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Wachsender Stillstand

Die Bürokratie stranguliert den Mittelstand

Von PROF. EBERHARD HAMER

Das Grundgesetz hat sich für Marktwirtschaft statt Verwaltungswirtschaft entschieden. Tatsächlich aber haben Lobby-Gruppen, grüne Ideologen und die öffentliche Verwaltung immer stärker Verwaltungswirtschaft bei uns eingeführt, so dass die unternehmerische Freiheit schon überwiegend durch staatlichen Dirigismus überwuchert ist.

Das fängt mit der Landwirtschaft an. Früher durfte ein Landwirt selbst entscheiden, was er, wann er, wie viel er und welche Früchte auf dem Feld oder Tiere im Stall er züchten wollte. Heute dagegen werden ihm Vorschriften über die Art der Früchte, die Zeit der Aussaat, Art und Menge des Düngers und Flächenstilllegungen gemacht.

Ebenso bei der Tierhaltung. Hier werden Art der Tiere, Zahl und Aufzucht durch (Chip und Ohrmarke gekennzeichnet) bürokratisch verfolgt, muss auch das Schlachten dokumentiert und Behörden angezeigt werden, wird sogar das Fleisch untersucht, ob es den Vorschriften entspricht. Gleiches auch bei der Milch.

Bauer verbringt 40 Prozent seiner Arbeitszeit im Büro statt auf dem Acker

Früher erarbeitete ein Bauer seinen Wohlstand auf dem Feld und im Stall, heute am Schreibtisch im Kampf um die Subventionen, ohne die heute kaum ein Betrieb überleben kann. Die noch selbständigen Einzellandwirte berichten, dass sie bereits 40 Prozent ihrer Arbeitszeit im Büro statt auf dem Acker oder im Stall leisten müssen und diese Büroarbeit immer komplizierter würde.

Nicht der Markt, sondern die Bürokratie entscheiden heute über die Rentabilität der Betriebe, über die Art der Betriebsführung, der Produktion und über den Verkaufserfolg. Die Landwirtschaft ist also längst in einer Landwirtschaftsverwaltungswirtschaft gelandet. Das hat zum Sterben der Kleinbetriebe geführt, welche diese Bürokratie nicht leisten konnten und zur Zentralisierung in Großbetrieben, welche mit den Verwaltungsauflagen besser fertig werden. Die Folge war ein Bauernsterben in den Dörfern, Arbeitsplatzverluste und Abwanderung in fremde Berufe und oft aus der Gegend.

Die Landproblematik ist Folge der staatsdirigierten Landwirtschafsverwaltung. Das setzt sich sogar in der Forstwirtschaft fort. Auch dort darf der Waldbesitzer nicht mehr frei entscheiden, welche Bäume er pflanzt, wie er die Aufforstung gestaltet, wie er die Holzernte gestaltet und nach welchen Vorschriften er ständige Meldungen, Statistiken und Kontrollen an die Forstbehörde schuldet.

Auch bei den Forstbetrieben hat das Bürokratiemaß die 20 Prozent bereits überschritten und wird von den dazu nicht vorgebildeten Waldbesitzern als immer unerträglichere Belastung empfunden.

Bürokratiemonster im Handwerk und Einzelhandel

Im Handwerk liegt ein Schwerpunkt der bürokratischen Belastung bei der Beschäftigung der Mitarbeiter. Etwa die Hälfte der immer stärker gewordenen Verwaltungsaufgaben beschäftigen sich mit den Qualitätsstandards der Mitarbeiter, ihrer Arbeitszeit, der Art ihres Arbeitsumfeldes, ihrer Gesundheit einschließlich Krankmeldungen und Krankheitsausfall, dazu innerbetriebliche Gesundheitsvorschriften für Toiletten, Aufenthaltsräume, Werkzeuge, Fahrzeuge, Geschlechterregelungen, Ausstattung der Werkstatt und Verwaltungsvorschriften für Art und Umfang und Risikoschutz aller Arbeiten, Vorschriften der Werkstatt vom Fußboden (geriffelt oder glatt) bis zur Belichtung und Belüftung.

Alle diese Vorschriften werden mit zeitraubenden Kontrollen mindestens einmal jährlich geprüft: Vom Finanzamt, von der Berufsgenossenschaft, vom Gewerbeaufsichtsamt, von der Kammer, von Versicherungen, vom Bauamt, von der Umweltverwaltung, vom Gesundheitsamt u.a. Die Summe dieser durch Verwaltungskontrollen verlorenen Arbeitstage liegt zwischen 20 und 30, der finanzielle Verlust ist überproportional, weil der wertvollste Mann des Betriebes, der Handwerksmeister selbst, bei diesen Kontrollen anwesend sein muss.

Auch für den Einzelhandel wird der Freiheitsgrad immer geringer, das Vorschriftengeflecht immer größer. Das geht von der Außendarstellung des Ladens bis zu Bauvorschriften im Laden, der Art der Regalgestaltung, der Gangbreite für die Kunden bis zur Aufbewahrung der Ware und mit Sicherheitskontrollen über Ware und Warenaufbewahrung sowie Vorschriften und Kontrollen über alle im Lebensmittelhandel oder der Gastronomie betriebenen Geräte weiter.

Den größten Anteil an bürokratischen Pflichten machen aber auch im Einzelhandel die Personalvorschriften über Arbeitszeit, Arbeitsdauer, soziale Einrichtungen des Betriebes für die Mitarbeiter, Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsvoraussetzungen für die Betriebsräume, Arbeitsschutz bis hin zu den Abwesenheitskosten der Mitarbeiter für Urlaub, Feiertage, Krankheit (bis sechs Wochen), Scheinkrankheit (Selbstdiagnose und Selbstkrankmeldung für 3 Tage).

Sozialer Verfall der Innenstädte

Die verwaltungsbedingten Nebenkosten für die Mitarbeiter sind in den vergangenen 20 Jahren dramatisch gestiegen, machen inzwischen etwa ein Drittel Zusatzkosten zum Direktlohn aus und die Beschäftigung von Arbeitern in vielen Betrieben zu teuer, zumal der Staat die Mindestlöhne ständig erhöht und die Innenstädte immer mehr von herumlungernden Ausländer-Gangs bestimmt und deshalb gefährlicher und für auswärtige Kunden unattraktiver werden. Der soziale Verfall der Innenstädte trifft den Einzelhandel am meisten und wirkt progressiv: Wenn die ersten zehn Läden leer sind, werden sich 20 weitere auch nicht mehr halten können und die Stadt von Dönerbuden, Spielhallen, Tattoo-Studios und wachsenden Verwaltungen leben müssen.

Das früher blühende Lebensmittelhandwerk von Bäckereien, Metzgereien, Konditoreien u.a. ist inzwischen durch die vom Staat geförderten Großbetriebe überrollt worden. Diese dürfen nämlich mit Einkaufserpressung günstigere Einkaufskonditionen gegenüber ihren mittelständischen Konkurrenten erpressen und arbeiten außerdem mit billigeren Maschinen (die nicht krank werden und keinen Urlaub haben) statt mit Mitarbeitern (wie das Lebensmittelhandwerk), so dass unser Lebensmittelhandwerk schon jetzt zusammengeschrumpft ist und die Versorgung unserer Bürger dramatisch an Vielfalt, Qualität, dezentralem Angebot sink. Für das zentrale Angebot der Supermärkte muss dagegen vor allem die Landbevölkerung  immer weiter fahren, was die Attraktivität des Wohnens auf dem Lande immer stärker reduziert.

Die inzwischen am stärksten wachsende und nutzloseste Verwaltung ist die Umweltbürokratie, die vor allem den Mittelstand mit unsinnigen Beschränkungen, Verboten, Regulierungen und Kontrollen verfolgt.

Parkinson’sches Prinzip der internen Selbstbeschäftigung

Die Umweltbürokratie zeigt auch am stärksten, das Parkinson’sche Prinzip der internen Selbstbeschäftigung der Bürokratie auch ohne Außenwirkung. Da die Bürokraten entgegen ihrer eigentlichen Pflicht nicht mehr entscheiden, sondern die Akten weitergeben und weil Beamte selbst bei Faulheit nicht entlassen werden können, sondern Zusatzkräfte eingestellt werden, wächst jede Verwaltung nach Parkinson ohne jede Außenwirkung auch intern zwangsläufig an, multipliziert sich.

Dazu hat der Verfasser im Mittelstandsinstitut Hannover schon vor 30 Jahren eine zusätzliche bürokratische Wachstumsebene entdeckt: die Bürokratieüberwälzung.

Inzwischen haben nämlich flächendeckend staatliche Bürokratien Aufgaben, die sie eigentlich selbst durchführen mussten kraft ihrer Hoheitsgewalt an die Unternehmen verlagert, missbrauchen sie also die private Wirtschaft in zunehmendem Maße für Verwaltungsaufgaben, oder anders ausgedrückt: sie missbrauchen das produktive Drittel unserer Gesellschaft zunehmend für ihre unproduktiven Verwaltungstätigkeiten. Diese gesamten von den Wirtschaftsunternehmen für die Bürokratie zuzuliefernden Bürokratiearbeiten machten schon 1980 jährlich im Durchschnitt 1057 Stunden aus. Das waren 132 Arbeitstage oder 26,4 Wochen eines Mitarbeiters. Unter Einschluss von Urlaubs- und Feiertagen ist im Durchschnitt der untersuchten Unternehmen ein Mitarbeiter 30 Wochen (drei Fünftel seiner Arbeitszeit) im Jahr nur für Hilfsarbeiten der Staatsbürokratie tätig. Den Unternehmen entstanden dadurch 1980 Kosten von ca. 50.000 DM. Das war damals mehr als der durchschnittliche Bruttogewinn der untersuchten Unternehmen.

Inzwischen hat sich die Bürokratieüberwälzung noch um 30 Prozent allein durch die EU-Bürokratie erhöht, die 80 Prozent der neuen Bürokratiebelastung verantwortet.

Bürokratiearbeiten sind die feiertägliche Zusatzarbeit der Unternehmer

Die unproduktive Bürokratie wächst nicht nur selbst unmäßig an, sondern nimmt auch unsere produktive Wirtschaft immer stärker für unproduktive Hilfsarbeiten zwangsweise in Anspruch.

Wenn man außerdem bedenkt, dass nur ein Drittel unserer Bevölkerung vollproduktiv tätig ist und die anderen zwei Drittel mit geringer Produktivität oder unproduktiv (Bürgergeldbezieher, Arbeitslose, große Teile der Bürokratie) von diesem ersten Drittel leben, ist die Bürokratiebelastung der Produktiven für die Gesamtwirtschaft noch schädlicher.

Weil die staatliche Bürokratie und insbesondere die Bürokratieüberwälzung mit gleichen Anforderungen und gleichen Formularen die Betriebseinheit betrifft, leidet der Mittelstand darunter mehr als die Konzerne, welche dafür einen überflüssigen Mitarbeiter abstellen können. Im Mittelstand aber muss der Unternehmer als wichtigster Mann diese überflüssigste Arbeit selbst machen, weil seine Mitarbeiter dafür zu teuer sind. Bürokratiearbeiten sind deshalb die abendliche und feiertägliche Zusatzarbeit der Unternehmer.

Kleinunternehmen werden im Verhältnis zu ihrem Umsatz und ihrer Mitarbeiterzahl relativ 14mal so stark von der Bürokratieüberwälzung betroffen wie Großunternehmen. Bürokratieüberwälzung wirkt sich deshalb – unbeabsichtigt – extrem mittelstandsschädlich aus.

Bürokratieüberwälzung trifft den Mittelstand überproportional

Der Bürokratieaufwand des Faktors Arbeit liegt zeitlich viermal, kostenmäßig fünfmal so hoch wie der Bürokratieaufwand der beiden anderen Produktionsfaktoren Boden und Kapital zusammen. Da der Mittelstand aber individuell notwendig mit Menschen produzieren muss und nicht wie die größeren Unternehmen mit Maschinen, hat er auch die vier- bis fünffache Belastung durch den personalen Bürokratieaufwand gegenüber den großen Konkurrenten. Die Bürokratielast und insbesondere die Bürokratieüberwälzung trifft also den Mittelstand überproportional, mittelstandsschädlich und erdrosselt die Existenz der mittelständischen Unternehmer.

In den Kapitalgesellschaften kann nämlich die Bürokratie durch billige Mitarbeiter nebenbei erledigt werden – in den mittelständischen Personalunternehmen und insbesondere in den 80 % Kleinunternehmen muss aber diese überflüssigste und unrentable Hilfstätigkeit für die öffentliche Verwaltung vom Unternehmer selbst erledigt werden. Die Bürokratielasten sind also die abendliche und Feiertagsarbeit der Unternehmerfamilie. Sie belasten die wertvollsten und wichtigsten Leute des Unternehmens und halten sie von produktiver Arbeit ab. Die Unternehmer als wichtigsten Initiatoren unserer gesamten Volkswirtschaft werden so nicht nur mit unproduktiven Zwangstätigkeiten ihrer privaten Freiheit beraubt, sondern auch von produktiver betrieblicher Arbeit zur Befriedigung fremder, unnützer bürokratischer Behörden abgezogen – ein volkswirtschaftlicher Schaden, den das Mittelstandsinstitut Niedersachsen schon in den 1980er Jahren auf 30 Milliarden DM geschätzt hat. Mit der inzwischen in 30 Jahren erfolgten Steigerung der Bürokratie und den 30 Prozent zusätzlichen Eurokratien dürfte der Mittelstandsschaden heute bei über 50 Milliarden Euro liegen.

Vorschläge zur Bürokratieverminderung

Das Mittelstandsinstitut hat in den 1980er Jahren Vorschläge erarbeitet, wie die Bürokratieüberwälzung vermindert werden könnte, z.B.

  • durch Übernahme der Sozialbeiträge als echte Steuern ins Steuersystem,
  • durch großzügige Pauschalierungen für Kleinbetriebe,
  • Durchführung der Statistik nicht mehr total, sondern wie in anderen Ländern stichprobenartig und durch private Institutionen (dieser Vorschlag kam bis in den Bundestag und wurde dort von den Kammern torpediert, weil sie die privaten Statistiken hätten bezahlen müssen).
  • Die Verwaltungspraxis müsste digitalisiert und vereinfacht werden.
  • Das Mittelstandsinstitut hat nachgewiesen, dass viele Bürokratiepflichten entfallen könnten, wenn die Behörden sie aus eigenen Unterlagen selbst erstellen würden. Da aber die Inanspruchnahme der Wirtschaft nichts kostet, wird dies nicht getan.
  • Außerdem müsste die Gesetzesproduktion reduziert und für jede Bürokratielast alte Lasten aufgehoben werden.

Wie man wirksam entbürokratisiert, hat der Tump Sonderbeauftragte Elon Musk bewiesen: Von 400 Behörden in den USA will er drei Viertel schließen, zwei Millionen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes hat er freiwillige Kündigung mit Entschädigung angeboten. Die Agentur für internationale Entwicklung (USAID) hat er ganz geschlossen, weil dieses Entwicklungsministerium wie auch unseres länderpolitische, queer-sexuelle und feministische Projekte finanziert, die nicht im Interesse der USA liegen. Auch das Bildungs- und Gesundheitsministerium will Musk streichen, die meisten anderen Ministerien um große Aufgabenbereiche reduzieren.

Auch bei uns wäre dieser Weg, ganze Behörden zu schließen sinnvoll und effektiv. Wir brauchen z.B. kein Entwicklungshilfe-Ministerium mehr, keine Ökologie-Büros, keine tausend Gender-Lehrstühle, keine Feminismus-Fakultäten, keine Sonderbeauftragten für Diversität, Queer-Sexualität u.a. Und wir brauchen insbesondere kein öffentliches Dienstrecht für nichthoheitliche Tätigkeiten, etwa des Bildungssystems, des Gesundheitssystems, der Sozialorganisationen und der tausenden öffentlicher Institutionen der Daseinsvorsorge. Das Beamtenrecht müsste wieder auf Hoheitstätigkeiten und nur auf solche Beamten reduziert werden, die auch zu entscheiden haben, wie dies ursprünglich in Preußen war.

Bürokratie vermindert „Wirtschaftswunder“ im Osten

Wachsende Bürokratie ist wirtschaftssystematisch immer wachsender Stillstand und wachsende Erstarrung von Wirtschaft und Gesellschaft. Seit uns die Öko-Bürokraten damit in die Rezession gejagt haben, braucht Deutschland nicht bürokratische Korrekturen, sondern einen bürokratischen Befreiungsschlag, wie wir ihn nach dem letzten Weltkrieg durch Abschaffung aller Nazi-Gesetze und Bürokraten gehabt haben und dadurch Unternehmerfreiheit für das Wirtschaftswunder schufen.

Nach 1945 hat der Autor paradiesische Bürokratiezeiten erlebt, als nämlich alle Nazi-Gesetze abgeschafft waren und unsere Unternehmer eine nie gekannte Freiheit zum Produzieren und zum Aufbau ihrer Betriebe hatten.

Statt dieses Freiheitsmoment zu nutzen, hat die Wiedervereinigung die gesamte westdeutsche Bürokratie schlagartig auf den Osten übertragen, die meiste Freiheit zu Produzieren damit erdrückt und somit ein „Wirtschaftswunder“ wie im Westen im Osten verhindert. Bürokratiewachstum ist nach Parkinson unvermeidlich und Bürokratieabbau deshalb Daueraufgabe des Staates.

Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Marktwirtschaft produktiver und lebensstandardförderlicher ist als Verwaltungswirtschaft, trifft insbesondere auf Länder mit viel oder wenig Bürokratie zu. Wir könnten also unsren Wohlstand erhöhen, wenn wir unserem Mittelstand wieder mehr Freiheit durch Abbau von Bürokratie verschaffen würden.
(pi-news.de)

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