
Tanger/Marokko und die Straße von Gibraltar
Von Albrecht Künstle
- Wie fast jede Stadt erlebte auch sie ein stetiges Auf und Ab
- Deren „goldene Zeit“ endete mit dem Exodus der Juden
- Mit der Passage von Gibraltar enden meine Berichte
Tanger ist eine Millionenstadt an der Nordwestspitze Marokkos westlich der Straße von Gibraltar. Dank ihrer Lage zwischen Afrika und Europa war Tanger über Jahrhunderte ein bedeutendes Handels- und Kulturzentrum. Heute ist die Stadt ein wirtschaftlicher Knotenpunkt Marokkos und spielt eine zentrale Rolle im internationalen Seehandel. Wir hatten einen Busausflug zu den interessanten Herkules-Grotten der griechischen Mythologie gebucht. Dort habe Herkules das Meer und mit ihm die beiden Kontinente gespalten. Die imposanten Grotten liegen unweit der Stelle, an der sich der Atlantik und das Mittelmeer treffen. Entgegen der landläufigen Annahme liegt die Meerscheide nicht an der engsten Stelle gegenüber Gibraltar. Die Marokkaner legten Wert auf den Unterschied, denn das Mittelmeer ist bekanntlich wärmer, meinte der örtliche Busbegleiter. Ob das die Badegäste merken, wenn sie um den „trennenden“ Felsen herumschwimmen?
Weil der Busbegleiter nicht so gut Deutsch sprach, greife ich nachfolgend auf verschiedene Quellen zurück, die ich in der gebotenen Kürze verwende. Nur drei Punkte seien erwähnt. Gefühlt ein Viertel der Erklärungen des Busbegleiters war Juden gewidmet, was mich überraschte. Darauf werde ich noch eingehen. Der zweite Punkt war seine Klage, dass es seit sechs Jahren nicht geregnet habe. Ich neckte ihn mit der Frage, ob es denn nichts helfe, dass er mit seinen unzähligen Muslimen viermal täglich Richtung Mekka zu Mohammed bete und dann auch noch der König Mohammed (der VI.) heiße. Wir beten seltener, aber unser Gott erhört uns und lasse es immer wieder mal regnen. Ich machte ihm auch das Angebot, zu uns zu konvertieren, unsere Gebetskette (der Rosenkranz) sei nur halb so lang wie die islamische 😊. Aber er winkte ab. Als wir aus dem Bus ausstiegen, warnte er uns, dass wir auf unsere Taschen aufpassen sollten. Das war auf den vier besuchten portugiesischen Inseln nicht der Fall. Andere Länder, andere Kultur. Das trifft auch für die Kleidung zu. Seit etwa 15 Jahren sind die Frauen wieder verschleiert, teilweise vollverschleiert. Allerdings bunter als bei uns, wo man sie fast nur in schwarz oder grau sieht.
Die Bevölkerung der Stadt besteht fast ausschließlich aus Angehörigen verschiedener Berberstämme der Umgebung. Die meisten sind seit den 1970er Jahren zugewandert. Der Busbegleiter scheint Araber zu sein, man hörte abwertende Bemerkungen heraus, auch zu Kinderzahl. Die Einheimischen hätten zwei Kinder, Berberfamilien „zehn“, was natürlich eine Übertreibung war.
Zur Geschichte im Zeitraffer. Wahrscheinlich wurde Tanger im 5. oder 6. Jahrhundert v. Chr. von Karthagern gegründet. Das ist jenes Volk, das es „nach dem dritten Krieg nicht mehr gab“ (Bert Brecht). Später war das Städtchen römisch und byzantinisch. Dann war Schluss mit lustig, als die Stadt im Jahr 702 von Muhammads Jüngern erobert wurde. Geherrscht hat nicht das Wort, sondern das Schwert, und das 770 Jahr lang. Nur ein Jahrhundert lang machten sich Portugiesen, Spanier und Engländer breit. Doch wurde Tanger 1684 an Marokko unter den Alawiten übergeben, die auch heute wieder herrschen.
Im Jahr 1912 verlor Marokko jedoch seine Unabhängigkeit und wurde faktisch zwischen Frankreich und Spanien aufgeteilt, wobei letzteres gleich ganz Nordmarokko und einen Teil der Atlantikküste im Süden besetzte. Im Jahr 1923 wurden die Stadt und ein kleines Gebiet um sie herum zur Internationalen Zone von Tanger erklärt und von acht europäischen Mächten verwaltet. Der Hafen von Tanger war zollfrei, und so wurde der Schmuggel zum einträglichen Geschäft.
Wie entwickelte sich die Einwohnerstruktur? Tanger hatte im Jahr 1927 etwa 60.000 Einwohner, davon waren 35.000 Muslime und 15.000 Juden. 10.000 Einwohner waren Ausländer. Im Jahr 1950 lebten etwa 150.000 Einwohner in der Stadt, darunter 43.000 Christen und 15.000 Juden. So etablierte sich eine multiethnische Gemeinschaft von christlichen Nationalitäten sowie den jüdischen und muslimischen Untertanen des Sultans. Tanger konnte damals mit seiner Infrastruktur und Kultur als modernste Stadt in Afrika mit vielen Weltenbummlern bezeichnet werden. 1956 traten aber die „Protokolle von Tanger“ in Kraft, die ihre Freizügigkeit beendeten. Danach begann auch der Exodus der rund 13.000 Juden oder Hebräer, wie sie sich nannten. Der marokkanische Busbegleiter sprach anscheinend aus diesem Anlass vom „Ende der goldenen Jahre“.
Seit etwa 2015 zählte die Stadt über eine Million Einwohner. Nur noch 70 einheimische Juden blieben übrig, und nur etwa 5000 Ausländer werden von den verschiedenen Konsulaten gemeldet. Trotzdem erwähnen die örtlichen Reiseleiter die Existenz von Synagogen, an einer wurden wir vorbeigeführt. Wäre keine Tafel an der Haustür in der Ecke einer Gasse angebracht gewesen, hätte niemand dahinter eine Synagoge vermutet, die natürlich „außer Betrieb“ war und Eintritt für den Besuch kostete. Es gibt es noch zwei Kirchen, andere wurden jedoch von Moscheen überbaut.
Nach dem Exodus der Juden in den 50er Jahren machte Tanger in den 1960er und 70er Jahren einen Niedergang durch. Erst ab etwa 2000 erlebte die Stadt eine neue Blüte. Urbane Großprojekte, wie etwa die Freilegung der alten Stadtmauern oder die Verlagerung der Hafenfunktionen in den neuen Seehafen sowie ein Umbauprogramm, gestalten den Charakter Tangers seit etwa 2010 auf grundlegende Weise neu. Aber …
Mit dem Zuzug von Marokkanern aus dem Hinterland, den Berbern, insbesondere seit den 2000er Jahren, hat sich auch die kulturelle Prägung der Stadt stark verändert. Heute findet man auch in Tanger fast nur noch verschleierte Frauen. Bis dahin zeichnete sich die Stadt durch einen legeren Kleidungsstil aus, insbesondere auch von Frauen (europäische Kleidung, offene Haartracht). Diese Veränderung ist sichtbarstes Zeichen der allgemeinen Entwicklung der lokalen Kultur seit der Jahrtausendwende, weg von einem fast europäisch-mediterranen, hin zu einem zunehmend traditionellen Lebensstil typisch islamischer Länder. Mein Fazit zur Stippvisite in Tanger: Ich freute mich über die Millionen Muslime in Marokko, denn je mehr sie in ihren islamischen Ländern sind, desto weniger sind sie bei uns – rein denklogisch betrachtet, nicht rassistisch.
Zur nächtlichen Passage der Straße von Gibraltar. Eigentlich sollte sie Straße von Tanger heißen, denn während auf der europäischen Seite kaum Zivilisation auszumachen war, sah man auf marokkanischer Seite ein Lichtermeer ohne Ende. Kann gut sein, dass sie auch von den beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla stammen, die von Afrikanern immer wieder gestürmt werden, um nach Europa zu gelangen. Am frühen Morgen machte unser Kreuzfahrtschiff in Malaga fest, wo es auch Besseres zu trinken gab als Tee und Mokka in Mokkako; Verzeihung, in Marokko.
Dieser Artikel ist ohne „KI“ ausschließlich mit Künstle-Intelligenz 😊 erstellt; zuerst erschienen bei https://ansage.org/
