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Persische Verstrickungen

Wie Israel und der Iran von heimlichen Verbündeten zu Todfeinden wurden

Von Gastautor Shoumojit Banerjee

Ein vergessenes Dreiecksverhältnis aus dem Kalten Krieg von Mossad, der SAVAK und der CIA bietet frappierende Echos in den heutigen Raketenangriffen und der Nuklearspionage.

Auch wenn es heute undenkbar scheint, gab es eine Zeit, wo iranische Generäle in luxuriösen Villen Nord-Teherans zu Cognac und Kaviar auf israelische Strategen anstießen. In den 1970er Jahren war die Luft in der Hauptstadt geschwängert von geopolitischen Planspielen. Iranischen Militärs verehrten den einäugigen israelischen Falken Moshe Dayan. Lange vor den ‚Tod für Israel‘-Rufen strickte Teheran heimlich mit Tel Aviv an einer verdeckten Allianz, die die Region neugestalten sollte.

Während der Blütezeit des Schahs, vor der Islamischen Revolution 1979, bildeten der israelische Mossad, die amerikanischen CIA und der SAVAK – der gefürchtete iranische Geheimdienst – ein stilles Bündnis, das den Iran zu einem Bollwerk gegen den arabischen Nationalismus, sowjetischen Einfluss und den Aufstieg linker Revolutionäre im Nahen Osten machen sollte.

Das Projekt war ebenso gewagt wie ehrgeizig und geheim. Israel, der einzige Staat der Region mit Atomwaffen, sollte seine Raketentechnologie mit Iran teilen, und die Vereinigten Staaten würden wegsehen, solange die Sowjets in Schach gehalten würden.

Das seltsame Dreieck wurde als ‚Peripheral Alliance Strategy‘ oder „Projekt Klil“ bekannt. Es sollte die nicht-arabischen Staaten Iran, Türkei und Äthiopien mit Israel zu einem breiten anti-arabischen Geheimdienst- und Militärnetzwerk zusammenbinden. Wie der Gründungschef des Mossad, Reuven Shiloah, 1958 angeblich Präsident Dwight Eisenhower sagte: „Dieser hohe Damm wird die rote Flut aufhalten.“

Herzstück dieser bizarren Bruderschaft war ein, der ans Phantastische grenzte: iranische Raketen, angetrieben von israelischem Know-how und Petrodollars. Wie der israelische Investigativjournalist Ronen Bergman in seinem atemberaubenden „The Secret War With Iran“ (2007) berichtet, verhandelte Mossad-Agent Reuven Merhav unter dem Codenamen ‚Operation Tzor‘ mit Hassan Toufanian von der SAVAK.

Der israelische Verteidigungsminister Ezer Weizman bot dem Schah Jericho-Raketen an, die ursprünglich für Atomsprengköpfen entwickelt worden waren, sowie Baupläne für Israels Lavi-Kampfflugzeuge an. Der Iran würde Testgelände zur Verfügung stellen, Israel strategische Tiefe und Finanzmittel gewinnen. Zu dem Zeitpunkt war es der größte bis dahin jemals von Israel initiierte Militär-Deal, bei dem Milliarden von Petrodollars im Spiel waren.

Eine weitere Initiative, bekannt als ‚Projekt Flower‘, begann 1977. Ziel war die Entwicklung einer Boden-Boden-Rakete mit einer Reichweite von 500 km, weit genug, um Ziele von Riad bis zur irakischen Hauptstadt Bagdad zu erreichen, dem Erzfeind des Iran in der Region. Die israelische Militär-Industrie sollte die Hardware entwerfen, Iran die Produktionslinien bauen. Kurzfristig versprach das Projekt Abschreckung. Langfristig jedoch legte es den Grundstein für eine technologische Entwicklung, die beide Nationen bis heute verfolgt.

Der iranisch-schwedische Wissenschaftler Trita Parsi bemerkt in seinem Buch „Treacherous Alliance“ (2008), dass diese Annäherung nicht ideologisch, sondern rein strategisch motiviert war. Der Iran, umgeben von feindlichen arabischen Regimes und nervös angesichts der Nähe zur Sowjetunion, sah in Israel einen nützlichen Partner. Israel, bedroht durch arabische Militärbündnisse, sah Iran als einen wichtigen Verbündeten. Basierend auf Pragmatismus entstand ein Labyrinth aus militärischer Zusammenarbeit, Spionage und Handel, gehüllt in Geheimhaltung und windigen Machenschaften.

Ursächlich dafür war auch die pessimistische Einschätzung des Schahs hinsichtlich der Unterstützung durch die USA. Da Jimmy Carter im Weißen Haus Menschenrechte predigte und seine Unterstützung für Autokraten überdachte, suchte der iranische Monarch nach alternativen Partnern. Israel, das weder durch Kongressanhörungen noch moralische Bedenken eingeschränkt war, wurde da zum verlässlicheren Partner, dem (frei nach John Le Carré) ‚ehrbaren Schuljungen‘.

Zwischen 1953 und 1979 verkaufte Iran den größten Teil seines Öls an Israel. Im Gegenzug entwickelte er sich zu einem wichtigen Abnehmer israelischer Güter, von Reifen bis zu Zahnersatz.

Dann kam 1979. Die Revolution Ayatollah Khomeinis stürzte den Schah. SAVAK-Agenten wurden hingerichtet, die Netzwerke des Mossad über Nacht zerschlagen. Die Raketen, ihre Blaupausen und das Vermächtnis der Zusammenarbeit verschwanden in versiegelten Archiven. Die Islamische Republik, die nun lauthals die Zerstörung Israels forderte, tilgte alle Spuren der früheren Annäherung. Aber Erinnerungen lassen sich nicht so leicht auslöschen.

Als iranische Studenten im November 1979 die US-Botschaft in Teheran stürmten, stießen sie auf Räume voller geschredderter CIA-Akten. Daraufhin vollbrachten die neuen Machthaber in Iran ein Wunder: Eine Gruppe von 250 frommen Frauen, bekannt als ‚Puzzle-Komitee‘, machte sich daran, die Papierfetzen von Hand wieder zusammenzusetzen. So trugen sie am Ende einen Schatz an Spionagegeheimnissen zusammen, der die Machenschaften zwischen dem Mossad, der CIA und der SAVAK bis ins kleinste Detail offenlegte.

Wie Bergman ausführlich beschreibt, führte das zur Veröffentlichung von „Asnad-e Laneh-ye Jasusi-e Amrika“ (‚Dokumente aus der Spionagehöhle der USA‘), einem Werk, das 80 Bände umfasst. Zu den Enthüllungen gehörten Überwachungsprotokolle über Khomeinis Exil, die Rekrutierungstechniken der CIA und Pläne zur Zerschlagung linker Bewegungen.

Wenn diese Szene filmreif erscheint, findet sie Jahrzehnte später ihr Spiegelbild, wo der Iran und Israel (wie heute) in einem tödlichen Kampf miteinander verstrickt sind.

2018 stahlen israelische Mossad-Agenten in einer ähnlich atemberaubenden Operation aus einem Lagerhaus in Teheran 50.000 Seiten und 163 Datenträger des iranischen Atomarchivs. Sie brachen den gepanzerten Raum mit Spezialbrennern und Tresorknackern in weniger als sieben Stunden auf. Die Mission, die Yonah Bob und Ilan Evyata in ihrem 2023 erschienenen Buch „Target Tehran“ beschreiben, deckte das AMAD-Projekt auf, das geheime iranische Programm zur Entwicklung von Atomwaffen, von dem Israel vermutete, dass es noch lange nach Teherans Versprechen friedlicher Absichten fortgesetzt wurde. (Ein Foto, das dieses Buch in Netanjahus unterirdischem Kriegsraum zeigt, macht derzeit die Runde.)

Unter den sichergestellten Unterlagen befanden sich Diagramme und Raketenpläne, die denen aus dem Projekt Flower gespenstisch ähnelten.

In einer gesteigerten Ironie der Geschichte versuchte Israel nun das, was es dem Iran in den 1970er Jahren hatte aufbauen helfen, wieder zu zerstören – durch diplomatischen Druck, Cybersabotage und direkte Militärschläge in Form der Operation ‚Rising Lion‘.

Der Kreis dieser seltsamen Symmetrie schloss sich am 22. Juni, als US-amerikanische B-2-Bomber iranische Schlüsselanlagen des Nuklearprogramms in Fordow, Natanz und Isfahan mit GBU-57-Bunkerbrecher-Bomben bedachten. Die militärischen Erkenntnisse wiederum für diese Missionen stammten zumindest teilweise aus den 2018 vom Mossad entwendeten Geheimunterlagen.

Doch die Verflechtungen zwischen den Geheimdiensten der drei Länder reichen noch tiefer. Israelische Vermittler spielten eine zentrale Rolle beim Aushandeln des ersten Waffendeals zwischen USA und Iran im Zuge der notorischen Iran-Contra-Affäre von 1985-86, bei der trotz des US-Embargos heimlich Waffen in den Iran verkauft wurden, um im Gegenzug die Freilassung amerikanischer Geiseln zu erreichen und mit den Erlösen die Contra-Rebellen in Nicaragua zu finanzieren.

1985 hatte Manucher Ghorbanifar, ein iranischer Waffenhändler und ehemaliger SAVAK-Agent, israelischen Vertretern angeboten, der Iran werde im Austausch gegen westliche Waffen helfen, die Freilassung amerikanischer Geiseln aus den Händen der Hisbollah im Libanon zu erreichen. David Kimche, bis 1979 stellvertretender Leiter des Mossad und danach Generaldirektor im Außenministerium, gehörte zu den wichtigsten israelischen Vermittlern. Kimche koordinierte die Kooperation zwischen israelischen Waffenherstellern und dem Nationalen Sicherheitsrat der USA unter Oliver North.

Yaakov Nimrodi, ein gut vernetzter israelischer Waffenhändler, der zu Zeiten des Schah Militärattaché in Teheran gewesen war, verfügte über enge persönliche Kontakte in den dortigen postrevolutionären Militärapparat. Im August 1985 reiste eine erste Lieferung von TOW-Panzerabwehrraketen über Israel in den Iran. Im Gegenzug kam eine amerikanische Geisel frei.

Um öffentliche Kontrolle zu vermeiden und die Transaktion zu verschleiern, schleusten die USA die Waffen über Israel. Später eskalierte der Skandal, als die Gewinne aus den illegalen Verkäufen an die nicaraguanischen Contras flossen.

Für Israel, dessen Gründungsnarrativ auf seiner existenziellen Bedrohung beruht, ist die langjährige Verflechtung mit dem Iran ein schwieriges Erbe. Dass es einst erwog, dem Iran sein kostbares Lavi-Kampfflugzeug zu verkaufen, das Kronjuwel seiner Luftfahrttechnik, strapaziert heute seine Glaubwürdigkeit. Zugleich unterstreicht es die außerordentliche Brüchigkeit der Allianzen im Nahen Osten.

330 v. Chr. hatte Alexander der Große Persepolis, die zeremonielle Hauptstadt des persischen Achämenidenreichs, in Brand gesteckt. Einige sagen, es sei ein Unfall gewesen. Andere bestehen darauf, dass es Absicht war. So oder so, ein Reich, das auf Pracht und Geheimhaltung aufgebaut war, zerfiel zu Asche. Heute sieht die Islamische Republik, geboren aus dem Feuer und getragen von Geheimhaltung, ihre wertvollen Atomanlagen erneut in Schutt und Asche liegen. Nur dieses Mal sind die Flammen kein Zufall.
(vera-lengsfeld.de)

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