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Verzerrtes Bild

Ein schwarzes Wochenende für Präsident Putin und Russland

Von Brig. General a.D. Dieter Farwick

Das Wochenende 23.06.2023 – 25.06. 2023 wurde zu einem schweren Schlag gegen Alleinherrscher Putin und Russland, dessen politische und militärische Folgen noch nicht gänzlich erkennbar sind.

Eines ist jedoch offenkundig, dass sich Putin und Russland von diesem Schlag nur schwer erholen – falls dies überhaupt möglich ist.

Folgen für Präsident Putin
Es gibt zahlreiche Kommentare von russischen und ausländischen Experten, die in diesem Wochenende den Anfang seiner baldigen Ablösung sehen.

Ein Diktator lebt von seiner Vorbildfunktion und seiner Führungskunst im eigenen Land und dem Respekt im Ausland. Diese Voraussetzungen sind schwer beschädigt worden.

Der erste schwerwiegende Fehler war seine Entscheidung, die Ukraine völkerrechtswidrig zu überfallen und zu zerstören.  Er hat die Entwicklung völlig falsch eingeschätzt. Er ging davon aus, dass dieser Krieg nach wenigen Tagen mit dem überzeugenden Sieg Russlands beendet wäre – mit dem Einsetzen einer neuen Regierung von Russen und russlandhörigen Ukrainern.

Er verstieg sich zu der Behauptung, dass die Ukraine kein Existenzrecht als Nation habe, da sie ein Teil Russlands sei. Nach wenigen Wochen wurde diese Fehleinschätzung offenkundig. Er hat den Behauptungswillen der Ukraine in der Zivilbevölkerung und ihrer Soldaten grob fahrlässig unterschätzt.

Seine Propagandamaschine hat der eigenen Bevölkerung ein verzerrtes Bild vorgegaukelt, dass es nicht mehr gibt. Im Kreml und in anderen Entscheidungszentren gibt es bittere Kämpfe über die Zukunft Putins und Russlands.

Die Tatsache, dass der Chef der Wagnergruppe mit seinen Söldnern ohne größeren Widerstand regulärer Truppen von Rostow am Don bis auf 200 Km vor Moskau vorstoßen konnte, zeigt, dass die russische Militärführung nicht mit dem Vorstoß Prigoschins gerechnet hatte. Augenscheinlich gab es auch keine russischen Verbände in der „Heimatverteidigung“.

Was Prigoschin veranlasst hat, den Vorstoß nach Moskau fortzusetzen, ist noch nicht geklärt. Durch das Eingreifen des belarussischen Diktators Lukaschenko wurde ein Deal gebastelt, der die De-Eskalation ermöglichte. Prigoschin wurde die Einreise nach Belarus ermöglicht. Seine Truppen konnten auf Befehl von Prigoschin ohne Probleme nach Rostow zurückkehren. Ihnen wurde freies Geleit gewährt und sie konnten als Einzelpersonen einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterschreiben. Diesen Vertrag hatte Prigoschin für seine Soldaten verweigert. Der Aufenthaltsort von Prigoschin ist mir nicht bekannt.

Es gibt Hinweise, dass der Verteidigungsminister Schoigu – angeblich wegen Veruntreuung – abgelöst wurde. Beide – Schoigu und Gerassimow waren die hochrangigen Verantwortlichen, die Prigoschin wiederholt scharf angegriffen und persönlich als „unfähig“ bezeichnet hatten. Ein Erfolg von Prigoschin als Teil des Deals? Es bleibt interessant zu erfahren, was in dem Deal vereinbart wurde.

Folgen für Ukraine
Die Kampfmoral der ukrainischen Soldaten und der Zivilbevölkerung ist deutlich gesteigert worden. Die Chancen für einen Waffenstillstand könnten Verhandlungen ermöglichen, in denen die ukrainische Regierung wichtige Ziele durchsetzen kann – auch das entscheidende Ziel, die russischen Truppen aus dem ukrainische Territorium zu vertreiben.

Für einen begrenzten Zeitraum könnten UN-Truppen die Sicherheit der Ukraine verstärken.

Die Zukunft muss zeigen, ob die Ukraine den Lohn für ihre Widerstandskraft bekommt. Die westlichen Unterstützerstaaten müssen sich großzügig einbringen für den zügigen Wiederaufbau der Ukraine.

In diesen Wiederaufbau sollten auch die eingefrorenen Konten der reichen Russen einfließen.
(beischneider.net)

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