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Kuba libre?

Ein Spielball der Systeme

Von David Cohnen

Mit Interesse habe ich den Artikel "Vom sonnigen Kuba lernen: Deutschland verarmt" gelesen https://ansage.org/vom-sonnigen-kuba-lernen-deutschland-verarmt/ . Die Argumentation, dass der Sozialismus allein für die wirtschaftlichen Probleme Kubas verantwortlich sei, halte ich jedoch für verkürzt. Daher möchte ich eine alternative Betrachtung der historischen Zusammenhänge vorschlagen.

Kubas Misere: Sozialismus, Embargo und die Macht der Großmächte
Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist verurteilt, sie zu wiederholen. - George Santayana
Die Lage Kubas wird oft eindimensional betrachtet: Die einen sehen in Fidel Castros Sozialismus die Hauptursache für das wirtschaftliche Desaster, die anderen verweisen auf das von den USA verhängte Embargo als entscheidenden Faktor. Doch die Wahrheit ist komplexer. Kubas Geschichte ist geprägt von Fremdbestimmung, interner Misswirtschaft und dem Einfluss globaler Machtkämpfe. Um das heutige Dilemma zu verstehen, muss man sowohl die Zeit vor der Revolution als auch die geopolitischen Spannungen der 1960er Jahre betrachten.

Die Batista-Diktatur: Ein Land im Griff der Mafia und der USA
Vor der kubanischen Revolution 1959 war das Land eng mit den Vereinigten Staaten verflochten - politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Die Regierung von Fulgencio Batista (1952-1959) war nicht nur eine autoritäre Diktatur, sondern auch eine Marionette Washingtons. Korruption, soziale Ungleichheit und Unterdrückung waren an der Tagesordnung.

Besonders Havanna war ein Paradies für amerikanische Investoren, die dort große Teile der Zuckerindustrie, Banken und Infrastruktur kontrollierten. Gleichzeitig wurde die Stadt zur Vergnügungsmetropole der US-Mafia. Luxushotels, Kasinos und Bordelle florierten, während die Landbevölkerung in bitterer Armut lebte. Die Ungleichheit und die Ausbeutung durch ausländische Akteure schufen den Nährboden für den Widerstand.

Die kubanische Revolution: Ein Ende der Fremdherrschaft, aber zu welchem Preis?
Fidel Castro und seine Guerillabewegung stürzten Batista am 1. Januar 1959. Was als Befreiungsschlag begann, entwickelte sich jedoch bald zu einem sozialistischen Staatsaufbau, der sich zunehmend an der Sowjetunion orientierte. Castros Regierung enteignete Großgrundbesitzer und amerikanische Unternehmen. Die Umverteilung von Land und Ressourcen war zwar sozial gerecht gedacht, führte aber dazu, dass sich Washington umgehend gegen das neue Regime stellte.

Das von den USA verhängte Wirtschaftsembargo 1960 - verschärft 1962 - war eine direkte Reaktion auf diese Enteignungen. Kuba verlor von einem Tag auf den anderen seinen wichtigsten Handelspartner, was gravierende wirtschaftliche Folgen hatte. Importabhängige Industrien brachen zusammen, die Versorgungslage verschlechterte sich rapide. Das Land geriet in eine wirtschaftliche Isolation, aus der es sich nur durch die Hilfe der Sowjetunion retten konnte.

Die Kuba-Krise: Ein Spielball im Kalten Krieg
Die Blockade Kubas durch die USA war nicht nur eine wirtschaftliche Maßnahme, sondern auch Teil eines größeren geopolitischen Konflikts. Im Kalten Krieg war die Insel für die Sowjetunion ein strategischer Vorposten in unmittelbarer Nähe der USA. 1962 eskalierte diese Rivalität in der sogenannten Kuba-Krise:
Die UdSSR stationierte Atomraketen auf Kuba - eine Antwort auf die vorherige Stationierung von US-Raketen in der Türkei. Als US-Präsident John F. Kennedy ein Ultimatum stellte, dass die Raketen entfernt werden müssten, stand die Welt am Rande eines Atomkriegs. Erst nach intensiven Verhandlungen wurde eine Lösung gefunden: Die Sowjetunion zog ihre Raketen ab, während die USA im Gegenzug ihre Raketen aus der Türkei entfernten und zusicherten, Kuba nicht militärisch anzugreifen.

Wirtschaftliche Fehlentscheidungen und das sozialistische System
Zwar überlebte Kuba diese Krise, doch die wirtschaftliche Lage blieb prekär. In den folgenden Jahrzehnten setzte Castro auf eine strikte Planwirtschaft, die wenig Raum für Eigeninitiative oder Innovation ließ. Staatliche Kontrolle über nahezu alle Sektoren führte zu einer ineffizienten Bürokratie und einem chronischen Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs.

Als 1991 die Sowjetunion zerfiel, brach Kubas Wirtschaft erneut zusammen, da die massiven Subventionen aus Moskau wegfielen. Lebensmittelknappheit, Stromausfälle und eine marode Infrastruktur wurden zur Normalität. Ohne ausländische Hilfe und ohne marktwirtschaftliche Reformen konnte sich Kuba nicht erholen.

Fazit: Eine Verkettung aus Embargo und Systemfehlern
Kuba ist ein Beispiel dafür, wie ein Land zwischen Großmächte geraten und wirtschaftlich stranguliert werden kann. Das Embargo der USA war eine wirtschaftliche Kriegsführung, die Kuba in die Isolation zwang. Gleichzeitig hat Castros Sozialismus mit seinen dogmatischen Strukturen und ineffizienten Wirtschaftsmechanismen die Krise weiter verschärft.

Wäre Kuba ohne das Embargo wirtschaftlich erfolgreicher? Wahrscheinlich ja. Hätte der Sozialismus ohne die externen Sanktionen besser funktioniert? Wahrscheinlich nicht. Die Wahrheit liegt in der Mitte: Die Kombination aus wirtschaftlicher Blockade und einer ineffizienten Planwirtschaft hat das Land in die heutige Misere geführt.

Wer also Kubas Situation verstehen will, sollte nicht nur auf den Sozialismus oder nur auf das Embargo blicken - sondern auf beides.*

"Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen."

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