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Seit Merkels Abgang befindet sich Deutschland auf einem immer schnelleren Weg der Verarmung

Von Drieu Godefridi

(Englischer Originaltext: Europe's German Problem, Übersetzung: Daniel Heiniger)

Heute vertritt Deutschland die Ideologien der "grünen Energie" und einer CO2-freien Gesellschaft – einer Gesellschaft, die kein CO2 mehr ausstößt. Die Deutschen scheinen es mit der Ideologie ernst zu meinen; sie scheinen alles ernst zu nehmen. Wenn sie sich einmal einer Ideologie verschrieben haben, ist es anscheinend sehr schwer, sie wieder umzustimmen.

So kam Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Macht (2005–2021). Viele vergessen, dass sie nicht aus der extremen grünen Linken stammt, obwohl man das angesichts ihrer Bilanz glauben könnte. Tatsächlich kam sie von der CDU/CSU, Deutschlands "Mitte-rechts"-Partei.

Merkels Bilanz ist eindeutig: 1) die demografische Islamisierung Deutschlands, indem sie die Türen für eine Flut von Migranten öffnete, die der deutschen Kultur fremd sind und offenbar weniger als Null Interesse daran haben, sie anzunehmen; 2) die Unterordnung der deutschen Energieversorgung unter Russland, 3) die Zerstörung des deutschen nuklearen Erbes. Wäre Merkel eine Agentin des russischen Regimes gewesen, das sie ausgebildet hat, hätte sie möglicherweise nicht anders gehandelt.

Seit Merkels Abgang befindet sich Deutschland auf einem immer schnelleren Weg der Verarmung. Laut der Süddeutschen Zeitung prognostiziert das deutsche Wirtschaftsministerium für 2024 nun einen Rückgang des BIP um 0,2 Prozent. Damit revidiert es seine frühere Vorhersage eines Wachstums von 0,3 Prozent. Deutschland steht außerdem vor der industriellen Vernichtung.

BASF beispielsweise, seit 1865 ein Flaggschiff der deutschen Industrie, symbolisiert die Produktionsstärke des Landes. Mit fast 400 Produktionsstandorten in 80 Ländern bleibt sein Herz in Ludwigshafen, Deutschland, wo es einen riesigen Komplex mit 200 Anlagen betreibt und rund 39.000 Menschen beschäftigt. Dieser Knotenpunkt ist jedoch in letzter Zeit zu einem Brennpunkt der Herausforderungen von BASF geworden.

In den letzten zwei Jahren hat das Unternehmen eine seiner beiden Ammoniakanlagen geschlossen und mehrere andere an diesem Standort aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit stillgelegt, was zum Verlust von 2.500 Arbeitsplätzen führte, wie Chemical and Engineering News erklärt. BASF verzeichnete im Jahr 2023 ebenfalls einen deutlichen Rückgang: Der Umsatz sank um 21,1 % und der bereinigte Gewinn brach um 60,1 % ein. Zu diesen Problemen kam hinzu, dass BASF kürzlich Pläne zur Kostensenkung in Ludwigshafen um weitere 1,1 Milliarden Dollar ankündigte, was weitere Entlassungen zur Folge haben wird.

Als Folge dieser Industriekatastrophe sieht sich das deutsche Establishment mit einer demokratischen Revolte wachsender Teile der Bevölkerung konfrontiert. Das haben die jüngsten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gezeigt, bei denen die rechtsgerichtete AfD Zuspruch erhielt. Sie fordert, dass Deutschland sich von den Mythen um die grüne Energie verabschiedet, die seine Industrie zerstören.

Man hätte hoffen können, dass die deutsche Rechte ein paar Lehren aus der Merkel-Katastrophe ziehen würde. Dem ist aber nicht so. Bundesweite Umfragen und die jüngsten Landtagswahlen scheinen sich darin einig zu sein und sagen eine Katastrophe für die Linke voraus, während die Mitte-rechts-Partei CDU/CSU und die rechtsgerichtete AfD auf dem Vormarsch sind.

Während die Logik verlangt, dass die Mitte-Rechts-Parteien und die Rechte, die zusammen eine große Mehrheit haben, regieren – ihre politischen Konvergenzen, sei es in den Bereichen Migration oder Energie, sind zahlreich – hat die Mitte-Rechts-Partei ihre absolute Weigerung deutlich gemacht, mit der AfD, in welcher Form auch immer, zu regieren.

Das zwingt die CDU, darüber nachzudenken, morgen mit ... den Grünen zu regieren, der radikalsten extremen Linken Europas (zusammen mit den belgischen und französischen Umweltschützern) – der Partei, die der CDU in den Themen Migration, Umwelt und Priorisierung der Kernenergie die größte Opposition entgegensetzt. Die Bewegung, die für die Zerstörung der deutschen Energieressourcen verantwortlich und ein direkter Komplize des russischen Regimes ist und unter seiner Schirmherrschaft steht – die Grünen – die mitten im Krieg in der Ukraine nach der Zerstörung der Gaspipeline Nord Stream 2 den Abbau der deutschen Atomkraftwerke unterzeichnet und gefeiert haben; Atomkraftwerke, die noch in Betrieb waren und noch jahrelang billige Energie hätten produzieren können.

Bereitet sich die CDU tatsächlich darauf vor, gemeinsam mit jenen, die die Grenzen abschaffen wollen, die Grenzen zu schließen? Bereitet sie sich darauf vor, nicht integrierbare Migranten zurückzuschicken, obwohl die Grünen gegen Abschiebungen sind? Bereitet sie sich darauf vor, gemeinsam mit denjenigen, die für jene Politik verantwortlich sind, die diese Preisexplosion erst verursacht hat, die Energiepreise zu senken? Bereitet sie sich darauf vor, dem Islamismus mit Hilfe dessen treuestem Verbündeten entgegenzutreten?

Erleichtert wird diese Zusammenarbeit durch eine massive ideologische Konvergenz: Sowohl die CDU als auch die Grünen glauben an die Notwendigkeit der Energiewende. Die Abschaffung fossiler Brennstoffe und der Atomkraft soll durch "erneuerbare Energien" – vor allem Wind- und Solarenergie – ersetzt werden, die unregelmäßig, oft unerschwinglich und von begrenztem praktischen Nutzen sind. Wind- und Solarenergie werden stark von den Wetterbedingungen beeinflusst. Solarmodule produzieren an bewölkten Tagen weniger und Windräder erzeugen in windstillen Zeiten weniger. Diese Variabilität macht es schwierig, eine konsistente Energieproduktion sicherzustellen.

Die Mitte-Rechts-CDU unterstützt die Marktwirtschaft, das atlantische Bündnis und die deutsche Industrie – hält aber auch an der Ideologie der Umweltschützer fest. Diese Ansicht hilft zu erklären, warum die Europäische Volkspartei (EVP), die größte Fraktion im Europäischen Parlament – ​​in der die CDU Mitglied ist – Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission ernannt hat. Unter ihrer Führung bricht die Wirtschaft der Europäischen Union zusammen, die Industrie verschwindet und der Islamismus breitet sich aus. Angeblich spielt das alles keine Rolle, weil die Europäer den Heiligen Gral haben: die "Energiewende" zu einem "CO2-freien" Europa und mehr Vorschriften als alle anderen Zivilisationen zusammengenommen.

Leider ist diese Politik ein absoluter Mythos. Das "CO2-freie Europa", eine physikalische Unmöglichkeit, wird nie Wirklichkeit werden. Selbst wenn es so wäre, würde es an der globalen Explosion der CO2-Emissionen keinen Unterschied machen. Europa ist für lediglich 8 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Selbst wenn Europa aufhören würde zu existieren, würde das für die globalen CO2-Emissionen kaum einen Unterschied machen. Sie würden auf allen fünf Kontinenten weiter steigen. Die Zerstörung der europäischen Industrie durch die deutsche Linke hätte keinerlei Auswirkungen auf das Klima – Null.

Während Umweltschützer heute eine "kohlenstofffreie Gesellschaft" und "100 % erneuerbare Energie" anpreisen, hat sich Deutschland in Mythen verstrickt, die kaum größer sind als der Lebensraum des letzten Jahrhunderts.

Heute wie gestern drohen diese Mythen nicht nur den Ruin Deutschlands, sondern ganz Europas herbeizuführen.

Wäre es nicht konstruktiver, wenn die CDU eine Regierung mit der AfD in Betracht ziehen würde, um Deutschland und Europa aus diesem Trott herauszuholen?

(Drieu Godefridi ist Jurist (Universität Saint-Louis, Universität Louvain), Philosoph (Universität Saint-Louis, Universität Louvain) und hat einen Doktortitel in Rechtstheorie (Paris IV-Sorbonne). Er ist Unternehmer, CEO einer europäischen privaten Bildungsgruppe und Direktor der PAN Medias Group. Er ist der Autor von "The Green Reich" (2020). Quelle: Gatestone Institute)

Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag am 22. September 2011

Es ist mir Ehre und Freude, vor diesem Hohen Haus zu sprechen – vor dem Parlament meines deutschen Vaterlandes, das als demokratisch gewählte Volksvertretung hier zusammenkommt, um zum Wohl der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten. Dem Herrn Bundestagspräsidenten möchte ich für seine Einladung zu dieser Rede ebenso danken wie für die freundlichen Worte der Begrüßung und Wertschätzung, mit denen er mich empfangen hat. In dieser Stunde wende ich mich an Sie, verehrte Damen und Herren – gewiß auch als Landsmann, der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen Heimat mit Anteilnahme verfolgt.
Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt. Sie anerkennen damit die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft zukommt. Von dieser meiner internationalen Verantwortung her möchte ich Ihnen einige Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats vorlegen.

Lassen Sie mich meine Überlegungen über die Grundlagen des Rechts mit einer kleinen Geschichte aus der Heiligen Schrift beginnen. Im ersten Buch der Könige wird erzählt, daß Gott dem jungen König Salomon bei seiner Thronbesteigung eine Bitte freistellte. Was wird sich der junge Herrscher in diesem wichtigen Augenblick erbitten? Erfolg – Reichtum – langes Leben – Vernichtung der Feinde? Nicht um diese Dinge bittet er. Er bittet: "Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9). Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich ankommen muß.

Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muß Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen. Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, der ihm überhaupt die Möglichkeit politischer Gestaltung eröffnet. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt.

Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, daß diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, daß Macht von Recht getrennt wurde, daß Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und daß der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers.

In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren. Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen. Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden? Die salomonische Bitte bleibt die entscheidende Frage, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen.

In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber daß in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muß sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen. Im 3. Jahrhundert hat der große Theologe Origenes den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen so begründet: „Wenn jemand sich bei den Skythen befände, die gottlose Gesetze haben, und gezwungen wäre, bei ihnen zu leben …, dann würde er wohl sehr vernünftig handeln, wenn er im Namen des Gesetzes der Wahrheit, das bei den Skythen ja Gesetzwidrigkeit ist, zusammen mit Gleichgesinnten auch entgegen der bei jenen bestehenden Ordnung Vereinigungen bilden würde …“

Von dieser Überzeugung her haben die Widerstandskämpfer gegen das Naziregime und gegen andere totalitäre Regime gehandelt und so dem Recht und der Menschheit als ganzer einen Dienst erwiesen. Für diese Menschen war es unbestreitbar evident, daß geltendes Recht in Wirklichkeit Unrecht war. Aber bei den Entscheidungen eines demokratischen Politikers ist die Frage, was nun dem Gesetz der Wahrheit entspreche, was wahrhaft recht sei und Gesetz werden könne, nicht ebenso evident.

Was in bezug auf die grundlegenden anthropologischen Fragen das Rechte ist und geltendes Recht werden kann, liegt heute keineswegs einfach zutage. Die Frage, wie man das wahrhaft Rechte erkennen und so der Gerechtigkeit in der Gesetzgebung dienen kann, war nie einfach zu beantworten, und sie ist heute in der Fülle unseres Wissens und unseres Könnens noch sehr viel schwieriger geworden.

Wie erkennt man, was recht ist? In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden: Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt.

Die christlichen Theologen haben sich damit einer philosophischen und juristischen Bewegung angeschlossen, die sich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. gebildet hatte. In der ersten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts kam es zu einer Begegnung zwischen dem von stoischen Philosophen entwickelten sozialen Naturrecht und verantwortlichen Lehrern des römischen Rechts. In dieser Berührung ist die abendländische Rechtskultur geboren worden, die für die Rechtskultur der Menschheit von entscheidender Bedeutung war und ist.

Von dieser vorchristlichen Verbindung von Recht und Philosophie geht der Weg über das christliche Mittelalter in die Rechtsentfaltung der Aufklärungszeit bis hin zur Erklärung der Menschenrechte und bis zu unserem deutschen Grundgesetz, mit dem sich unser Volk 1949 zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekannt hat.

Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität war es entscheidend, daß sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben. Diesen Entscheid hatte schon Paulus im Brief an die Römer vollzogen, wenn er sagt: „Wenn Heiden, die das Gesetz (die Tora Israels) nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie… sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab…“ (Röm 2,14f). Hier erscheinen die beiden Grundbegriffe Natur und Gewissen, wobei Gewissen nichts anderes ist als das hörende Herz Salomons, als die der Sprache des Seins geöffnete Vernunft.

Wenn damit bis in die Zeit der Aufklärung, der Menschenrechtserklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gestaltung unseres Grundgesetzes die Frage nach den Grundlagen der Gesetzgebung geklärt schien, so hat sich im letzten halben Jahrhundert eine dramatische Veränderung der Situation zugetragen. Der Gedanke des Naturrechts gilt heute als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren nicht lohnen würde, so daß man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen. Ich möchte kurz andeuten, wieso diese Situation entstanden ist. Grundlegend ist zunächst die These, daß zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle.

Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein angenommene positivistische Verständnis von Natur und Vernunft. Wenn man die Natur – mit den Worten von H. Kelsen – als „ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen“ ansieht, dann kann aus ihr in der Tat keine irgendwie geartete ethische Weisung hervorgehen. Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen.

Das gleiche gilt aber auch für die Vernunft in einem positivistischen, weithin als allein wissenschaftlich angesehenen Verständnis. Was nicht verifizierbar oder falsifizierbar ist, gehört danach nicht in den Bereich der Vernunft im strengen Sinn. Deshalb müssen Ethos und Religion dem Raum des Subjektiven zugewiesen werden und fallen aus dem Bereich der Vernunft im strengen Sinn des Wortes heraus. Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewußtsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Dies ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über die eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist.

Das positivistische Konzept von Natur und Vernunft, die positivistische Weltsicht als Ganzes ist ein großartiger Teil menschlichen Erkennens und menschlichen Könnens, auf die wir keinesfalls verzichten dürfen. Aber es ist nicht selbst als Ganzes eine dem Menschsein in seiner Weite entsprechende und genügende Kultur. Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden.

Die sich exklusiv gebende positivistische Vernunft, die über das Funktionieren hinaus nichts wahrnehmen kann, gleicht den Betonbauten ohne Fenster, in denen wir uns Klima und Licht selber geben, beides nicht mehr aus der weiten Welt Gottes beziehen wollen. Und dabei können wir uns doch nicht verbergen, daß wir in dieser selbstgemachten Welt im stillen doch aus den Vorräten Gottes schöpfen, die wir zu unseren Produkten umgestalten. Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen und all dies recht zu gebrauchen lernen.

Aber wie geht das? Wie finden wir in die Weite, ins Ganze? Wie kann die Vernunft wieder ihre Größe finden, ohne ins Irrationale abzugleiten? Wie kann die Natur wieder in ihrer wahren Tiefe, in ihrem Anspruch und mit ihrer Weisung erscheinen? Ich erinnere an einen Vorgang in der jüngeren politischen Geschichte, in der Hoffnung, nicht allzusehr mißverstanden zu werden und nicht zu viele einseitige Polemiken hervorzurufen. Ich würde sagen, daß das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet.

Jungen Menschen war bewußt geworden, daß irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Daß Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern daß die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen. Es ist wohl klar, daß ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache – nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen.

Erlauben Sie mir, bitte, daß ich noch einen Augenblick bei diesem Punkt bleibe. Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.

Kehren wir zurück zu den Grundbegriffen Natur und Vernunft, von denen wir ausgegangen waren. Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren – 1965 – den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. Er hatte gesagt, daß Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist. „Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos“, bemerkt er dazu. Wirklich? – möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?

An dieser Stelle müßte uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis.

Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.

Dem jungen König Salomon ist in der Stunde seiner Amtsübernahme eine Bitte freigestellt worden. Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz – die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (bundestag.de)

Deutschland mitten im europäischen Elend

Von WOLFGANG HÜBNER

Die USA verlangen von der Ukraine, auch junge Männer ab 18 Jahren als Kanonenfutter an die bröckelnden Fronten gegen Russland zu schicken. Kiew lehnt das bislang ab, um den ohnehin laufenden demografischen Selbstmord des Staates doch noch zu verhindern und die offene Rebellion der immer unzufriedener werdenden Bevölkerung nicht herauszufordern. Und was macht Europa? Es schweigt betreten dazu, dass die Großmacht jenseits des großen Atlantiks einem europäischen Land zumutet, nun selbst seine Jugend zu opfern, weil sich Bidens aggressive Geo- und Kriegsstrategen in Washington total verkalkuliert haben.

Europa schweigt, denn es hat sich vom hohen Norden bis zum tiefen Süden auf Gedeih und Verderb der außereuropäischen Macht USA ausgeliefert. Kein anderer Kontinent auf der Welt ist in größerer Gefahr, erneut zum Schauplatz eines großen, wohl auch atomar geführten Krieges zu werden. Denn darüber sind sich die USA und Russland stillschweigend einig: Wenn es wegen der Ukraine zum offenen militärischen Konflikt zwischen NATO und Russland kommt, dann wird er in Europa ausgetragen, nicht zuletzt in Deutschland.

Das war schon im Kalten Krieg die Perspektive, deren Realisierung nur mit großem Glück und weiseren Staatsführern als heute vermieden werden konnte. Nun aber sind gerade die großen europäischen Staaten und ihr derzeitiges politisches Personal in einem verheerenden Zustand: In Frankreich eine Notregierung, die kurz vor dem Sturz steht; in Großbritannien ein Premierminister, der um die Gunst von BlackRock bettelt; in Deutschland eine gescheiterte Regierung, der nichts Gutes folgen wird; in Italien eine gekaufte „Rechte“ mit Rekordverschuldung; in Polen neuerliche Großmannssucht mit EU-Subventionen; Spanien meldet immerhin viele Touristen.

Und in Brüssel geht es weiter mit der russenhassenden Kapitalmarionette Ursula von der Leyen. Die größte Absurdität des idiotischen europäischen Kotaus gegenüber amerikanischen Supermachtinteressen ist nun die Angst vor den Folgen von Donald Trumps bald beginnender Präsidentschaft. Was ist, wenn die eilfertige Unterwerfung des alten Kontinents von einem wie auch immer gearteten Deal zwischen Washington und Moskau blamiert wird? Wie soll dann das zerstörte Verhältnis zur traditionell unverzichtbaren europäischen Macht Russland wieder geheilt werden?

Deutschland hätte mit seiner Mittellage und der noch vorhandenen ökonomischen Stärke die beste Position dazu. Doch mit Gestalten wie Merz, Pistorius und Habeck an der Spitze?
(pi-news-net)