Mängel und Risiken der Energiepolitik
Von David Cohnen
Im Zuge meiner Auseinandersetzung mit der aktuellen Energiepolitik und den Herausforderungen der Energiewende in Deutschland, habe ich mich mit den technischen Möglichkeiten und Grenzen der angestrebten klimaneutralen Energieversorgung bis 2045 beschäftigt.
Herausforderungen der Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung bis 2045: Eine Analyse der gegenwärtigen technologischen Möglichkeiten und Grenzen.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist die Umstellung des Energiesystems, das derzeit noch stark von fossilen Brennstoffen abhängig ist, auf erneuerbare, besser: neue Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik. Dieses Vorhaben ist nicht nur ambitioniert, sondern stellt auch eine der größten Herausforderungen dar, die das Land in den kommenden Jahrzehnten bewältigen muss. Diese Abhandlung untersucht die technischen Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, um diese Herausforderung zu meistern, und diskutiert die Grenzen und Schwierigkeiten, die damit verbunden sind.
Aktueller Stand der Energieversorgung
Derzeit werden etwa 50 % der elektrischen Energie in Deutschland nicht durch fossile Brennstoffe erzeugt. Allerdings macht Elektrizität nur etwa 20 % des gesamten Energieverbrauchs aus. Dies bedeutet, dass der Anteil der nicht-fossilen Energie an der gesamten Energieversorgung nur etwa 10 % beträgt. Berücksichtigt man zusätzlich die nicht-fossile Energie aus Wasserkraft und Biomasse, verbleiben etwa 7,5 % der Gesamtenergie, die aus erneuerbaren Quellen stammt. Diese Diskrepanz verdeutlicht die enorme Herausforderung, die vor uns liegt: Um bis 2045 vollständig klimaneutral zu werden, muss die Energieproduktion, die derzeit zu einem großen Teil auf fossilen Brennstoffen basiert, vollständig auf erneuerbare Quellen umgestellt werden.
Die Herausforderung der Versorgungssicherheit
Ein zentrales Problem bei der Umstellung auf alternative Energiequellen ist die Versorgungssicherheit. Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern sind Wind- und Solarenergie stark wetterabhängig. Zeiten ohne Wind und Sonnenschein, sogenannte Flauten, stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Stabilität des Energiesystems dar. Bei einer vollständigen Umstellung auf diese Energiequellen müsste die heutige Kraftwerkskapazität um das Fünffache erhöht werden, um den Bedarf zu decken und gleichzeitig sicherzustellen, dass Ersatzkapazitäten für Flauten zur Verfügung stehen. Zudem müsste die Kapazität für Windkraft und Solarenergie von derzeit 7,5 % auf 100 % gesteigert werden, was einer Verdreizehnfachung der bestehenden Kapazitäten entspricht. Je schneller der Stromverbrauch steigt, desto schneller muss auch die Ersatzkapazität zur Überbrückung von Flauten bereitgestellt werden.
Technologische Lösungen und ihre Grenzen
Die theoretisch verfügbaren Technologien, die zur Überbrückung von Engpässen und zur Sicherstellung einer konstanten Energieversorgung beitragen könnten, sind vielfältig. Allerdings haben sie alle ihre Grenzen, insbesondere in Bezug auf ihre sofortige Verfügbarkeit und Skalierbarkeit.
Batteriespeicher-Systeme: Lithium-Ionen-Batterien und ähnliche Systeme sind heute verfügbar und können in begrenztem Umfang dazu beitragen, kurzfristige Engpässe zu überbrücken. Diese Systeme sind jedoch teuer und bieten nur für kurze Zeiträume eine Lösung. Ihre Kapazitäten reichen nicht aus, um eine mehrtägige Flaute zu überbrücken oder den gesamten Energiebedarf einer Volkswirtschaft zu decken.
Pumpspeicherkraftwerke: Diese seit langem etablierten Technologien sind in der Lage, große Energiemengen zu speichern. Allerdings sind sie geografisch und topografisch eingeschränkt und können nicht in beliebiger Menge ausgebaut werden. Der Bau neuer Anlagen ist zudem zeit- und kostenintensiv.
Demand Response: Diese Methode, bei der der Energieverbrauch flexibel an die Produktionskapazitäten angepasst wird, ist in der Industrie bereits weit verbreitet. Sie hilft, Lastspitzen zu glätten, ersetzt jedoch keine grundlastfähige Energiequelle.
Flexible Kraftwerkskapazitäten: Moderne Gas- und Biomassekraftwerke können schnell hochgefahren werden, um Lücken in der Energieversorgung zu schließen. Allerdings basieren viele dieser Anlagen noch auf fossilen Brennstoffen oder Biomasse, was dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht.
Geothermie: Geothermische Energie bietet eine wetterunabhängige, kontinuierliche Energiequelle. Diese Technologie ist jedoch geografisch begrenzt und derzeit noch teuer in der Installation und dem Betrieb.
Wind- und Solarparks: Der Ausbau von Wind- und Solarkapazitäten ist eine der Hauptstrategien der Energiewende. Diese Technologien sind jedoch stark wetterabhängig und benötigen daher umfangreiche Backup-Lösungen oder Speicher, um eine konstante Energieversorgung zu gewährleisten.
Energiehandel und Netz-Interkonnektivität: Durch den internationalen Energiehandel und die Vernetzung von Stromnetzen können Überschüsse exportiert und Defizite durch Importe ausgeglichen werden. Diese Strategie erfordert jedoch erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und kann nicht als alleinige Lösung betrachtet werden.
Die Realitäten des Übergangs
Die obengenannten Technologien bieten theoretisch Ansätze, um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen. Doch in der Praxis sind sie nicht ausreichend, um die benötigte fünffachen Kraftwerkskapazität sofort und ad hoc zur Verfügung zu stellen. Die meisten dieser Technologien sind nicht darauf ausgelegt, die gesamte Energienachfrage eines Industrielandes wie Deutschland allein zu decken, insbesondere nicht in Zeiten von Flauten, wenn sowohl Wind- als auch Solarenergie ausfallen.
Zusätzlich verschärfen aktuelle Entwicklungen die Lage weiter: Die vorhandenen Atomkraftwerke, die bei der Herstellung von Wasserstoff und eFuel sehr hilfreich hätten sein können, wurden bereits stillgelegt. Zudem wurden die Kühltürme gesprengt, um ein kurzfristiges Wiederhochfahren der Anlagen zu verhindern. Diese Maßnahme reduziert die Möglichkeiten, auf eine potenzielle Übergangslösung zurückzugreifen, erheblich.
Grüner Wasserstoff steht momentan praktisch überhaupt nicht zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der bisher bekannten Herstellungsmethoden wird er vermutlich auch nie in nennenswertem Umfang verfügbar sein, da die erforderliche Menge und die Produktionskosten dies schlichtweg unmöglich machen. Dasselbe gilt für eFuel: Hier sind die Anforderungen an Herstellung und Kosten noch höher. Diese technologischen Barrieren unterstreichen die Schwierigkeiten, alternative Energieträger in großem Maßstab einzusetzen.
Ein weiteres zentrales Problem der aktuellen Strategie der Bundesregierung ist das Fehlen eines klaren und umfassenden Plans, der festlegt, wie die Versorgungssicherheit in Zeiten ohne Wind und Sonne gewährleistet werden soll. Statt einer strategischen Vorbereitung scheint die derzeitige Politik einem riskanten Vorhaben zu gleichen: Die Regierung hat Maßnahmen eingeleitet, die vergleichbar sind mit einem Sprung aus einem Flugzeug ohne fertigen Fallschirm, in der Hoffnung, diesen während des Falls noch rechtzeitig zu nähen. Diese Analogie verdeutlicht die Gefahren einer vorschnellen Energiewende ohne ausreichende Vorkehrungen und Notfallpläne.
Bevor man eine so weitreichende Transformation wie die Energiewende in Angriff nimmt, hätte ein fundierter Plan entwickelt werden müssen. Dieser Plan müsste detaillierte Strategien beinhalten, wie alternative Energien während Flautenzeiten bereitgestellt werden, wie Ersatzkapazitäten durch Kraftwerke gesichert werden und wie der notwendige Ausbau der Stromnetze realisiert werden kann. Diese grundlegenden Aspekte sind bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden, was die Umsetzbarkeit und den Erfolg der Energiewende gefährdet.
Indem ich auf diese Defizite hinweise, möchte ich nicht eine Lösung für die Versäumnisse der Regierung vorschlagen, sondern die Mängel und Risiken der aktuellen Politik offenlegen. Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen die Realität anerkennen und entsprechend handeln, anstatt sich auf eine unrealistische Hoffnung zu verlassen, dass sich die Probleme im Laufe der Zeit von selbst lösen werden.
Fazit
Die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung bis 2045 ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Obwohl es Technologien gibt, die theoretisch einige Teilaspekte lösen könnten, sind sie aktuell weder ausreichend entwickelt noch im nötigen Maßstab verfügbar, um die gesamte Energieversorgung eines Industrielandes wie Deutschland zu gewährleisten. Die von der Bundesregierung angestrebte Umstellung ignoriert weitgehend die realen technischen und wirtschaftlichen Grenzen.
Diese Maßnahmen werden zudem ohne breite Zustimmung der Bevölkerung und ohne eine solide technologische Grundlage ergriffen, was die Zweifel an ihrer Umsetzbarkeit verstärkt. Die vorhandene Technik kann weder die fünffache Kraftwerkskapazität noch die notwendige Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien sicherstellen. Reserveenergien fehlen im Augenblick vollkommen. Daher scheint das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, auf unrealistischen Annahmen zu beruhen und droht, zu scheitern.
Ein weiteres Kernproblem der aktuellen Strategie ist die rasche Umstellung eines Energiesystems, das sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Seit der Erfindung der ersten atmosphärischen Dampfmaschine durch Thomas Newcomen im Jahr 1712 hat sich das moderne Energiesystem schrittweise weiterentwickelt und zum Wohlstand beigetragen. Die Bundesregierung plant nun, dieses etablierte System in kurzer Zeit vollständig zu ersetzen. Ein solcher radikaler Wandel birgt enorme Risiken und führt zwangsläufig zu erheblichen Unsicherheiten und Fehlentwicklungen.