Politische Parteien haben eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft
Von David Cohnen
In meinen Augen stellt sich zunehmend die Frage, worauf sich politische Parteien tatsächlich konzentrieren sollten: Ist es ihre vorrangige Aufgabe, ihre eigene Popularität zu maximieren und möglichst viele Wählerstimmen zu gewinnen, oder sollten sie sich in erster Linie dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen?
Aus meiner Sicht ist die Antwort eindeutig: Das Wohl des Volkes muss stets an erster Stelle stehen. Politische Parteien haben eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft, die über parteipolitische Rivalitäten und strategische Überlegungen hinausgeht. Diese Verantwortung verpflichtet sie dazu, Lösungen zu finden, die den Interessen des Volkes entsprechen, und das Gemeinwohl über parteipolitische Differenzen zu stellen. Es ist ihre Pflicht, gemeinsam zu handeln – selbst dann, wenn dies bedeutet, mit Parteien zusammenzuarbeiten, zu denen sie sonst in einer „innigen Feindschaft“ stehen.
Wir beobachten jedoch zunehmend eine Tendenz, bei der Parteien, selbst wenn sie in wesentlichen Punkten übereinstimmen, über marginale Differenzen streiten. Anstatt sich auf das größere Ziel zu konzentrieren – nämlich das Wohl der Bürgerinnen und Bürger – lassen sie sich von Details ablenken, die oft nur eine untergeordnete Rolle spielen. Diese „Fokussierung auf die dritte Stelle hinterm Komma“ führt dazu, dass Chancen auf sinnvolle Zusammenarbeit vertan werden. Gerade Parteien, die in wichtigen Fragen ähnliche Ziele verfolgen, müssen die Verantwortung übernehmen, Differenzen zurückzustellen, wenn das übergeordnete Ziel – das Wohl des Volkes – dies erfordert.
Ein zentraler Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass die Entscheidung letztlich vom Souverän getroffen wird – dem Volk. Politische Parteien dürfen nicht den Fehler machen, ihre Entscheidungen an den Bedürfnissen und Wünschen des Volkes vorbeizutreffen. Sie existieren nicht zur Förderung ihrer eigenen Machtposition, sondern einzig im Dienste der Bevölkerung. Parteien, die die Interessen des Volkes aus dem Blick verlieren, verlieren damit auch ihre Existenzberechtigung.
Wenn eine Partei, die sich in einer Regierungskoalition befindet, feststellt, dass sie in wesentlichen politischen Positionen nicht mehr mit den anderen Koalitionspartnern übereinstimmt, diese Partner aber längst die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung verloren haben, dann ist diese Partei dazu verpflichtet, aus der Regierung auszutreten. Sie muss bereit sein, Neuwahlen zu forcieren, selbst wenn dies für sie nachteilig sein könnte, um den Willen der Bevölkerung zu respektieren. Eine Partei darf nicht aus reiner Loyalität zu einer Koalition verharren, wenn dies dem Gemeinwohl zuwiderläuft.
Natürlich soll parteipolitische Konkurrenz nicht ignoriert werden – schließlich leben wir in einer pluralistischen Demokratie, in der der Wettbewerb zwischen Parteien ein zentraler Bestandteil ist. Doch der Wettbewerb darf nicht zum Selbstzweck werden. Die Daseinsberechtigung der Parteien liegt in ihrer Fähigkeit, das Wohl der Allgemeinheit zu fördern und die Herausforderungen unserer Zeit mit Weitsicht zu meistern. Wenn also zwei oder mehr Parteien in den zentralen Zielen übereinstimmen, haben sie die Pflicht, diese Übereinstimmungen zu nutzen und gemeinsam zu handeln.
Es kann nicht angehen, dass parteipolitische Taktiken verhindern, dass wesentliche Ziele erreicht werden. Politische Verantwortung bedeutet, Differenzen, die nur eine untergeordnete Rolle spielen, zurückzustellen, wenn das übergeordnete Ziel dadurch besser erreicht werden kann. Parteien, die Zusammenarbeit aus Prinzip oder Rivalitäten verweigern, handeln verantwortungslos und stellen strategische Überlegungen über das Wohl der Bürger.
Abschließend möchte ich betonen, dass diese Grundsätze für alle Parteien gelten sollten, unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung oder ihrer jeweiligen Position im politischen Spektrum. Die zentrale Aufgabe der Politik ist es, Lösungen zu finden und im Interesse der gesamten Bevölkerung zu handeln. Denn letztlich entscheidet der Souverän, das Volk, welche Politik umgesetzt wird. Eine Regierung oder Partei, die diesen Willen ignoriert, verfehlt ihre Aufgabe.