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Betriebskampfgruppen 2.0?

Merz ruft Wirtschaft an die Front

Von MEINRAD MÜLLER

Vor den Spitzen des Bundesverbands der Deutschen Industrie stellte Bundeskanzler Friedrich Merz am Dienstag eine Forderung, die in den Vorstandsetagen wie ein Alarmgong nachhallt: „Geben Sie Ihren Angestellten zwei bis drei Wochen im Jahr frei – für den Dienst mit der Waffe.“ Die Reserve der Bundeswehr soll wachsen, doch das fehlende Personal wird kurzerhand aus den Betrieben geholt.

Damit lebt ein Begriff aus DDR-Zeiten wieder auf: Sollen etwa Betriebskampfgruppen, Autowerkstätten, Supermärkte, selbst Schulen künftig Mini-Einheiten stellen? Die notfalls schneller an den Seelower Höhen sind als jeder Gegner zum Picknick.

Erhebliche wirtschaftliche Nebenwirkungen
Die wirtschaftlichen Nebenwirkungen sind erheblich. Fällt ein Projektleiter mitten im Bauvorhaben aus, können Liefertermine platzen, Vertragsstrafen greifen, Umsätze in sechsstelliger Höhe verdampfen. Der Bund ersetzt zwar den Verdienstausfall für Mitarbeiter, nicht aber den Umsatzausfall für Betriebe. Personalplanung, Vertretung, Einarbeitung nach der Rückkehr, all das frisst Zeit und Geld, die in kleinen Teams schlicht nicht vorhanden sind.

Hinzu kommt die strategische Unschärfe. Hat Russland tatsächlich Interesse, ein demografisch gealtertes Land mit maroder Infrastruktur anzugreifen? Oder dient Merz‘ martialische Rhetorik vor allem dazu, innenpolitischen Schulterschluss zu erzwingen, den der Bundeshaushalt allein nicht mehr finanzieren kann?

Etikett mangelnder Vaterlandsliebe
Wer sie aber in die Wirtschaft auslagert, muss wenigstens erklären, wie entgangene Umsätze, Vertragsstrafen und organisatorische Reibungsverluste kompensiert werden. Andernfalls steht die Industrie vor einer Wahl, die keine ist.

Merz fordert Patriotismus auf eigene Kosten der Betriebe. Wer dagegen ist, erhält das Etikett mangelnder Vaterlandsliebe.
(pi-news.net)

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