Springe zum Inhalt

Anpassung

Auch Unglück kann zum glücklichen Leben führen

Von  Montesquieu

Wir müssen versuchen, uns das Leben anzupassen; es ist nicht Sache des Lebens, sich an uns anzupassen. Seien wir weder zu leer noch zu erfüllt. Ist es unsere Bestimmung, uns zu langweilen, so sollten wir uns darauf verstehen und deswegen das Vergnügen, das wir einbüßen, richtig einschätzen und dem, das wir uns verschaffen können, seine Bedeutung nicht nehmen.

Als ich erblindete, begriff ich zunächst, daß ich mich dareinschicken würde, blind zu sein.

In den meisten unglücklichen Situationen - so kann man annehmen - kommt es darauf an, daß man sich zu helfen weiß.

Ist man dazu imstande, so fügt sich die unglückliche Lage meist in den Plan eines glücklichen Lebens ein. Es ist sehr leicht, sich durch ein wenig Nachdenken von traurigen Affekten zu befreien.

Rousseau hat sehr gut gesagt: 'Ich habe erlebt, daß es leichter war zu dulden als sich zu rächen'.

Die meisten Leute schaden einem, ohne überhapt die Absichtzu haben, einem zu schaden. Sie machen feindselige Bemerkungen und sind uns nicht feind. Sie sprechen gegen einen, und sie wollten nicht sprechen. Es war ihnen ein Bedürfnis,  das sie gestillt haben: Sie haben gegen einen gesprochen, weil sie außerstande waren zu schweigen. Diese Leute, die dir wenig Wohlwollen  gezeigt haben, würden dir gerne ihre Dienste erweisen, wenn du sie darum bitten wolltest, und würden diejenigen von ganzem Herzen tadeln, die sie dir gegenüber gelobthaben.

Laß dir Gerechtigkeit widerfahren. Bist du dazu geschaffen, von jedermann gelobt zu werden? Ist, was man gesagt hat, nicht beleidigend, weil du zu feinfühlig bist? Hast du es nicht verdient von dem Augenblick an, da du die Schwäche hattest, dich zu beklagen? War man nicht rücksichtsvoll genug dir gegenüber, so ist man unhöflich, und nicht du bist es. Wäre es wahr, daß man es an Achtung fehlen ließ, niemand hat dich veranläßt, dich an dem Grad der Achtung zu messen, die jemand für dich hat.

Du kannst leicht dich nicht festlegen lassen. Meist ist die Verachtung nur der Verachtung würdig. Die Dinge, die entehren, bringen ihre Wirkung nur hervor, weil man übereingekommen ist, sie nicht zu verachten, und sein Ressentiment nicht zeigen, heißt zustimmen. Wende das Kapitel der Unehre nicht gegen dich selbst, und halte dich an seine seine Vorschriften.
(Aus Montesquieu, "Über das Glück")

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert