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„Vollkommen reibungslos“

Propaganda und Wirklichkeit bei der Deutschen Bahn

Von Vera Lengsfeld

Auf meinen Bericht über die Unfähigkeit der Bahn, einem überfüllten ICE, der wegen eines Oberleitungsproblems 10 Fahrtminuten vor Leipzig stehenblieb und evakuiert werden musste, habe ich zahlreiche Leserzuschriften bekommen. Zwei davon möchte ich zur Kenntnis geben, denn sie beschreiben, wie groß unsere Probleme mit einer immer dysfunktionaleren Bahn sind und wie wir darüber von den Medien belogen werden.

Beide Leserbriefe sind anonymisiert.

Sehr geehrte Frau Lengsfeld,
ich freue mich immer über Ihre interessanten Beiträge.
Und es ist gut, dass man auch Dinge aus „erster Hand“ bekommt – so über das Erlebte im heutigen Beitrag über das Chaos bei der Deutschen Bahn.
In einem Beitrag heute im Fernsehen wurde dieser Zugausfall und das Umsteigen auf einen Ersatzzug als vollkommen reibungslos dargestellt.

Unglaublich, wie die Menschen in diesem Land belogen werden.

Mit freundlichen Grüßen

***

Sehr geehrte Frau Lengsfeld!
Eben habe ich Ihren Bericht über die Fahrt mit der DB gelesen. Aus Foren von Eisenbahnern weiß ich in etwa, was da so ablief.

Ihr ICE hatte einen Schaden an einem Stromabnehmer. Mit dem verbliebenem versuchte man weiterzufahren und blieb wieder stehen. Im Stand konnte der Lokführer die Stromabnehmer für das Schweizer Netz nutzen und z.B. die Klimaanlage laufen lassen. Diese Stromabnehmer sind etwas schmaler als die der deutschen Norm. Fahren ist damit nicht möglich, weil der ganze Zug umgestellt wird auf „Fahren in der Schweiz” und die deutschen Signale nicht mehr richtig begreift. Der Evakuierungszug fährt wiederum erst auf die Strecke, wenn diese sicher frei bei der Zentrale gemeldet ist und kein Zug mit offenen Türen auf dem Nebengleis steht.

Das ganze Regelwerk ist von Bürokratie durchdrungen und für die Nutzer als Beförderungsfall menschenverachtend. Bei mir ist damit zu rechnen, daß ich auch an unpassenden Stellen aussteige und auf andere Art weiterreise.
Warum es nicht möglich sein soll, im Notbetrieb mit angemessener Geschwindigkeit den SBB-Stromabnehmer zu nutzen, weiß ich nicht. Aus Leipzig, Halle, Erfurt oder Großkorbetha kann die DB auch eine Schlepplok anfordern ( mit Notkupplung) und alles zum nächsten Bahnhof ziehen.
Für solche Fälle wie eben gibt es keine sinnvollen Vorstellungen bei der derzeitigen Eisenbahn, wie mit den Fahrgästen umgegangen wird. Stundenlang warten, man hat Hunger und Durst, muß auf Toilette, Kinder werden unruhig, Termine fallen weg oder man hat körperliche Einschränkungen (Wirbelsäule, Blase, Diabetes). Wenn die Billig-Fahrkarten eingeführt sind, wird es, so befürchte ich, noch schlimmer.

Vom Viel-Umherfahren mit der Bahn wie früher bin ich mittlerweile weit entfernt.
Wenn Sie unterwegs sind, empfehle ich den Eisenbahn-Kurier als Lesestoff.
Mit freundlichen Grüßen
***
(vera-lengsfeld.de)

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