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From the river to the sea?

Wer für sein Anliegen wirbt, muss Spielregeln der offenen Gesellschaft respektieren

Von David Cohnen

Die Entstehung des Staates Israel markiert einen der zentralen Wendepunkte des 20. Jahrhunderts. Am 14. Mai 1948 rief David Ben-Gurion den jüdischen Staat aus - heute, am 3. September 2025, besteht Israel seit 77 Jahren, 3 Monaten und 20 Tagen. Vorausgegangen war die britische Mandatszeit im Gebiet "Palästina", das zuvor Teil des Osmanischen Reiches gewesen war. Dort existierte kein palästinensischer Nationalstaat, sondern ein Mosaik aus Bevölkerungsgruppen: überwiegend arabische Muslime, daneben christliche Araber und eine wachsende jüdische Gemeinschaft - in Jerusalem, Jaffa, Haifa und neu gegründeten Siedlungen. Jerusalem war seit Jahrhunderten religiös wie kulturell gemischt, mit Juden, Christen und Muslimen, die in Spannung, aber auch in jahrhundertealten Verflechtungen lebten.

Die UN-Resolution 181 von 1947 sah eine Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Während die jüdische Führung zustimmte, lehnten die arabischen Führungen ab. Auf die Unabhängigkeitserklärung folgte sofort der Krieg von 1948/49, als Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon und Irak Israel angriffen. In den Jahrzehnten danach kam es zu weiteren Kriegen - Suez 1956, Sechstagekrieg 1967, Jom-Kippur 1973. Erst die Friedensschlüsse mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) brachten eine gewisse Stabilität, während andere Konfliktlinien bestehen blieben.

Ein Teil der palästinensischen Bewegung radikalisierte sich in Organisationen wie der Hamas oder dem Palästinensischen Islamischen Dschihad, deren Ziel nicht ein Kompromiss, sondern die Beseitigung Israels ist. Ihr Slogan "From the river to the sea" - vom Jordan bis zum Mittelmeer - bedeutet in diesem Kontext nicht Koexistenz, sondern die Auslöschung des jüdischen Staates. Seit Jahrzehnten greifen diese Gruppen Israel mit Raketen, Anschlägen und Geiselnahmen an. Der 7. Oktober 2023 markierte den grausamsten Einschnitt: Die Hamas ermordete über tausend Zivilisten in Israel und verschleppte Hunderte Geiseln nach Gaza. Man muss kein Anhänger von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein, um zu verstehen, dass ein demokratischer Staat auf ein solches Massaker mit Härte reagiert. Über das Maß der Reaktion kann man streiten - nicht aber über das Recht und die Pflicht Israels, seine Bürger zu schützen.

Diese historische und moralische Ausgangslage ist entscheidend, wenn man Proteste bewertet, die sich gegen Israel oder gar seine Existenz richten - und dafür Sportereignisse als Bühne missbrauchen. Sport ist eigentlich ein Schutzraum: Er soll fairen Wettbewerb ermöglichen, Freude stiften und Menschen verbinden. Zuschauer kommen, um Sport zu sehen; Athleten haben hart trainiert, um bei diesem Ereignis ihr Bestes zu geben. Wer diesen Raum gezielt stört, überschreitet eine Grenze - und nimmt Unbeteiligte in Mithaftung, die keine Entscheidungsträger im Nahostkonflikt sind.

Genau das geschah am 3. September 2025 in Bilbao. Bei der 11. Etappe der Vuelta a España drängten pro-palästinensische Aktivisten in den Zielbereich, blockierten Abschnitte und zwangen die Organisatoren dazu, die Zeitnahme drei Kilometer vorzuverlegen um die Sportler zu schützen. Das Rennen endete ohne regulären Sieger. Fahrer forderten mehr Sicherheit, die Polizei musste massiv eingreifen. Medien wie Reuters und AP berichteten von chaotischen Szenen, die nicht nur den sportlichen Wettbewerb zerstörten, sondern auch die Sicherheit von Fahrern und Zuschauern gefährdeten. Das Anliegen der Aktivisten erhielt Aufmerksamkeit - aber nicht durch Argumente, sondern durch Einschüchterung und Gefährdung. Das ist keine demokratische Debatte, sondern Erpressung des öffentlichen Raums.

Natürlich gehört Protest zum Kern freier Gesellschaften - auch in Spanien. Aber dieses Recht endet dort, wo die Rechte und die Sicherheit anderer verletzt werden. Wer eine Radstrecke stürmt, Hindernisse platziert und das schnelle, enge Fahren des Pelotons stört, riskiert Massenstürze, Panik und Verletzte. Solche Aktionen sind nicht zivil, sondern verantwortungslos - und politisch kontraproduktiv: Statt Mitgefühl für Palästinenser zu wecken, erzeugen sie Abwehr und Ablehnung.

Zudem ist es eine verzerrte Argumentation, westliche Demokratien zum Hauptgegner zu erklären, während die eigene Führung - etwa in Gaza - Geiseln nicht freilässt, zivile Räume missbraucht und Kompromisse verweigert. Wer Frieden will, muss zeigen, dass er Israels Existenz akzeptiert. Wer das nicht tut, bleibt Gefangener einer Ideologie, die Protest in Gewalt umschlagen lässt und so den Frieden selbst sabotiert.

Für Spanien, seine Sportler und die Fans bedeutet das: Sie sind nicht verpflichtet, sich die Vereinnahmung ihres Sports durch Gruppen gefallen zu lassen, die Einschüchterung über Argumente stellen. Ja zum Grundrecht auf friedliche Kundgebung - nein zu Methoden, die Athleten gefährden, Rennen sabotieren und die Öffentlichkeit erpressen. Staat und Veranstalter haben die Pflicht, klare Grenzen zu ziehen und konsequent für Sicherheit zu sorgen.

Am Ende sollte gelten: Wer für sein Anliegen wirbt, respektiert die Spielregeln der offenen Gesellschaft. Wer die Regeln bricht, darf nicht mit Bonusaufmerksamkeit rechnen, sondern muss Konsequenzen tragen. Weder Spanien noch Deutschland, noch irgendein anderer Staat auf der Welt muss sich solche Demonstrationen gefallen lassen, die in Ton und Methode an Terror erinnern. Sportler und Fans haben ein Recht auf Schutz - und gerade weil der Sport verbindet, verdient er Schutz vor jenen, die ihn missbrauchen und zerstören wollen.

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