also mit der Stadt identisch erscheint, mit der Bitte um Spenden, illustriert mit einem rätselhaften winterlichen Schwarzweißfoto einer Baracke: "Mitglied werden in unserem Verein: Initiative KZ-Gedenken in Spaichingen e.V. Ackermannstraße 19, 78549 Spaichingen. Vorsitzende Frau Dr. Ingrid Dapp Spendenkonto: Kreissparkasse Tuttlingen..." Dass dieses Tamtam mit einem "ökumenischen Gedenkgottesdienst am Ehrenmal" stattfinndet, versteht sich von selbst, haben die Kirchen doch Verbrechen im Dritten Reich, was ja Jüngstes Gericht bedeutet, nicht be- oder verhindert, sondern sogar offiziell gläubig begleitet, auch mit Glockengeläut und Gebeten für den Führer.
Der Bürgermeister und die Leitung Stadtgeschichte erteilen den Bürgern der Stadt eine Geschichtslektion: "Es gerät etwas in Vergessenheit, wenn man es nicht in Erinnerung behält und es rückt etwas aus der eigenen Sicht, wenn man es nicht in die Blickrichtung stellt. Genau dies haben wir getan, in dem wir uns in den vergangenen zwei Jahren auf den Weg gemacht haben und die für Spaichingen historisch wichtige Begräbnisstätte der KZ Häftlinge erweitert und neu gestaltet haben. Sie ist damit ein bedeutendes Stück Erinnerung an ein dunkles Kapitel unserer Stadtgeschichter geworden. Sie ist damit sichtbares Mahnmal und zugleich ein Ort des stillen Gedenkens füralldiejenigren , die aus unserer Geschichte lernen wollen" , heißt es in der Ausgrabungsbeschreibung des Pompeji an der Prim (Fehler nicht verbessert, wer sie findet,gibt sie der Stadt zurück oder behält sie).
Dass Erinnerung von Leuten, die keine Erinnerung haben, aber gegen andere die moralische Keule erheben, schief gehen muss, zeigt diese "Einladung", welche eine Ausladung Spaichinger Geschichte ist, zu der sich ein Bürgermeister offenbar wild entschlossen hat, obwohl er frühzeitig auf seine Unkenntnis Spaichinger Vergangenheit hingewiesen wurde, indem er aus KZ-Häftlingen Zwangsarbeiter macht. Zwangsarbeiter gab es auch in Spaichingen, aber das ist ebenfalls eine andere Geschichte.
Dass es sich nicht um ein Spaichinger KZ handelt, Schwamm darüber. Da helfen keine Pillen. Auch nicht dagegen, wenn nun neu geschrieben steht: "75 Jahre sind es her, dass am 26. September 1944 die ersten Häftlinge aus dem Konzentrationslager Natzweiler-Struthof/Elsass in Spaichingen ankamen". Einer, der es besser wissen muss, ein Franzose, der sich über dieses KZ einen Doktorrang erschrieb und eine Professur in Straßburg erwarb ist im Zusammenhang einer Nationalen Gedenkstätte Natzweiler Struthof zu sehen unter Leitung des französischen Verteidigungsministeriums.Er stellt fest: "Am 1. September 1944 erhielt der Kommandant Fritz Hartenstein aus Oranienburg die Anordnung, das Lager zu evakuieren. Am selben Tag noch begann der Kommandant mit der Umsetzung". Nachzulesen in "Der Ort des Terrors, Geschichte der nationalistischen Konzentrationslager", Band 6, Verlag C.H.Beck, "gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes", entstanden unter Federführung der Technischen Universität Berlin, unter Mitwirkung u.a. der Zentralstelle des Bundesarchivs in Ludwigsburg. Dieser Band enthält auch den Beitrag des Autors dieser Zeilen, der nun mit der "Einladung" beglückt wurde: "Spaichingen", von Jochen Kastilan. Leider wurde er weder seitens des neuen Erinnerungsvereins, noch von der "Leitung Stadtgeschichte" oder dem Bürgermeister je zum Thema angesprochen, noch hat sich in der Vergangenheit je ein Spaichinger intensiv bemüht, bei Recherchen zu diesem KZ zu helfen. Auch die Museumsleiterin macht, was Spaichinger Geschichte betrifft, da keine Ausnahme, so dass Außenstehende zusammen mit dem Autor 1994 die bisher größte Einzelausstellung im Spachinger Gewerbemuseum mit über 2200 Besuchern veranstalteten.
Auch dass die Doktorarbeit eines Franzosen über das einzige deutsche KZ in Frankreich aus französischer Sicht mit Vorsicht zu genießen ist, dürfte selbstverständlich sein. Er hat nicht einmal den Namen des Autors des Berichts über das KZ in Spaichingen richtig geschrieben. Es würde zu weit führen, auf weitere fragwürdige Details neuer Spaichinger Geschichte auf dieser Einladung einzugehen. Fakes bleiben Fakes, wenn Fakten ignoriert werden, aus totaler Unkenntnis, Unfähigkeit oder Absicht. Fehlt nur noch eine weitere Schreiberin neuer Spaichnger Geschichte im Bunde, die vom Bürgermeister so geliebte "Ortsredakteurin". Die hat jüngst sogar "Holocaust in Spaichingen" entdeckt. Niemand hat ihr widersprochen, nicht einmal der Bürgermeister, so dass solcher phänomaler geschichtlicher Blödsinn an der Stadt haften bleibt. Es bewahrheitet sich immer wieder: Das Gegenteil von Professionalität ist nicht Ehrenamt, sondern Dilettantismus. Avanti Dilettanti - mit dem Bürgermeister? Geschichtsfälschung in Spaichingen. Muss das sein?
Jochen Kastilan