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Leben wir in einer reformierten DDR?

Mit der Bundesrepublik von vor 1990 hat unser heutiges System nur wenig und mit der vor 1968 rein gar nichts mehr zu tun

Von C. JAHN

In gut einer Woche feiern wir zum 70. Mal unseren alten Nationalfeiertag, den 17. Juni – ein Anlass also, den politischen Zustand Gesamtdeutschlands aus einem erweiterten historischen Blickwinkel zu betrachten. Dass das heutige Staatskonzept unserer real existierenden „Bunten Republik Deutschland“ nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit der einstigen westdeutschen Bundesrepublik aufweist, steht außer Frage: Der antitotalitäre Konsens, der die alte Bundesrepublik sowohl gegen linkskommunistische als auch rechtsnationalistische Extremismen politisch wehrhaft machte, und das Bemühen um staatliche Neutralität und politsche Mäßigung, ebenfalls Charakteristika der alten Bundesrepublik, sind aus unserem heutigen Staatswesen weitestgehend verschwunden.

Die einstige Brandmauer gegen den Linkskommunismus ist an zahllosen Stellen eingebrochen, Forderungen nach Staatswirtschaft, Enteignungen und Höchststeuern sind nunmehr auch in den alten Westparteien bis weit in die CDU hinein gang und gäbe, planwirtschaftlichen Methodiken wird nicht nur in der Energiewirtschaft mehr und mehr Raum gegeben. Die radikalkommunistische Antifa-Bewegung hat sich zu einer hervorragend vernetzten und schlagkräftigen paramilitärischen Organisation entwickelt, einem echten innenpolitischen Machtfaktor. Im Staatsfernsehen wird traditionell-bürgerlichen oder gar konservativ-bewahrenden Meinungen kein Forum mehr geboten, wie in der DDR werden bürgerlicher Patriotismus und radikaler Faschismus propagandistisch gleichgesetzt. Einseitige politische Indoktrination gehört in Deutschland wieder zum Lebensalltag in den Schulen, an den Universitäten kann von Freiheit der Wissenschaft keine Rede mehr sein: Was in Deutschland geforscht werden darf, was nicht und welche Ergebnisse die Forschung zu erbringen haben, wird politisch festgelegt.

Bundesrepublik war schon zu Zeiten der Wiedervereinigung fest in linker Hand
Das einstige Bemühen um Äquidistanz zu Extremismen jeglicher Art, wie es vor allem in den 50er- und frühen 60er-Jahren für die Bundesrepublik charakteristisch war, der Versuch, einen politisch gemäßigten bürgerlichen Staat zu schaffen, der auf jeglichen Fanatismus verzichtete, darf daher zu Recht als gescheitert gelten. Diese Idee, einen antitotalitären, tatsächlich freiheitlichen Staat in Deutschland aufzubauen, erodierte in der Bundesrepublik bereits nach der maoistisch-kommunistischen Revolte von 1968. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1990 war die westdeutsche Bundesrepublik längst kein ideologiefreier Staat mehr: Schon damals hatten die westdeutschen Staatssender ARD und ZDF einen auffälligen Linksdrall, auch wenn zu dieser Zeit durchaus noch konservativ-bürgerliche Meinungen in privaten Tageszeitungen veröffentlicht wurden.

Die ursprünglich gemäßigte, antitotalitäre Staatskonzeption der Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahren somit grundsätzlich verändert. Es gibt im heutigen Gesamtdeutschland jenseits medialer Rückzugsorte überhaupt kein Forum mehr für nichtlinke Meinungen, insbesondere werden jegliche Abweichungen von den Dogmatiken des Parteiprogramms der Grünen unter den Verdacht politischen Ketzertums gestellt. Besonders deutlich wird diese geradezu revolutionäre, ins Totalitäre abgleitende Gesamtveränderung des Staatskonzepts an der Rolle der einst bürgerlich-konservativen Westparteien CDU und FDP: Beide Parteien sind heute gleichermaßen linksgrüne Blockparteien, inhaltliche Unterschiede zwischen den Parteiprogrammen der CDU und FDP einerseits und dem für das gesamte politische System verbindlichen politischen Leitlinienkatalog, dem Parteiprogramm der Grünen, sind nur noch marginal erkennbar.

Heutige Blockparteienrolle der CDU erinnert an finsterste DDR-Zeiten
Die heutige Blockparteienrolle insbesondere der CDU erinnert daher deutlich mehr an die Rolle dieser Partei in der einstigen DDR als an ihre bürgerlich-selbstbewusste, souveräne Stellung in der alten Bundesrepublik. Der politische Totalausfall der CDU wirft insofern besonders augenfällig die Frage auf, ob unser heutiges System tatsächlich noch nennenswerte Gemeinsamkeiten mit der alten Bundesrepublik aufweist, wie die offizielle Staatsbezeichnung „Bundesrepublik Deutschland“ suggeriert, oder ob das wiedervereinigte Deutschland der Gegenwart in politischer Hinsicht nicht eher einer reformierten DDR gleicht.

Denn hätte die DDR nach 1989 fortbestanden, hätte sie sich sicher genau in die Richtung entwickelt, die die SED (heute: „Linke“) bereits damals erkennbar einzuschlagen versuchte: Ein weiterhin stark von linkskommunistischen Ideologien dominierter Staat, der seinen Bürgern allerdings freies Wirtschaften und mehr oder weniger wohl auch Redefreiheit und freie Wahlen gestattet hätte. Eine solche reformierte DDR wäre zwar etliche Nuancen freiheitlicher gewesen als die vorangegangene Diktatur, hätte sich jedoch immer noch erheblich von den zwar linksdominierten, aber immerhin verhältnismäßig pluralistischen politischen Gegebenheiten der damaligen Bundesrepublik unterschieden.

Frühere DDR-Methoden prägen das politische System unserer Gegenwart
In einer derart reformierten DDR hätte die autoritätsgewohnte SED ganz sicher weiter darauf geachtet, dass sie ihre Führungsrolle trotz Lockerungen bei der Redefreiheit und mehr oder weniger freien Wahlen nicht verliert. An den Schulen und in Universitäten hätte sie zwar auf allzu radikalen Dogmatismus verzichtet, allerdings weiter auf ihre bewährten Machtmittel der Propaganda und Indoktrination gesetzt. Lehrer und Professoren, die allzu klassisch bürgerliche Sichtweisen jenseits des Kanons geduldeter Meinungen geäußert hätten, hätten nach wie vor mit politischem Druck rechnen müssen. Im reformierten DDR-Staatsfernsehen hätten wir zwar Talkshows gesehen, aber bei der Auswahl der Gäste wäre sehr genau darauf geachtet worden, dass die Meinung der linkslastigen Staatsführung nie gleichrangig, sondern stets in der Überzahl repräsentiert gewesen wäre.

Politische Parteien, die sich zu weit von den Vorgaben des SED-Zentralkomitees entfernt hätten, hätte man zwar bei Wahlen antreten lassen, um äußerlich den neuen demokratischen Schein zu wahren, aber man hätte ihren Kadern und Mitgliedern das Leben so schwer gemacht, dass freie und faire Wahlen im Sinne einer demokratischen, „volksherrschaftlichen“ Gleichbehandlung aller politischen Ansichten in Wirklichkeit niemals stattgefunden hätten. Auch die staatliche Spitzelei, das Denunziantentum und sonstige für totalitäre Staaten typische Praktiken hätten gegenüber politisch unliebsamen Personen sicher fortbestanden, auch wenn man der Stasi einen neuen Namen gegeben und sie in ihrer Verfolgungswillkür ein wenig mehr an die Kandarre genommen hätte.

All diese genannten politischen Methodiken – in der alten Bundesrepublik völlig undenkbar – prägen heute das politische System unserer Gegenwart. Im Zentrum der politischen Macht stehen nunmehr zwar die Grünen und ihre jeweiligen Blockparteien, nicht mehr die SED, und die staatlich vorgegebene Ideologie hat sich geringfügig verändert: Statt altbackener marxistischer Dogmen gilt es nun, ökokommunistische und woke-buntistische Heilslehren kritiklos nachzuplappern. Aber die Vorgehensweisen gegen Abweichler, der politische Druck auf Lehrer, die Hochschulen und unerwünschte Parteien, die Allgegenwärtigkeit einseitiger, linkspolitischer Propaganda im Staatsfernsehen unterscheiden sich insgesamt nicht sonderlich von jenen Maßnahmen, die seitens der SED-Führung im Falle des Fortbestehens einer abgemilderten Variante der DDR zu erwarten gewesen wären.

Erinnerung an den 17. Juni wichtiger denn je!
Schaut man also im Vorfeld des 17. Juni wieder einmal aus der historischen Vogelperspektive auf Deutschland, erkennt man schnell: Unsere heutige totale Bunte Republik hat nur noch wenig gemein mit dem freiheitlichen, demokratisch-volksherrschaftlichen Ideal der alten Bundesrepublik. Auch wenn sich unser Staat offiziell weiter „Bundesrepublik Deutschland“ nennt: mit der Bundesrepublik aus der Zeit vor 1990 hat unser heutiges System nur wenig und mit der Bundesrepublik aus der Zeit vor 1968 rein gar nichts mehr zu tun.

Erschreckend leicht aber lassen sich Parallelen zu politischen Ideologien und Praktiken der DDR aufzählen, wenn auch einer DDR in weniger radikalisierter Form. Der 70. Jahrestag des 17. Juni sollte uns daher in diesem Jahr in besonderer Weise daran erinnern, dass auf dem Weg zu einem tatsächlich freiheitlichen, demokratisch-volksherrschaftlichen Deutschland noch viel politische Überzeugungsarbeit vor uns liegt.
(pi-news.net)

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