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Zum „neuen Menschen“

Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus (2)

Von Vera Lengsfeld

Wie die Kunstavantgarde den Weg für die Woke-Bewegung bereitete, kann man in Tom Soras verdienstvollem Buch nachlesen. Vor wenigen Tagen ist bereits eine Rezension von mir auf diesem Blog erschienen. Ich möchte aber einige Beispiele, die Sora bringt, anführen, die zeigen, dass alles, was uns heute zu schaffen macht, weil es von denen, die sich als „Elite“ betrachten und sich berechtigt sehen, das gemeine Volk, das sie verachten, umzuerziehen, täglich in Politik und Medien propagiert wird, schon hundert Jahre alt ist. So lange hat es gebraucht, bis sich diese Ideologie in Zeitgeist verwandelt hat.

Das Ziel ist, um es zu wiederholen, die Schaffung eines „neuen“ Menschen und die Zerstörung der westlichen Kultur. Die Vordenker waren Henry de Saint-Simon, Karl Marx, Wladimir Illitsch Lenin und Antonio Gramsci, die ausführenden „nützlichen Idioten“ (Lenin) waren Künstler, Schriftsteller und andere Intellektuelle, die erst die kommunistische Revolution, dann die kommunistischen Diktaturen und nach deren Zusammenbruch den Kulturmarxismus und Wokismus unterstützten.

Gramsci propagierte die Zerstörung der westlichen Kultur und die Installation einer neuen, kollektiven Kultur durch „Kampf“. Wie fruchtbar der Schoß noch ist, aus dem das kroch, zeigt sich darin, dass die ehrwürdige Universität Oxford bereits begonnen hat, Mozart und Beethoven aus dem Programm zu nehmen, weil sie „kolonialistisch“ seien.

Aber der Reihe nach. Die Avantgarde entstand, anders als heute weithin angenommen, nicht als Reaktion auf den Schrecken des Ersten Weltkrieges, sondern schon davor. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Ideen der Avantgarde, die Zerstörung des Bürgertums, den Krieg begünstigten.

Auf den ersten Blick scheint das absurd zu sein, denn die Avantgardisten haben den Ruf, absolute Individualisten und Freiheitsfanatiker zu sein. Die sollen an der Beseitigung von Individualismus und Freiheit beteiligt sein? So ist es. Die Künstler und Intellektuellen übernahmen zwar die Thesen und Taktiken Lenins, lehnten aber die ihnen zugedachte Rolle als ausführende Befehlsempfänger der Partei ab. Sie erteilten sich selbst den Auftrag, das Volk, ja die ganze Menschheit zu erziehen. Das erwies sich als wirkungsvoller, als bloßes Anhängsel einer Partei zu sein.

„Um die Mentalität des Volkes verändern“ zu können, schrieb Gramsci, muss „die Frage des Sprachgebrauchs und der Sprachen […] ganz in den Vordergrund gerückt werden.“ Wenn man sich heute fragt, warum die Gramsci-Jünger so verbissen gendern, immer neue Worte verbieten und neue Begriffe einführen, so muss man sich dieses formulierte Ziel vor Augen halten. Es ist nicht nur so, dass man, wenn bestimmte Worte nicht mehr benutzt werden, sie und die mit ihnen verknüpften Assoziationen bald nicht mehr denken kann. Sie verändern die Kommunikation innerhalb der Gesellschaft gravierend. In Deutschland darf man zum Beispiel nicht mehr Neger sagen. Verkniffen ist auch in den Polemiken gegen falschen Sprachgebrauch nur noch von N-Wort die Rede.

Es sollen aber auch alle Bezeichnungen von familiären Bindungen unter Kuratel gestellt werden, angefangen mit Mutter und Vater, die in Deutschland mancherorts als Elternteil 1 und 2 bezeichnet werden, in England als „brestfeeding person“. Frau soll auch nicht mehr gesagt werden, damit bestimmte Männer, die sich neuerdings immer häufiger als Frauen fühlen, nicht „ausgegrenzt“ werden. Stattdessen wird „menstruierende Person“ vorgeschlagen. Den Sprach-Extremisten ist das nicht gut genug, denn es soll ja auch Männer geben, die menstruieren können, weshalb woke Politikerinnen dafür sorgen, dass Männertoiletten mit Tamponspendern ausgerüstet werden. Was wie ein Stück aus dem Tollhaus daherkommt, hat einen perfiden Sinn: Wer nicht mal mehr weiß, ob er Männlein oder Weiblein ist, kann seine Persönlichkeit und seine Urteilskraft nicht mehr entwickeln. Er ist leichte Beute für die Propaganda zur Schaffung des neuen, kollektiven Menschen, der die Zerstörung alles Bestehenden akzeptieren und unterstützen soll.

Sora weist auf die geistige Verwandtschaft und wechselseitige Wertschätzung zwischen faschistischen und kommunistischen, heute woken Avantgardisten hin. So war Gramsci ein Bewunderer des italienischen Kulturfaschisten Filippo Tommaso Marinetti, der u. a. Kulturminister unter Benito Mussolini war. Mussolini selbst war, bevor er Faschist wurde, der supererfolgreiche Chefredakteur der wichtigen italienischen sozialistischen Zeitung „Avanti“.

„Wenn man ein bestimmtes Datum für die Bewegung der Kunstavantgarde angeben möchte, bietet sich das Jahr 1909 an, als Marinetti sein erstes Manifest des Futurismus veröffentlichte. Dem folgten viele weitere, von den verschiedensten Autoren. Zum Beispiel übernahm eine Gruppe russischer Avantgardisten, der Wladimir Majakowski angehörte, 1914 einen wichtigen Programmpunkt Marinetti: Die systematische Zerstörung der Sprache. „In ihrem Text ‚negieren‘ sie ‚im Namen der Freiheit‘ die ‚Rechtschreibung‘.“ Die russischen futuristischen Maler Ivan Punin und Ksenia Boguslawskaja kopierten vom Faschisten Marinetti die Idee der Zerstörung des Denkens. Sie formulierten 1915 folgende Behauptung, die leider bis heute überlebt hat: „2×2 ist alles Mögliche, nur nicht vier.“

Die Zerstörung der Sprache und der Logik ist seitdem ein fundamentales Ziel der Linken geblieben, bis hin zur cancel-culture heute.

Den Anspruch auf Weltherrschaft hat zuerst die Avantgarde formuliert. So heißt es in einer Deklaration von 1917, die auch im Namen von Majakowski und Maxim Gorki verfasst wurde: „Wir sind die Regierung des Erdballs“. Auch die Verachtung des Volkes war programmatisch. So äußerte der surrealistische Dichter Ivan Goll, die Kunst träte „mit Flügeln ins dumpfe, arme Volk“. Da wollten die Dadaisten nicht nachstehen: „…wir spucken auf die Menschheit“. Was sie mit der Menschheit vorhaben, formulierte der Dadaist Tzara: „Wir…bereiten das große Schauspiel des Untergangs vor, den Brand, die Zersetzung…von einem Kontinent zum anderen.“

Vor allem sollen Individualität und Bildung vernichtet werden. Holländische Avantgardisten veröffentlichten 1918 Folgendes: „Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewusstsein. Das alte richtet sich auf das Individuum, das neue richtet sich auf das Universelle“.

Wie soll der Massenmensch entstehen? „Tradition, Dogmen und die Vorherrschaft des Individuellen (des Natürlichen) stehen dieser Realisierung im Wege“. Deshalb rufen sie dazu auf „diese Hindernisse der Entwicklung zu vernichten“. Ab und zu werden sie auch ganz konkret:
„Wir werden Weimar (also die Weimarer Republik, T.S.) in die Luft sprengen. Es wird niemand und nichts geschont werden“, verkündete ein dadaistischer Zentralrat der Weltrevolution.

Ungarische Avantgardisten riefen 1919 dazu auf, „die bürgerlichen Künste, die dem gestürzten Kapitalismus dienen, zu liquidieren.“ In dem Aufruf „Was ist der Dadaismus und was will er in Deutschland“ wird ein „radikaler Kommunismus“ gefordert. Was ist darunter zu verstehen? „Der Besitzbegriff wird vollkommen ausgeschaltet“. Ein Schelm, der da an Klaus Schwab und sein WEF denkt, das auf seiner Website bis zum 1. Januar verkündet hat, bis 2030 würden wir nichts mehr besitzen? Auch wenn dieser Satz inzwischen gelöscht ist, heißt das nicht, dass das Ziel aufgegeben wurde.

Die Arbeit sollte schon damals „durch umfassende Mechanisierung jeder Tätigkeit“ abgeschafft werden. Diese Rolle wird heute der KI zugewiesen. Klaus Schwabs Vordenker Yuval Harari hat in „Homo Deus“ bereits die Frage gestellt, was man mit den überflüssig gewordenen Massen anfangen solle.

Die Hypersexualisierung, vor der heute unsere Jüngsten im Kindergarten nicht mehr sicher sind, wurde von den Avantgardisten als Waffe zur Zersetzung der Familie erkannt. Enthemmte Sexualität hat eine zerstörerische Wirkung auf Familie und Religion. André Breton hat in seinem Manifest des Surrealismus geschrieben: „Es muss alles getan werden, jedes Mittel muss eingesetzt werden, um die Ideen von Familie, Vaterland und Religion zu ruinieren.“ Es ging also den Propagandisten nie um die sexuelle Befreiung oder Emanzipation, sondern um eine Waffe gegen die bürgerlich-freiheitliche Gesellschaft.

Diesen Beispielen fügt Sora in seinem Buch viele weitere hinzu. Ich kann die Lektüre nur allen empfehlen, die sich dagegen aufbäumen, dass die westliche Kultur in „Schlamm und Dreck“ versinken soll. An amerikanischen Universitäten heißt es seit den 1990er Jahren: Hey, hey, ho, western culture has to go! Mit der Kultur verschwände auch unsere Lebensweise.

Besonders interessant fand ich, dass die Surrealisten um Luis Aragon, Paul Eluard und Salvador Dalí schon 1930 einen Bevölkerungsaustausch propagierten, um ihr Ziel zu erreichen. Allerdings hatten sie noch nicht die muslimischen Staaten im Blick, sondern die Mongolen.

„Jetzt sind die Mongolen an der Reihe, auf unseren Plätzen ihre Zelte aufzuschlagen.“ Die massive Einschleusung außereuropäischer Bevölkerungsgruppen nach Westeuropa, USA und Kanada wurde von diesen Surrealisten als Methode der Destabilisierung westlicher Staaten geplant.
Bei so viel Zerstörungswillen gibt es doch Hoffnung. Jedes klassische Konzert, das erklingt, jede Oper, die aufgeführt wird, jedes klassische Buch, das verlegt wird, und jedes Gemälde, das gezeigt wird, ist ein Statement gegen die Vernichtung unserer Kultur. Bach, Beethoven, Mozart, Goethe, Schiller, Heine, Shakespeare, Rembrandt, Mantegna, Leonardo da Vinci und der gesamte Kunstkanon der westlichen Welt werden sich auf die Dauer als stärker erweisen als ihre Feinde.
>>>Tom Sora: Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus, Solibro 2024
(vera-lengsfeld.de)

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