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Warum wir uns nicht irren wollen

Mit anderen „Kämpfern“ auf dem virtuellen Schlachtfeld

Von MEINRAD MÜLLER

24 Millionen Deutsche, also 52 Prozent der 47 Millionen Wähler, die bei der letzten Bundestagswahl für die Ampel gestimmt haben, befinden sich in einem gedanklichen Dilemma. Auf der einen Seite nehmen sie wahr, dass Vieles im Lande politisch nicht mehr so ist, wie sie es gerne gehabt hätten. Andererseits können sie sich noch nicht eingestehen, zu dieser Misere durch ihr eigenes Wahlverhalten implizit beigetragen zu haben.

Ein Meinungswechsel erscheint dennoch schwierig, weil das eigene Fehlverhalten eingestanden werden müsste. Deshalb stellen wir uns am heutigen Sonntag die Frage, warum wir nur ungern zugeben, uns geirrt zu haben.

Ganz einfach: Niemand hat gerne Unrecht. Unser Gehirn spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn es hält oft an alten Glaubenssätzen fest, selbst wenn neue Beweise dagegen sprechen. Es ist, als würden wir uns in einer gemütlichen Heizdecke aus unseren eigenen Überzeugungen einwickeln – bequem, aber brennbar.

Sind wir beispielsweise fest davon überzeugt, dass helles Bier besser als Weizenbier schmeckt? Auch wenn alle Ihre Freunde Weizenbier bevorzugen und Ihnen sagen, wie gut es ist, bleiben Sie wahrscheinlich bei Ihrer Meinung. Warum? Weil es einfacher ist, bei dem zu bleiben, was man kennt, als seine Meinung zu ändern. Genauso sehen wir das auch bei der Neigung zu einer bestimmten Partei. Manchmal marschieren wir Seit‘ an Seit‘ mit, weil es in der Familie so der Brauch ist. Dieses Gedankengefängnis, unter dem wir leiden, schadet uns.

Ein weiterer Grund, warum wir ungern Fehler zugeben, ist, dass wir uns gerne besser fühlen möchten – meist sogar auf Kosten anderer. Bietet sich die Möglichkeit, auf eine politisch unbequeme, aber durchaus vernünftige Partei einzudreschen, dann sind wir mit anderen „Kämpfern“ auf dem virtuellen Schlachtfeld. Wir dürfen mitspielen. Wie in einem Stadion kann sich die Stimmung so sehr aufheizen, dass sogar Wähler der gegnerischen Partei körperlich attackiert werden oder gar deren Eigentum beschädigt oder angezündet wird.

Ein altes Sprichwort aus den USA bringt es auf den Punkt: „Egal, ob es gerechtfertigt ist oder nicht, Menschen neigen dazu, andere herabzusetzen, um sich selbst zu erhöhen.“ Es ist, als würden wir eine unsichtbare Leiter hochklettern wollen, indem wir andere eine Sprosse hinunterstoßen. Und auf der Hühnerleiter ganz oben thronen gemäß einer Hackordnung die alten Hennen, obwohl sie wirtschaftlich gesehen bereits weniger Eier legen. Doch die Zeit des Kochtopfs naht.

Aber was passiert, wenn wir tief im Inneren wissen, dass wir vielleicht doch nicht ganz richtig liegen? Oft trauen wir uns nicht, das zuzugeben – aus Angst von unseren Freunden oder von der Gruppe, zu der wir gehören, nicht mehr akzeptiert zu werden. Es ist, als würden wir gemeinsam in einem Boot sitzen und nicht aussteigen wollen, weil alle anderen auch im Boot bleiben und doch auf den Wasserfall zufahren.

Es braucht Mut, gegen den Strom zu schwimmen und eigene Fehler einzugestehen. Doch genau das macht uns menschlich und ermöglicht es uns, zu lernen und zu wachsen. Schade ist nur, dass diese Erkenntnisse oft einen Holzhammerschlag erfordern, was wir in unserm Lande 1945 schmerzlich erleben mussten.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir frühzeitig mutiger werden. Sich selbst kritisch zu betrachten, ist nicht leicht, aber es ist ein erster Schritt, um nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt um uns herum zu verbessern. Denken Sie daran: Es ist völlig in Ordnung, nicht immer Recht zu haben. Was zählt, ist die Bereitschaft, zu lernen und offen für Neues zu sein. Und sei es, das AfD-Grundsatzprogramm zu studieren.
(pi-news.net)

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