Grünistisches Gedankengut wäre auch in einer unabhängigen DDR wohl nur sehr spärlich verbreitet
Von W. SCHMITT (Teil 2)
Wären die Zustände im sogenannten „Ostdeutschland“ heute besser, wenn sich die DDR 1990 nicht Westdeutschland angeschlossen und den dort mächtigen linksgrünen Eliten unterworfen hätte? Könnte man dann östlich der innerdeutschen Grenze noch heute sicher aus dem Haus gehen, ohne fürchten zu müssen, dass hinter dem nächsten Busch vielleicht ein Messermann aus Somalia hervorspringt? Wäre eine eigene Regierung in Ost-Berlin jetzt ebenfalls in einen de facto-Krieg mit Russland verstrickt oder würde man auf Diplomatie und Deeskalation setzen? Und könnte man sich in Rostock und Leipzig zwar keinen Urlaub auf den Malediven leisten, aber hätte weiterhin die Gewissheit, dass die Kinder daheim an den Schulen tatsächlich etwas lernen?
Natürlich sind alle Überlegungen zum Werdegang einer nach 1990 unabhängigen DDR reine Gedankenspiele. Aber die Entwicklungen in den anderen einstigen Satellitenstaaten der Sowjetunion gewähren zumindest Anhaltspunkte, wie eine unabhängige DDR heute vermutlich politisch aufgestellt wäre.
Mit ziemlicher Sicherheit hätte sich die DDR wie die anderen ehemaligen Ostblockstaaten zu einem demokratischen Mehrparteiensystem entwickelt, die entsprechenden Weichen hatte die SED nach 1989 ja bereits gestellt. Anders als heute, da wir im wiedervereinigten Gesamtdeutschland immer noch auf die uns versprochene Volksabstimmung warten, die unser sogenanntes „Grundgesetz“ zur demokratischen Legitimation als Verfassung benötigt, hätte man in einer unabhängigen DDR wohl auch eine wirklich rechtsgültige Verfassung: Die alte DDR-Verfassung hatte durchaus eine ganze Reihe brauchbarer Passagen, die Vorrechte der SED hätten sich leicht entfernen lassen. Als frischgebackene Demokratie hätte man das Volk über diese reformierte Verfassung sicherlich abstimmen lassen, um sich nicht wieder den Vorwurf der Diktatur einzuhandeln. Damit wäre man in einer unabhängigen DDR nunmehr verfassungsrechtlich deutlich weiter als im nach wie vor formell verfassungslosen heutigen Gesamtdeutschland.
Das historische Alleinstellungsmerkmal des Staates Bundesrepublik, das Markenzeichen westdeutscher Politik schlechthin somit, ist ganz klar die Umvolkungspolitik. Dieser in Westdeutschland entwickelten und daher infolge der Wiedervereinigung seit 1990 aus Westdeutschland importieren Politik fällt derzeit auch das Gebiet der ehemaligen DDR zum Opfer. Die Frage stellt sich daher: Würde sich eine unabhängige DDR-Regierung heute ebenfalls an einer Umvolkungspolitik beteiligen und mecklenburgische und sächsische Dörfer mit Marrokanern und Afghanen überschwemmen?
Ein Blick auf die benachbarten Ostblockländer legt die Vermutung nahe, dass dies wohl nicht der Fall wäre. Die Idee einer groß angelegten, gesamtkontinentalen Umvolkung ist ein rein westeuropäisch-amerikanisches Konzept, das in Osteuropa nur wenig Begeisterung auslöst. Dafür gibt es historische Gründe: Letztlich fußt die Idee der ethnischen Selbstzerstörung durch Massenansiedlung fremder Völkerschaften auf dem kulturrevolutionären Gedankengut der 68er. Die von den 68ern in maoistischer Tradition gewünschte Zerstörung der eigenen Kultur wird durch Ansiedlung von Fremdkulturen – bevorzugt dabei historischen Feindkulturen – herbeigeführt, eine zwar sehr teure, dafür aber höchst wirkungsvolle Methode der kulturellen Selbstvernichtung. Die Kulturrevolution von 1968 als ursprünglich maoistisch-chinesische Ideologie aber wurde im sowjetischen Machtraum konsequent unterdrückt. Die in Osteuropa nicht erfolgte Kulturrevolution von 1968 erklärt daher mehr als alle anderen historischen Unterschiede das weitgehende Unverständnis, mit dem sich West- und Osteuropäer bis heute politisch begegnen.
Warum Afghanen, Türken und Sudanesen mitten in Deutschland angesiedelt werden sollen, mag daher aufgrund der schulischen Indoktrination vielleicht ein Westdeutscher in Frankfurt am Main oder Köln nachvollziehen – diese Ansiedlungen beschleunigen ja die gewünschte kulturrevolutionäre Selbstvernichtung im Sinne der 68er –, man versteht die Beweggründe solcher staatlichen Siedlungspraktiken aber nicht in Frankfurt an der Oder, genauso wenig wie in Warschau, Prag oder Budapest. Es scheint daher sehr unwahrscheinlich, dass sich eine DDR-Regierung an der typisch westeuropäischen Umvolkungspolitik beteiligt hätte.
Auch außenpolitisch würde man im aktuellen Ukraine-Krieg vermutlich eigene Wege gehen, die sich von der gegenwärtig stark transatlantischen Politik unterscheiden würden. In Westdeutschland bilden die Grünen das geistige Epizentrum der Politik, und die Grünen sehen in Putins Russland vor allem einen Gegenentwurf zum eigenen politkorrekten Wokismus: Kein Gender, keine Umvolkung, keine historische Selbstgeißelung, obwohl dort überwiegend „Weiße“ leben. Dieser Gegenentwurf zu den Doktrinen der politischen Korrektheit, den Russland verkörpert, erklärt den besonderen Hass und die für viele Beobachter so erstaunliche Kriegsgeilheit der Grünen und ihrer westdeutschen Satellitenparteien.
Da sich der Grünismus im Gebiet der DDR allerdings aufgrund der fehlenden 68er-Revolution bis heute grundsätzlich schwertut, hätte sich grünistisches Gedankengut auch in einer unabhängigen DDR wohl nur sehr spärlich verbreitet. Die für Westdeutschland typische grüne Kriegshetze würde somit auf Seiten einer unabhängigen Regierung in Ost-Berlin vermutlich kein Echo finden. Anders als etwa in Polen schleppt man in Sachsen und Thüringen auch keine historischen Komplexe gegenüber Russland mit sich herum, eine unabhängige DDR würde sich daher wohl am ehesten dem gemäßigten Lager Osteuropas zugesellen, wo man für Deeskalation statt Konfrontation wirbt. Entsprechend scheint es auch kaum vorstellbar, dass eine heutige DDR-Regierung das Steuergeld ihrer eigenen Bürger für Waffenkäufe zugunsten der ukrainischen Armee ausgeben würde.
Es ließen sich sicher noch eine ganze Reihe weiterer Unterschiede zwischen Ost und West ausmachen, die im Fall einer unabhängigen DDR heute zu deutlich anderen politischen und gesellschaftlichen Schwerpunktsetzungen als in Westdeutschland führen würden – denken wir etwa an die Themen Schulqualität und Rauschgifthandel. Natürlich freuen wir uns darüber, dass wir alle wiedervereinigt sind. Andererseits belebt Konkurrenz das Geschäft, und wir sehen ja am Beispiel Österreichs, dass auch ein einzelner Teil Deutschlands mit seiner politischen Unabhängigkeit nunmehr schon 150 Jahre lang erfolgreich sein kann.
Vielleicht tut es uns Deutschen nicht gut, wenn wir allzu vereinigt sind. Wir sind ein altes Stammesvolk, das sich mit gemeinschaftlichem Nationalgefühl schon immer etwas schwertat. Vielleicht geht es uns besser, wenn wir uns da und dort trennen und lieber im Wettstreit miteinander entfalten.
(pi-news.net)