Braucht Deutschland überhaupt noch einen Außenminister?
Von W. SCHMITT
Grünschnabel Annalena Baerbock nimmt sowieso niemand ernst. Aber selbst wenn wir wieder einen Außenminister von Format hätten – wird ein deutscher Außenminister wirklich noch gebraucht? Der einzige Daseinszweck eines Außenministers ist es ja, mit anderen Ländern diplomatische Gespräche zu führen, um Kriege mit diesen Ländern zu verhindern. Entscheidungen über Krieg und Frieden in Deutschland und Europa aber werden nicht in Berlin getroffen, sondern in Washington.
Der aktuelle Ukraine-Krieg führt uns diese realpolitische Gegebenheit wieder sehr deutlich vor Augen. Zu Anfang zeigte Deutschland durchaus noch Anzeichen, seine seit 1945 aus gutem Grund vorsichtige Haltung gegenüber kriegerischen Abenteuern jeglicher Art zu bewahren: Deutschland wollte nur 5000 Helme liefern. Das war eine in der Sache völlig berechtigte Überlegung, da wir mittlerweile die schon damals absehbare Entwicklung auf dem Schlachtfeld bestätigt sehen, dass Frieden schaffen mit noch mehr Waffen nicht immer der zielführendste Weg einer Konfliktlösung ist. Vom Ende her gedacht, wäre es also tatsächlich das Klügste gewesen, es bei den 5000 Helmen zu belassen.
Entscheidungen über Krieg und Frieden in Deutschlands engster Nachbarschaft aber fallen nicht in Berlin, sondern in der amerikanischen Hauptstadt, zur Not wird per Pipeline-Sprengung nachgeholfen. Über die Gründe für die amerikanische Strategie, im Ukraine-Krieg ausschließlich auf eine militärische Lösung zu setzen, sei hier nicht spekuliert, es soll die Erkenntnis ausreichen, dass in Washington von Anfang an allein auf die kriegerische Karte gesetzt und massiver Druck auf die amerikanischen Vasallenstaaten in Europa ausgeübt wurde, ebenfalls nur kriegerische Lösungswege zu beschreiten.
Ein Staat, der in Afghanistan gerade in Schimpf und Schande die Flucht vor einer Horde pantoffeltragender Hotzenplotze ergreifen musste, war sonderbarer Weise ernsthaft der Ansicht, die militärische Leistungsfähigkeit Russlands besser einschätzen zu können als jahrelang die Leistungsfähigkeit der Hotzenplotze. Und ebenso sonderbarer Weise hat kein anderer Staat der westlichen Welt diese Einschätzung eines aufgeblasenen Kriegsverliererstaats in Frage gestellt.
Da Deutschland heute in eine Vielzahl fragwürdiger Staatenbündnisse eingebunden ist und insofern unter vielerlei Gruppenzwängen steht, hat man sich von dieser amerikanischen Lageeinschätzung, man werde die Russen leichter kleinkriegen als die Hotzenplotze, gemeinsam mit den anderen amerikanischen Vasallenstaaten in geradezu leichtfertiger Weise in einen Strudel stetig anschwellender Eskalationen hineinreißen lassen. Mittlerweile ist man sogar nach den USA der weltweit größte Waffenlieferant in einem Krieg gegen Russland (!).
Aus 5000 Helmen und dem damit verbundenen Zeichen kluger Zurückhaltung wurde ein unüberschaubares Arsenal von aus Deutschland geliefertem Kriegsgerät aller Art, und man fragt sich, ob es an irgendeinem Punkt dieser in sich komplett widersprüchlichen Entwicklung überhaupt jemals einen eigenständigen deutschen Gestaltungswillen gab, außer vielleicht an jenem Anfangspunkt der 5000 Helme.
Aufgabe deutscher Außenpolitik sollte es aber nicht sein, nibelungentreu politische Diktate aus Washington umzusetzen, sondern sich um die äußere Sicherheit Deutschlands zu kümmern. Wichtigste Aufgabe des deutschen Außenministeriums, wenn es nicht ständig von eitlen, selbstverliebten Gernegrößen – Maas, Baerbock – in Beschlag genommen wäre, wäre es daher in den letzten Jahren gewesen, diesen Krieg in der Ostukraine aufgrund seiner bedrohlichen geographischen Nähe zu Deutschland mit allen diplomatischen Mitteln zu verhindern. Dazu hätte gehört, dass Deutschland seine historische Brückenlage als kultureller Mittler zwischen der westeuropäisch orientierten Welt – Frankreich, England, USA –, die mit Russland schon immer gefremdelt hat, und dem europäischen Osten, zu dem Deutschland einst selbst gehörte, zur Friedenssicherung genutzt hätte.
Deutschlands Aufgabe wäre es gewesen, unter seinen westeuropäischen Verbündeten um Verständnis für die russische Sorge vor einer Umklammerung Moskaus durch die sowohl in der Ukraine als auch absehbar in Weißrussland immer näher rückende NATO zu werben. Deutschland hätte die USA vor ihrem leichtfertigen innenpolitischen Engagement in der Ukraine warnen und mehr amerikanisches Augenmaß anmahnen müssen. Es wäre sicher nicht unsere Aufgabe gewesen, den Bruderzwist zwischen Russen und Ukrainern um irgendwelche Kleinstädte im Donbass zu schlichten, aber es wäre durchaus unsere Aufgabe gewesen, die oft genug ungestümen Amerikaner in der Ukraine zu mehr diplomatischem Feinsinn gegenüber Russland anzuhalten. Würde der Warschauer Pakt noch fortbestehen, würden die Amerikaner politische Aktivitäten verschiedenster russischer Organisationen in Mexiko sicher ebenfalls beargwöhnen.
Aber eine speziell deutsche Außenpolitik, die der westlichen Diplomatie auch die jahrhundertelangen Erfahrungen Deutschlands im Umgang mit Russland zugeführt hätte, war in all den Jahren nicht vorhanden. Man imitierte die amerikanische Hollywood-Sicht auf Russland als bösem Buhmann und kopierte die traditionelle westeuropäisch-französische Arroganz, nichts wirklich ernstzunehmen, was da aus dem fernen Moskau, wo die wilden Slawen wohnen, herübertönt. 20 Jahre lang hielt Russlands Außenminister Sergei Lawrow jedes Jahr auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Grunde dieselbe Rede, es wurde einfach nicht zugehört, leider auch nicht von deutscher Seite. Statt als ehrlicher deutscher Vermittler aufzutreten, schloss sich Angela Merkel erbärmlicherweise sogar den französischen Scheinverhandlungen um das sogenannte „Minsker Abkommen“ an. Wie die Frau inzwischen selbst zugab, reine Schaugespräche, die in Wahrheit nur dem Zweck dienten, der Ukraine mehr Zeit für ihre militärische Aufrüstung zu verschaffen. Solche Lügenverhandlungen mit Russland zu führen, war bis dahin absolut undeutsch.
Da eine speziell deutsche Außenpolitik also schon in den letzten Jahren nicht wirklich erkennbar war und sich insbesondere seit dem Kriegsausbruch im Februar 2022 zu reiner Katzbuckelei, pagageienhaftem Nachgeplapper amerikanischer Kampf- und Siegparolen entwürdigt hat, stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir all diese teuren Beamten? Und selbst wenn wir jemals wieder eine wirkliche Persönlichkeit, einen gestandenen Diplomaten im Amt des deutschen Außenministers sehen sollten: Können wir uns einen deutschen Außenminister, die teuren Reisen und all den Firlefanz nicht grundsächlich sparen, solange die deutsche Außenpolitik und die Frage von Krieg und Frieden in Deutschland ohnehin nicht in Berlin, sondern auf absehbare Zeit weiterhin in Washington entschieden wird?
(pi-news.net)