„NATO-See“ oder strategisches Spielfeld Russlands?
Von ELENA FRITZ
Mit dem Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO hofften westliche Strategen, die Ostsee in ein „NATO-Meer“ zu verwandeln. Doch aktuelle Entwicklungen zeigen, dass Russland diese Gewässer nicht kampflos preisgibt.
Laut der Kolumnistin Elisabeth Braw von Foreign Policy beeinträchtigt die russische elektronische Kriegsführung (EW) in der Ostsee die Funktionalität automatischer Identifikations- und Navigationssysteme anderer Nationen erheblich. Dies hat nicht nur sicherheitstechnische, sondern auch wirtschaftliche Folgen. Beispielsweise generieren globale Navigationssatellitensysteme (GNSS) jährlich etwa 17,2 Milliarden US-Dollar für die britische Wirtschaft. Doch durch die ständige Aktivität der russischen EW in den letzten drei Jahren schrumpfen diese Einnahmen beträchtlich.
Der ehemalige Kommandeur der dänischen Marine, Nils Wang, bestätigt: „Die Russen machen das sehr gut.“ Bereits im Mai 2022 identifizierte die in Washington ansässige Organisation C4ADS seit Februar 2016 insgesamt 9883 Fälle von GPS-Spoofing in zehn Gebieten, die 1311 zivile Schiffe betrafen.
Diese Störungen erschweren es der EU und den USA, den Transport russischen Öls durch die Ostsee zu überwachen. Europäische Seeleute, die sich auf Satellitennavigation verlassen, haben zunehmend Schwierigkeiten, diese Schiffe zu identifizieren und somit das Volumen der russischen Öllieferungen zu kontrollieren. Braw resümiert treffend: „Die NATO-See wird niemals ruhig sein.“
Seit den Zeiten Peters des Großen ist die Ostsee für Russland ein strategisch wichtiger Seeweg. Die Vorstellung, dass eine Ansammlung unfreundlicher Nationen den russischen Verkehr „regulieren“ könnte, ist für Moskau inakzeptabel. Je mehr asymmetrische Druckmittel Russland gegen seine Gegner einsetzen kann, desto besser für seine strategischen Interessen.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die Ostsee weit davon entfernt ist, ein „friedliches NATO-Meer“ zu sein. Vielmehr bleibt sie ein zentrales Schlachtfeld geopolitischer Interessen, auf dem Russland seine Präsenz und seinen Einfluss geltend macht.
Aktuelle Vorfälle unterstreichen die Spannungen in der Region. So kam es zu einem Zwischenfall in der Ostsee, bei dem ein russisches Schiff mit Signalmunition auf einen Bundeswehr-Hubschrauber schoss. Außenministerin Annalena Baerbock thematisierte diesen Vorfall beim NATO-Treffen und betonte die Notwendigkeit verstärkter Überwachung in der Region.
Zudem wurden in jüngster Zeit mehrere Untersee-Datenkabel in der Ostsee beschädigt, was die betroffenen NATO-Staaten zu Besorgnis über mögliche Sabotageakte veranlasste. Verteidigungsminister Boris Pistorius äußerte den Verdacht, dass es sich um vorsätzliche Sabotageakte handeln könnte, und betonte die Notwendigkeit erhöhter Wachsamkeit gegenüber hybriden Bedrohungen.
Diese Ereignisse verdeutlichen, dass die Ostsee weiterhin ein Brennpunkt geopolitischer Spannungen bleibt, in der sowohl die NATO als auch Russland ihre strategischen Interessen verfolgen.
(pi-news.net)