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Schweigen ist nie Gold

Mattias Desmet: "Die Psychologie des Totalitarismus"

Mattias Desmet ist Professor für Klinische Psychologie. Sein (aus dem Niederländischen übersetztes) Buch über „Die Psychologie des Totalitarismus“ ist überaus erhellend. Und das ist noch tiefgestapelt, denn anders als viele (zwar gute) Bücher, die „im Schatten von Corona“ erschienen sind, haben Desmets Erkenntnisse zu allergrößten Teilen Neuigkeitswert.

Das Buch ist in drei Teile untergliedert. Der erste Teil widmet sich dem Zusammenhang zwischen Ideologie, Wissenschaft und den psychologischen Auswirkungen.

Desmet spannt den Bogen sehr weit und zeichnet nach, wie bereits seit der Aufklärung (18. Jahrhundert!) die Wissenschaft durch ein zunehmend mechanistisches Weltbild immer mehr abdriftete vom Kurs der Wahrheit. Nämlich: von einer Offenheit des Geistes (was Wissenschaft eigentlich auszeichnen sollte) hin zum Instrument von Opportunismus, Betrug, Macht und Manipulation.

Desmet – der immerhin selbst hochrangiger Wissenschaftler und keinesfalls Esoteriker ist – sagt ganz deutlich, wie irregeleitet die Parole „Trust the Science“ ist. Wir erinnern uns, wie sehr dieser Slogan in den Corona-Jahren boomte.

In Erinnerung sei noch mal gerufen, dass Contergan 1958 als Mittel gegen Schwangerschaftsübelkeit auf den Markt kam und 1961 herauskam, dass es bei tausenden Föten schwere Mißbildungen verursachte und erst 1969 aus dem Handel genommen wurde. Soviel zu „Trust the Science“.

Ein anderes dramatisches Beispiel war das künstliche Hormon Diethylstilbestrol, das zwischen 1947 und 1976 vielfach verabreicht wurde – und dessen schwerwiegende Nebenwirkungen wie Fehlbildungen und erhöhte Krebsrisiken erst in der nächsten und übernächsten Generation offenbar wurden. Soviel zu der „wissenschaftlichen“ Aussage, eine völlig neuartige Impfung könne gar keine Langzeitfolgen haben.

Zitat Desmet: „Aus dem Bauch der Aufklärungsgesellschaft erhebt sich am Beginn des 21. Jahrhunderts eine neue Moral, die sich in verschiedener Hinsicht als strenger, launischer, irrationaler und scheinheiliger erweist als die religiöse Moral, vor der die Aufklärung die Menschen erlösen wollte.“

Ganz klar: Dem neuen Hygiene-Regime geht es nicht nur um Bakterien und Keime, sondern auch um „falsche Meinungen“ und unerwünschte Meinungen, die es auszurotten gilt.

Der Hauptteil dieses in vielerlei Hinsicht augenöffnenden Buches nimmt die Mechanismen der Massenbildung unter die Lupe. Laut Desmet braucht es etliche Bedingungen, damit sich eine mobförmige Masse bilden könne: Erstens müsse ein Zerfall an sozialen Bindungen, eine Vereinzelung vorliegen. Zweitens müsse ein „Mangel an Sinn“ herrschen; ein weites Feld, was sowohl den Verlust von Religion als auch die Existenz sogenannter „Bullshitjobs“ umfasst. Drittens müsse eine diffuse Angst in der Luft liegen und viertens ebenso frei flottierender Frust sowie eine Aggression, die nicht ausagiert werden kann. Der Anlass zur Massenbildung dann ist jeweils eine Suggestion im öffentlichen Raum, und daran heften sich dann Angst, Frust und Aggression. Das sollte uns ziemlich bekannt vorkommen…

Mit Massenbildung geht laut Desmet immer eine Denunziantenmentalität einher, zudem eine morbide ideologische Getriebenheit: Die Realität muss und wird der ideologischen Fiktion angepasst werden. Die Masse unterliegt dabei einer Art Hypnose durch ihre Führer, wobei sich die totalitären Führer selbst in einer Form von Hypnose befinden. Desmet beziffert, dass die „hypnotisierte Masse“ stets maximal 30 Prozent einer Gesellschaft ausmachen, unter „ängstliche Mitläufer“ rangieren weitere 40 bis 60 Prozent.

Interessant: Desmet sagt, es gäbe keine „heimliche Elite“ als Steuerungsinstanz. Es sei schlicht eine Denkweise, die herrsche. Und nur wer dieser herrschenden Ideologie folgt, gelangt in Schlüsselpersonen. Daher ist Selbstzensur viel, viel schwerwiegender als Zensur.

Kann man denn etwas tun? Ja, kann man. Oberstes Gebot: Schweigen ist nie Gold. Wir müssen den Mund auftun. Ob im kleinsten, im kleinen oder im größeren Kreis. Ein enorm wichtiges Buch.

»Mattias Desmet: Psychologie des Totalitarismus, 272 S., 24 Euro
(pi-news.net)

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