Wir müssen uns gegen die Kriegsspielchen unserer Politiker wehren
Von Vera Lengsfeld
Günter Kuhnert schrieb über einige Davongekommene:
“Als der Mensch unter den Trümmern seines bombardierten Hauses hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und sagte: Nie wieder. Jedenfalls nicht gleich.”
Nicht gleich scheint jetzt zu sein, jedenfalls wenn man unsere Politiker hört. Seit Monaten werden wir mit Kriegspropaganda überschüttet.
Bekanntlich ist das erste Kriegsopfer die Wahrheit. Also ist Putin, dem etliche Politiker 2001 nach seiner Rede im Bundestag noch mit standing ovations gefeiert haben und die alle, auch mich, die davor gewarnt haben, einem ehemaligen KGBler zu trauen, eine ewige Nörglerin nannten, heute der Gottseibeiuns, mit dem auf keinen Fall geredet werden darf. Dagegen ist die Ukraine, die damals neben Albanien das korrupteste Land Europas war, 2014 von keinem Geringeren als Georg Restle noch angeklagt worden, in der Ostukraine einen Krieg zu führen. Damals hat dieser Krieg Europa nicht interessiert. Heute ist die Ukraine, deren Milliardäre sich seit den westlichen Unterstützungsgeldern rapide vermehrt haben, die Verteidigerin europäischer Werte.
Selenskyi, der als Präsident angetreten ist, um die Korruption zu bekämpfen, musste vor wenigen Wochen durch Massendemonstrationen im Land und internationalen Protest daran gehindert werden, seine Anti-Korruptionsbehörde aufzulösen.
Deutschland, dessen Haushaltslöcher inzwischen groß wie Scheunentore sind, dessen Infrastruktur vor allen Augen rapide bröckelt und in dem die Deindustrialisierung Fahrt aufnimmt, will laut Vize-Kanzler Klingbeil die Ukraine mit jährlich 9 Milliarden Euro unterstützen. Da sind die Kosten für die Millionen Ukrainer, die sich bei uns aufhalten nicht eingerechnet.
Man muss kein Experte sein, um sich ausrechnen zu können, wie lange es dauert, bis die angeblichen Noch-Rekord-Einnahmen nicht mehr reichen. Um von dem heimischen Desaster abzulenken, wird seit Monaten, verstärkt seit der Kanzlerschaft von Merz, eine Drohkulisse eines Überfalls Putins aufgebaut. Deshalb müsse Deutschland dringend „verteidigungsfähig“ gemacht werden. Nicht immer wird verschämt von „Verteidigungsfähigkeit“ geredet, deutlicher schon von Verteidigungsminister Pistorius von „Kriegstüchtigkeit“. Hieß es vor ein paar Wochen noch, Putin würde die EU in drei bis fünf Jahren angreifen (Warum sollte er warten, bis die EU aufgerüstet hat, statt den Vorteil zu nutzen, dass Deutschland noch nicht „kriegstüchtig“ ist?), hat uns Kanzler Merz vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass wir uns bereits nicht mehr im Frieden befinden, wörtlich: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden“.
Dieser Zustand sei leider die Realität. In den vergangenen Tagen gab es vermehrt Meldungen über russische Drohnen in Polen und russische Kampfflugzeuge für 12 Minuten im Luftraum an der estnischen Grenze. Über der Ostsee soll ein russischer Aufklärungsflieger eine deutsche Fregatte ausgespäht haben. Von etlichen dieser Vorfälle wurde hinterher leise eingeräumt, dass es sich um Drohnen aus der Ukraine gehandelt habe und es am Ende nicht ganz sicher war, wie weit die Grenze Estlands in der Luft überschritten wurde.
Was aber bleibt, ist die Debatte, die sofort von CDU-Politikern eröffnet wurde mit der Forderung, russische Kampfjets abzuschießen. Zum Glück gibt es die SPD, die das ablehnt, aber auch ein paar besonnene CDU-Politiker, die darauf hinweisen, dass es vor einem Abschuss mehrere Instrumente gibt, den Eindringling wieder aus dem NATO-Luftraum zu drängen und ein sofortiger Abschuss unverantwortlich wäre.
In der CDU scheint jedoch die Kriegslust besonders hoch zu sein. So hat Manfred Weber (CDU-Europapolitiker) in einer Talkshow ernsthaft vorgeschlagen, als „Signal“ an Putin doch mal die Moskauer U-Bahn per Cyber-Angriff lahmzulegen. So infantil dieser Vorschlag ist, er ist dennoch brandgefährlich, denn Weber ruft zur Zerstörung zu kritischer Infrastruktur auf. Das zeugt von geradezu unverantwortlicher Niveaulosigkeit deutscher Spitzenpolitik. Immerhin müsste Putin darauf nicht reagieren, denn niemand ist so effektiv dabei, Deutschlands kritische Infrastruktur zu ruinieren, wie die deutsche Politik.
Während die Deindustrialisierung immer schneller voranschreitet, soll der Bevölkerung weis gemacht werden, dass die Rüstungsproduktion einen Ausweg bietet, Kürzlich wurde den Nordthüringern die frohe Botschaft verkündet, dass ein Rüstungskonzern sich ernsthaft für das Gewerbegebiet „Goldene Aue“ bei Nordhausen interessiert. Das ist nur wenige Kilometer vom berüchtigten Lager „Mittelbau-Dora“ entfernt, wo die Nazis ihre Wunderwaffe V2 unter unsäglich Bedingungen in Stollen unter dem Kohnstein produzieren ließen.
Die Nähe zu Nordhausen, war ein Grund, die vom Völkerbund als Weltkulturerbe gelistete Fachwerkbarockstadt in Schutt und Asche zu legen. Nordhausen wurde noch stärker als Dresden zerstört. Es ist aus den Ruinen auferstanden, aber der kleine Rest, der gerettet werden konnte wäre wieder akut gefährdet durch die Nähe eines neuen Rüstungs-Schwerpunkt-Gebiets. Das große Karthago war nach dem dritten Krieg nicht mehr auffindbar, mahnte Brecht. Wir müssen uns gegen die Kriegsspielchen unserer Politiker wehren, wenn wir nicht Kanonenfutter werden wollen.
(veray-lengsfeld.de)