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Schlechte Ratschläge

Mag die „Junge Freiheit“ die Erfolgs-AfD nicht?

Von WOLFGANG HÜBNER

Der Leitartikel „Die große Verweigerung“ von Konstantin Fechter in der Ausgabe der Wochenzeitschrift „Jungen Freiheit“ vom 11. August reizt zu Kritik und Widerspruch. Im ersten Teil des Textes entwickelt Fechter seine These von der Verweigerung der Deutschen gegenüber den politischen Realitäten. Ob dem so ist, mag richtig oder falsch sein. Doch der steile Aufschwung der AfD-Umfragewerte lässt zumindest vermuten, dass sich tiefer Frust unter den Deutschen aufgestaut hat, der ein politisches Ventil sucht. Auf ein neues Biedermeier mit dem egoistischen Rückzug ins Private deutet das eher nicht hin. Übrigens könnte Fechters „Große Verweigerung“ auch als „Stiller Streik der Deutschen“ interpretiert werden.

Denn wenn die BILD-Zeitung aktuell unter Hinweis auf die hohe Zahl sommerlicher Krankmeldungen titelt: „Deutschland schreibt sich krank“, dann kann das durchaus auch als Symptom passiven Protests gegen eine Politik gewertet werden, die viele Milliarden Steuergelder ins Ausland transferiert, die Infrastruktur und das Gesundheitswesen hierzulande aber verkommen lässt. Mit dem Hinweis auf die fehlende Bereitschaft der Deutschen, die Souveränität ihres Landes zu verteidigen, zeigt sich der Autor als beeindruckend unbeeindruckt wehrwillig, zumal er daraus gar auf den „nicht mehr vorhandenen Überlebenswillen des Gemeinwesens“ glaubt schließen zu müssen.

Ist es jedoch nicht so, dass zwei Faktoren an der Unlust zur Verteidigung großen Anteil haben dürften? Erstens der offensichtliche Verrat der jetzigen Bundesregierung an der deutschen Souveränität am Beispiel der zerstörten Erdgaspipeline in der Ostsee. Und zweitens der berechtigte Widerwille, sich mit der gerade scheiternden NATO-Politik in der Ukraine samt den damit verbundenen Kosten und Gefahren oder den sinnlosen, aber teuren militärischen Auslandseinsätzen in Afghanistan, Mali oder Niger anzufreunden. Die Reaktion der Bevölkerung ist also nicht so befremdlich, wie Fechter das wohl empfindet, sondern aktuell eher vernünftig.

Die vom Autor vermutete „Große Verweigerung“ bietet der AfD Anlass, darin ein erhebliches Protest- und Wählerpotential zu erkennen, das es parteipolitisch zu nutzen gilt. Die Umfragewerte weisen darauf hin, dass das auch gelingt. Das sollte einen Leitartikler in der nationalkonservativen Jungen Freiheit eigentlich freuen. Doch Fechter tut das nicht, sondern kritisiert die „Empörungsstimulanzien“ der Opposition und orakelt: „Insbesondere die AfD übersieht, dass die Gunst der Zermürbung flüchtig ist.“ Das mag so werden, es kann aber auch ganz anders kommen.

Warum Fechter so auffallend übellaunig auf die AfD-Konjunktur reagiert, wird aus seinen abschließenden Überlegungen deutlich. Denn er versteigt sich zu einer Behauptung, die er nicht belegen kann, aber sein grundsätzliches Unbehagen an der politischen Entwicklung der AfD offenbart: „Nur wenn die Partei aufhört, das ressentimentgeladene Erregungsspiel ihrer zahlreichen Gegner mitzuspielen, wird sie als flächendeckende Oppositionsbewegung akzeptiert werden.“ Was will Fechter damit sagen? Dass die AfD aufhören soll, auf ihre Feinde in den Blockparteien zu reagieren? Soll sie aufhören, diese anzugreifen? Soll sie gar so „vernünftig“ werden wie vor langer Zeit Union oder FDP es angeblich mal gewesen sein sollen – mit dem bekannten Ergebnis ihres heutigen Elends?

Der Autor formuliert sodann einen Satz, der leider einen deutlichen Hinweis gibt, was seinen Unmut an der AfD anstachelt: „Eine befremdliche Mobilisierungsrhetorik mit an die EU adressierten Tötungsphantasien … wirkt dabei gegenteilig.“ Woher weiß Fechter das? Und geht es ihm in Wahrheit nicht um einen leicht durchschaubaren, gleichwohl tückischen Seitenhieb gegen den in der Jungen Freiheit extrem unbeliebten AfD-Politiker Björn Höcke?

Der Leitartikler hat noch ein anderes Anliegen, das er unterzubringen sucht. Denn er will die AfD dorthin bringen, sich in Richtung einer „koordinierten Zusammenarbeit mit insbesondere osteuropäischen Staaten“ sowie zur Abgrenzung vom „außereuropäischen Neoimperialismus Russlands“ zu bewegen. Das sind ausgesprochen schlechte Ratschläge. Denn was soll die AfD gewinnen, sich zum Beispiel mehr mit der polnischen Regierungspartei einzulassen, die sich so gerne deutschfeindlich gibt und gigantische Reparationsforderungen stellt? Was soll sie in baltischen Staaten erreichen, die sich an die USA verkauft haben? Was mit einer Kiew-Ukraine, die längst schon kollabiert und ruiniert ist? Und warum Abgrenzung vom größten und rohstoffreichsten europäischen Staat, der Deutschland bis zu dem westlichen Sanktionswahnsinn freundlicher gesinnt war als so mancher benachbarte „Freund“?

Dass Fechter die jetzige, nach langen inneren Kämpfen stabilisierte AfD nicht mag, davon zeugt auch dieser Satz: „Sie muss sich entscheiden, ob sie eine Partei der irrelevanten Wutartikulation bleiben oder zum Regisseur eines grundlegenden, aber integrativen Wandels reifen möchte.“ Das ist nicht nur eine völlig verzerrte Darstellung einer Programmpartei, die beste Argumente hat und diese auch zunehmend erfolgreich einzusetzen versteht. Es ist auch eine Anmaßung des Autors, dieser vom Machtsystem geradezu fanatisch bekämpften AfD ernsthaft zu empfehlen, „zum Regisseur eines grundlegenden, aber integrativen Wandels zu reifen.“ Und das in einer Situation, in der sich die Rufe nach dem Verbot der Partei mehren und ihre Funktionäre und Mitglieder unter ständiger Angst vor Angriffen der staatlich geförderten „Antifa“ leben müssen.

Fechter rennt am Schluss eines Textes offene Türen ein, wenn er faktisch an die AfD appelliert, „eine Zielsetzung und Sprache“ zu gebrauchen, „die von Begeisterung für das immer noch vorhandene Potential dieses Landes zeugt“. Man mag der Partei einiges vorwerfen, fehlende Begeisterung für das in der Tat noch vorhandene Potential Deutschlands jedoch ganz bestimmt nicht. Schon deshalb nicht, weil die AfD ja selbst der politische Teil dieses Potentials ist.

Konstantin Fechter und die Junge Freiheit haben sich mit diesem Leitartikel verrannt und selbst geschadet. Aus welchen Motiven und Überlegungen das geschehen ist: Es waren nicht die besten!
(pi-news.net)

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