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Sind Karenztage Mini-Bürgergeld?

Krankheit ist nicht nur Privatsache

Von PROF. EBERHARD HAMER

Nicht nur das Bürgergeld ist für 6,5 Millionen Menschen in Deutschland eine „Ersatzversorgung für Nichtarbeit“ mit Geldzahlungen, Mietzahlung, Heizkostenzahlung, Anschaffungszahlungen, Sozialbeitragszahlung, Rentenrecht u.a.

Aber auch für Menschen in Arbeit gibt es inzwischen eine wachsende Möglichkeit, neben den Feiertagen, den Ferien (30 Tage), neben Fortbildungsurlaub oder Krankheits- bzw. Reha-Urlaub sich noch kurzfristige Frei-Tage zu beschaffen: Krankmeldung ohne krank zu sein (Scheinkrank).

Eigentlich ist der Arbeitslohn eine Bezahlung für Leistung in Anwesenheit. Wer fehlt, darf dafür eigentlich keinen Arbeitslohn bekommen. Unser Arbeitsrecht hat aber die Lohnfortzahlung eingeführt, dass ein Arbeitnehmer bei Krankheit oder anderem auch weiterhin seinen vollen Lohn haben soll. Damit ist Krankheit nicht mehr zur Privatsache, sondern zum Problem des Betriebes geworden, denn der Betrieb muss trotz Fehlens des Mitarbeiters den Lohn weiterzahlen (sechs Wochen).

Dieses Schlupfloch wurde seit 20 Jahren von Faulpelzen als zusätzliche Freizeit entdeckt, weil in jeder Stadt genügend Ärzte (Doc Holiday) Krankmeldungen ohne Prüfung und sogar bei Verlangen mehrtägig bescheinigen (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) und damit eigentlich die Arbeitgeber betrügen. Unsere sozialistischen Regierungen haben das „Recht auf Krankmeldung“ inzwischen so ausgedehnt, dass sogar telefonische Krankmeldung genügt, also die Hemmschwelle des morgendlichen Aufstehens aus dem Bett damit vermieden wird.

Kostenloser Zusatzurlaub durch Recht auf Selbstdiagnose
Wer also morgens keine Lust zur Arbeit hat, weil es stürmt, schneit, dunkel ist oder „man sich nicht wohl genug zur Arbeit fühlt“, hat das Recht zur Selbstdiagnose, zur Krankmeldung und damit bis zu drei Tage Sonderferien. Das Mittelstandsinstitut hat in einer empirischen Untersuchung 1991 schon festgestellt, dass 30 Prozent aller Arbeitnehmer von Zeit zu Zeit scheinkrank zu sein behaupten und sich auf diese Weise „einen kostenlosen Zusatzurlaub“ holen.

Die Scheinkrankmeldungen konzentrierten sich zu 36 Prozent auf Montag und zu 26 Prozent auf Freitag, also auf die Verlängerung eines Wochenendes. Die Scheinkranken meldeten sich im Jahr etwa 12 Tage krank, betrogen also ihre Firma jährlich 12 Tage um Lohn für Nichtleistung.

Am meisten krank meldeten sich die Beamten, obwohl sie ja selbst am meisten Ferien und die bequemste Arbeit haben. Danach kommen die Angestellten und Arbeiter in den großen Kapitalgesellschaften, die anonym sind und wo es wohl nicht darauf ankommt, ob jemand da ist oder nicht. Die geringsten Scheinkrankheitsquoten gibt es bei den kleinen mittelständischen Unternehmen, weil die Mitarbeiter sich im Team mitverantwortlich fühlen (wie in einer Sportmannschaft) und wissen, dass es auf jeden ankommt.

Das Institut ermittelte damals jährlich etwa 140 Millionen Scheinkrankheitstage unserer Volkswirtschaft, was bei nur 400 Euro Ausfallkosten pro Tag für die Betriebe einen Schaden von 56 Milliarden Euro ausmacht. Die Krankenstände in unserer Wirtschaft steigen trotz aller Investitionen in das Gesundheitssystem kontinuierlich an auf inzwischen zehn Prozent (2024). Kein Wunder, wenn die Krankenkassen dies nicht mehr bezahlen können und von der Politik Lösungen fordern.

Massenmissbrauch von Krankmeldungen in Deutschland
Nun haben aber die Krankenkassenvertreter behauptet, sie würden um etwa 100 Millionen Euro entlastet, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Ärzten erst am vierten Tag notwendig würde, die ersten drei Tage also ausschließlich die Selbstdiagnose gelten solle. Dies würde die Arztbesuche entlasten, die Kosten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arzt ersparen (22 Euro) und Bürokratie.

Die Mittelstandsforschung sieht dies anders: Wenn die Hemmung, den Arzt zumindest telefonisch konsultieren zu müssen, drei Tage wegfällt, ist missbräuchlicher Selbstdiagnose Tür und Tor geöffnet. Warum sollte ein Arbeitnehmer morgens zur Arbeit gehen, wenn er keine Lust hat und sein gleiches Geld ohne Krankmeldung weiterverdient? Der bisher schon bestehende Massenmissbrauch von Krankmeldung (Scheinkrankheit) wird dann sprunghaft steigen und zu weiterer Abwesenheit unserer Mitarbeiter in den Betrieben führen – also die Nettoarbeitszeit verkürzen mit entsprechenden Kostensteigerungsfolgen für die Betriebe selbst.

Eigentlich müsste ein Betrieb bei einer 40 Stunden-Woche 2080 Stunden des Mitarbeiters haben. Durch Urlaub, Feiertage und echten Krankheitsausfall reduzieren sich die Anwesenheitstage des Mitarbeiters aber auf durchschnittlich 1600 Stunden (zwischen 1592 und 1680 Stunden bei einer 40 Stunden-Woche). Bei einer 35 Stunden-Woche wären dies nur 1393 Stunden. Durchschnittlich 12 Scheinkrankheitstage machen also mit ca. 80 bis 96 Stunden eine wesentliche Abwesenheit und deshalb eine wesentliche Kostensteigerung des Betriebes aus.

Lohnnebenkosten in Deutschland höchste der Welt
Der Vorschlag der Krankenkassenfunktionäre, die Attestpflicht erst auf den vierten Tag einer Krankheit zu verlegen, hebelt die einzige Hemmschwelle (ärztliches Attest) gegen die 80 Prozent kurzfristigen Scheinkrankheitstage der Beschäftigten aus. Schon die ersten drei Tage wäre damit ins Belieben (Selbstdiagnose) der Mitarbeiter gestellt, die zugleich immer unzufriedener in ihren Arbeitsverhältnissen sind.

Praktisch haben die Krankenkassen versucht, ihre mit 100 Millionen angegebene Entlastung für Arztatteste in der Karenzzeit auf die Betriebe abzuwälzen, die dann mit hemmungslosen Krankmeldungen entsprechend an Arbeitszeit verlieren, pro Mitarbeiter pro Tag mehr als 500 Euro Produktions- bzw. Umsatzausfall plus Lohn.

Schon immer hat der Staat und haben die Sozialfunktionäre Gesetze gemacht, in denen sie Wohltaten verteilten, welche die Betriebe bezahlen mussten. So sind die Lohnnebenkosten in Deutschland zu den höchsten der Welt geworden und die Personalkosten zu Fixkosten der Betriebe.

Wen wundert es, wenn deshalb eine Million Unternehmer in den letzten 1,5 Jahren keine Überlebenschance für sich sahen und aufgehört haben und wenn internationale Investoren nicht nur Deutschland meiden, sondern sogar aus Deutschland ihre Betriebe ins kostengünstigere Ausland verlegen?

Lösungen für die Gesundheitskosten
Die Krux des deutschen Gesundheitssystems ist Staatswirtschaft, bürokratische Starre und Unwirtschaftlichkeit. Nur mit Einführung von mehr Marktwirtschaft könnten wir unser Gesundheitssystem auf Dauer überlebensfähig halten. Dazu würde zum Beispiel gehören:
Wie schon einmal versucht, sollte eine Selbstbeteiligung von zehn Euro pro Arztbesuch den bisher kostenlosen Missbrauch auf die Notwendigkeit reduzieren, hat dies bereits damals um 30 Prozent reduziert, was zum allgemeinen Aufschrei der Ärzte und Gesundheitsfunktionäre und zur Korrektur geführt hat.
Auch bei Krankenhausbesuchen sollte eine Eingangsgebühr privat getragen werden (zehn Euro).
Die Anonymität der Abrechnung zwischen Arzt und Kassen sollte durch Bestätigung des Patienten unter der Rechnung aufgehoben werden. Wüssten die Patienten, was sie kosten, würden sie vielleicht vorsichtiger werden.
Auch bei Pillen und Spritzen sollte eine Selbstbeteiligung eingeführt werden (zehn Prozent), vor allem, um dem „Pillenmissbrauch“ entgegenzuwirken.
Jede kostenträchtige medizinische Leistung sollte – vor allem in Krankenhäusern – vom Patienten vorher genehmigt werden müssen, um die medizinische Geldschneiderei zu reduzieren.
Der jeweils erste Tag einer Krankheit sollte auf Kosten des Kranken selbst – also ohne Lohnfortzahlung – bleiben, um die Scheinkrankheit wieder zu reduzieren.

Nur durch solche marktwirtschaftlichen Korrekturen wird ein bisher kostenlos angebotenes und deshalb missbrauchtes Gesundheitssystem wieder leistungsgerechter und finanzierbar. Vorschläge, wie die der Krankenkassenfunktionäre auf Angebotserweiterung zu Lasten der Betriebe sind unproduktiv.
(pi-news.net)

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