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Parteilichkeiten

Geliebt, geduldet, beobachtet, verboten: zwischen Wählergunst und Amtsfallbeil

Von David Cohnen

Wie entstanden und entwickelten sich die politischen Parteien? Wie gestaltete sich das Verhältnis zwischen den Parteien und wie standen sie zueinander? In welcher Weise beeinflussten die Medien die Beziehungen zwischen den politischen Parteien? Wie verhielten sich dabei die Presse und der öffentlich-rechtliche Rundfunk? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz? Trotz meiner Bemühungen könnten meine Recherchen möglicherweise lückenhaft sein und Fehler enthalten. Meine Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen:

Der deutsche Verfassungsschutz wurde am 4. Mai 1950 gegründet, maßgeblich durch CDU, CSU und FDP. Ziel war der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vor extremistischen Bedrohungen.

Die Sozialistische Reichspartei (SRP) wurde vom Verfassungsschutz überwacht und 1952 verboten. Ebenso wurde die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) vom Verfassungsschutz überwacht und 1956 verboten. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) steht derzeit unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Die 5%-Klausel wurde 1953 eingeführt, Die Parteienverbote und die 5 % Klausel führten damals dazu, dass vier Parteien nicht mehr im politischen Spektrum der Bundesrepublik vertreten waren.

Nutznießer der Einführung der 5 % Klausel waren bei der Wahl 1957 die CDU/CSU mit 50,2 % der Stimmen, die SPD erhielt einen Stimmenanteil von 31,8 % und die FDP 7,7 % der Stimmen. Die Deutsche Partei (DP) erreichte ebenfalls einen Sitz im Bundestag aufgrund von Wahlabsprachen mit der CDU. Die Deutsche Partei (DP) wurde zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet.

In den 1950er Jahren wurde die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) von Teilen der konservativen CDU/CSU sowie der FDP und Teilen der Presse als angeblich kommunistisch beeinflusst oder als "Vasallen Moskaus" dargestellt. Diese Darstellungen dienten dazu, die SPD zu diskreditieren und den politische Gegner zu schwächen. In den 1960er Jahren wurde die SPD vom Verfassungsschutz beobachtet, unter anderem der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann, ein Mitglied der SPD und Pazifist, wurde bespitzelt. Die Beobachtung der SPD durch den Verfassungsschutz stand im Zusammenhang mit dem Verdacht auf angebliche kommunistische Einflussnahme innerhalb der Partei.

Von 1949 bis 1980 dominierte ein Dreiparteiensystem im Bundestag, bestehend aus CDU/CSU, SPD und FDP.

Die Gründung der Grünen im Jahr 1980 war geprägt von einer Vielfalt politischer Strömungen, darunter die Anti-Atomkraft- und Umweltbewegung, die Neuen Sozialen Bewegungen, die Friedensbewegung und die Neue Linke. Diese Einflüsse prägten die Entwicklung und Ausrichtung der Partei in den folgenden Jahren. Im März 1983 zogen die Grünen erstmals mit 5,6% der Stimmen in den Deutschen Bundestag ein. Die mediale Darstellung nach ihrem Einzug war von Stereotypen geprägt, die die Mitglieder als strickend und teilweise ungepflegt darstellten. Die etablierten Parteien distanzierten sich über einen längeren Zeitraum von den Grünen. In den 1980er Jahren wurden die Grünen vom Verfassungsschutz beobachtet.

Die Parteienlandschaft nach der Wiedervereinigung Deutschlands vergrößerte sich um die Nachfolgepartei der SED. Sie entstand aus der DDR-Staatspartei SED, die sich nach 1989 in SED-PDS umbenannte und ab Februar 1990 nur noch PDS genannt wurde. Im Jahr 2007 schloss sich die PDS mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) zur Partei Die Linke zusammen. Die PDS bzw. die Linkspartei zog erstmals bei der Bundestagswahl 1990 in den Bundestag ein. Bei dieser Wahl erhielt sie 17 Sitze im Bundestag.

Die etablierten Parteien, bestehend aus CDU, SPD, FDP und den Grünen verweigerten jegliche Zusammenarbeit mit der PDS. Die Darstellung der PDS und später der Linken in der Presse, im Rundfunk und im Fernsehen war oft nicht neutral. Es wurde häufig versucht, die PDS und später die Linkspartei als nicht reformwillige kommunistische Blockpartei darzustellen. Diese Darstellung kann als Versuch angesehen werden, die Partei in einem negativen Licht zu präsentieren und sie politisch zu diskreditieren. Die PDS und später die Linke wurden vom Verfassungsschutz aufgrund ihrer politischen Ausrichtung überwacht.

Die Situation, in der Petra Pau und Gesine Lötzsch im Jahr 2002 als einzige PDS-Abgeordnete im Bundestag weder Tisch noch Telefon erhielten, zeigt deutlich die Schwierigkeiten und Missachtungen, mit denen sie konfrontiert waren.

Die CDU startete im Bundestagswahlkampf 1994 eine „Rote Sockenkampagne “. Diese Kampagne wurde initiiert, um vor einem möglichen Rot-Rot-Grünen Bündnis auf Bundesebene zu warnen. Die CDU startete diese "Rote Socken-Kampagne" als Negativ-Kampagne gegen die PDS.

Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde am 6. Februar 2013 in Oberursel im Taunus gegründet. Die Reaktionen der etablierten Parteien CDU, SPD, FDP, Grüne und Die Linke auf die AfD waren von Anfang an ablehnend. Politiker versuchten generell, sich von der AfD zu distanzieren, um sie zu bekämpfen.

Die AfD erhielt ihre ersten Mandate bei der Europawahl 2014, bei der sie erstmals den Einzug in ein überregionales Parlament schaffte. Seitdem zog die AfD in alle deutschen Landesparlamente ein und 2017 auch in den Bundestag.

Seit der Gründung der AfD stehen Presse, Rundfunk und Fernsehen der Partei mit Misstrauen und Ablehnung gegenüber. Eine Studie kritisiert die negative Berichterstattung von ARD und ZDF über Parteien in Deutschland, vor allen Dingen gegenüber der AfD und Linken. Die öffentlich-rechtlichen Sender wurden für eine einseitige Berichterstattung kritisiert.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages verweigern der AfD bis heute ihr verbrieftes Recht, einen Stellvertreter des Bundestagspräsidenten zu stellen, ebenso wie es anderen Parteien gestattet ist. Gesellschaftlich erfährt die AfD Ächtung, was zu Schwierigkeiten, unter anderem beim Anmieten von Versammlungsstätten, führt. Mitglieder der AfD sehen sich mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze konfrontiert und werden gesellschaftlich ausgegrenzt.

Die AfD oder Teile von ihr werden seit Januar 2019 vom Verfassungsschutz beobachtet. Der sogenannte "Flügel" der AfD, ein informelles Netzwerk innerhalb der Partei, wurde zuerst als Beobachtungsobjekt eingestuft. Obwohl der "Flügel" offiziell im April 2020 aufgelöst wurde, argumentiert der Verfassungsschutz, dass er weiterhin aktiv sei. Die gesamte AfD wurde zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt, wobei das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wurde im Januar 2024 gegründet. Aktuelle Diskussionen drehen sich um die Frage, ob Medien, einschließlich der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens, das Bündnis Sahra Wagenknecht gegen die AfD ausspielen. Es wird intensiv darüber debattiert, ob das Bündnis Sahra Wagenknecht in der Lage ist, die AfD zu stoppen. Sahra Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine stehen nicht mehr unter Beobachtung des Verfassungsschutzes in Verbindung mit der Partei Die Linke.

Die Werte Union wurde im Jahr 2017 gegründet, wobei maßgeblich Politiker beteiligt waren. Als konservative Plattform innerhalb der CDU/CSU setzt sie sich für eine stärkere Betonung konservativer Werte in der Politik ein. Hans-Georg Maaßen spielte eine bedeutende Rolle in der Gründung und wurde im Januar 2023 zum Vorsitzenden gewählt. Die Werte Union positioniert sich zwischen CDU und AfD. Maaßen zuvor Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, äußerte sich wiederholt kritisch zur Flüchtlingspolitik und thematisierte einen vermeintlichen Linksruck in Deutschland. Berichte nach seinem Ausscheiden zeigen überwiegend negative und kritische Töne. Recherchen von ARD-Politikmagazin Kontraste und "t-online" legen nahe, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Maaßen als Rechtsextremisten einstuft.

Trotz dieser Vorwürfe scheiterte ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen in der CDU. Der Verfassungsschutz hat Daten zu Maaßen gespeichert und beobachtet ihn aufgrund seiner Äußerungen zur Migration. Hans-Georg Maaßen äußerte sich konkret zur Maßnahme gegen mutmaßliche Mitglieder der Reichsbürger-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die er als "unverhältnismäßig" bezeichnete. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk im Januar 2023 kritisierte er zudem die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und beklagte einen angeblichen Linksruck in Deutschland. Solche Äußerungen zur Migration führten dazu, dass Maaßen vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Es kann als besonders grotesk angesehen werden, dass ausgerechnet der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes nun selbst von dieser Behörde überwacht wird. Dies verdeutlicht jedoch, dass die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes stark von der Person abhängig ist, die ihn leitet.

Hans-Georg Maaßen ist somit ein bekannter prominenter Fall eines CDU-Mitglieds, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Beobachtung begann anscheinend wenige Tage nach seinem Austritt aus der CDU.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dem Bundesministerium des Innern unterstellt und fungiert als Bundesbehörde im Zuständigkeitsbereich dieses Ministeriums. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Gefahren durch politischen Extremismus, Terrorismus und Spionageaktivitäten zu ermitteln und aufzuklären. Obwohl es dem Bundesministerium des Innern untergeordnet ist, agiert es unabhängig. Der Bundesinnenminister hat keine unmittelbare Weisungsbefugnis gegenüber dem Verfassungsschutz. Gemäß vorliegenden Informationen kann der Präsident des Bundesverfassungsschutzes auf Veranlassung des Innenministers abgelöst werden, falls dieser der Auffassung ist, dass der Präsident seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt. In einem solchen Fall kann ein neuer Präsident ernannt werden, der nach Meinung des Bundesinnenministers besser geeignet ist.

In den 1960er Jahren überwachte der Verfassungsschutz die SPD und den späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Gerhard Schröder (CDU) war zu dieser Zeit von 1953 bis 1961 Bundesinnenminister. Die SPD war damals die einzige Partei, die der CDU die Führung streitig machen konnte. Im Jahr 1966 bildete sich erstmals eine Bundesregierung mit SPD-Beteiligung. Unter Bundeskanzler Willy Brandt führte die SPD ab 1972 die Bundesregierung.

Bisher wurden die beiden Parteien CDU/CSU und FDP, die den Verfassungsschutz maßgeblich im Jahr 1950 ins Leben gerufen haben, nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Allerdings haben sie in der Vergangenheit in vielen Fällen mit Parteien zusammengearbeitet, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, und möglicherweise setzen sie diese Zusammenarbeit auch heute noch bei Bedarf fort.

Otto John, der erste Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Deutschland, wurde im Jahr 1954 zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er war wegen Landesverrats angeklagt worden, nachdem er während des Kalten Krieges in die DDR geflohen war und dort politisches Asyl beantragt hatte. Hans-Georg Maaßen, der vorletzte Präsident des Bundesverfassungsschutzes, wird nun vom aktuellen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes überwacht.

Es gibt Bedenken, dass nicht nur konkurrierende politische Parteien durch die Nutzung von Presse, Rundfunk und Fernsehen, sondern auch der Verfassungsschutz möglicherweise als Instrument benutzt werden könnte, um politische Gegner zu beeinträchtigen oder zu eliminieren.

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