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Politisches Schaufenster

Wenn der Friedrich Merz, der  Rolf Mützenich und Britta Haßelmann mit Frank-Walter Steinmeier  reden

Von David Cohnen

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, sowie die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, haben sich mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier getroffen, um über die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers zu beraten und einen möglichen Termin für Neuwahlen zu besprechen.

Die Besprechung der Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und Union beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier endete mit einer Einigung auf einen Zeitplan für Neuwahlen. Die wichtigsten Ergebnisse sind:

Bundespräsident Steinmeier hat den vorgeschlagenen Zeitplan für Neuwahlen gebilligt
Der 23. Februar 2025 wurde als Termin für die vorgezogene Bundestagswahl festgelegt
Bundeskanzler Olaf Scholz wird am 16. Dezember 2024 die Vertrauensfrage im Bundestag stellen
Steinmeier hat angekündigt, im Falle eines Misstrauensvotums rasch über eine Auflösung des Bundestags zu entscheiden
Der Bundespräsident wird vor der Auflösung des Bundestags Gespräche mit den Vorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien führen
Steinmeier betonte die Wichtigkeit von Transparenz und Integrität des Wahlprozesses für das Vertrauen in die Demokratie
Der Bundespräsident warb dafür, dass alle Fraktionen der Mitte verantwortungsvoll darüber beraten, welche Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können, um die Sicherheit und internationale Verlässlichkeit Deutschlands zu gewährleisten

Doch auf welcher Rechtsgrundlage fand dieses Treffen statt? Waren diese vier Personen überhaupt befugt, über solche Fragen zu entscheiden und einen Wahltermin festzulegen?

Das beschriebene Treffen zwischen den Fraktionsvorsitzenden der CDU, SPD und Grünen sowie dem Bundespräsidenten und die Diskussion über die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers und einen möglichen Bundestagswahltermin werfen interessante Fragen bezüglich der verfassungsrechtlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten auf. Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns mit den relevanten Bestimmungen des Grundgesetzes (GG) beschäftigen.

Die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
Gemäß Artikel 68 GG kann der Bundeskanzler dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Sollte der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen verweigern, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen. Dies ist jedoch kein automatischer Prozess, sondern unterliegt der Entscheidung des Bundespräsidenten. Die Vertrauensfrage und eine mögliche Auflösung des Bundestages betreffen primär den Bundeskanzler, den Bundestag und den Bundespräsidenten.

Kompetenz der Fraktionsvorsitzenden
Die Fraktionsvorsitzenden haben in diesem Kontext keine verfassungsrechtliche Kompetenz, um über die Einbringung einer Vertrauensfrage oder die Auflösung des Bundestages zu entscheiden. Sie können jedoch im Rahmen informeller politischer Gespräche und Verhandlungen eine gemeinsame politische Linie abstimmen oder ihre Positionen darlegen. Das Treffen mit dem Bundespräsidenten könnte also als informeller Austausch über die aktuelle politische Lage interpretiert werden, bei dem die Fraktionsvorsitzenden ihre Sichtweise dargelegt haben. Entscheidend ist, dass formell nur der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellen kann.

Falls dieses Treffen tatsächlich so stattgefunden hat, handelt es sich eher um eine politische Absprache, die jedoch rechtlich keinen bindenden Charakter hat und die verfassungsmäßigen Verfahren nicht ersetzt.

Hier sind die Schritte zur Vertrauensfrage, Abwahl des Bundeskanzlers, Auflösung des Bundestages und Festlegung eines Wahltermins gemäß dem Grundgesetz kurz zusammengefasst:

1. Stellen der Vertrauensfrage (Art. 68 GG)
Initiative: Der Bundeskanzler kann dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen, z.B. mit der Formulierung: "Stimmt der Bundestag meiner Politik zu?".
Abstimmung: Der Bundestag stimmt über die Frage ab.
Ergebnis:
Vertrauen wird ausgesprochen: Die Regierung bleibt im Amt.
Vertrauen wird verweigert: Der Bundeskanzler kann den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen.
Frist: Zwischen dem Stellen der Frage und der Abstimmung müssen mindestens 48 Stunden liegen.

Entscheidend ist, dass der Bundeskanzler den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestages bitten kann, aber dazu nicht verpflichtet ist.

2. Auflösung des Bundestages (Art. 68 GG)
Vorschlag des Bundeskanzlers: Nach einer verlorenen Vertrauensfrage kann der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorschlagen.
Entscheidung des Bundespräsidenten: Der Bundespräsident kann den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen, ist jedoch nicht verpflichtet dazu.
Neuwahlen: Werden angeordnet, müssen Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
Vorschlag der Bundesregierung: Die Bundesregierung schlägt dem Bundespräsidenten in der Regel einen Termin für die Neuwahlen vor. Das ist der übliche Prozess, um den Wahltermin in Abstimmung mit den Ländern und der Wahlleitung festzulegen.
Entscheidungsbefugnis des Bundespräsidenten: Der Bundespräsident muss diesem Vorschlag nicht folgen. Er hat das letzte Wort und kann den Wahltermin auch abweichend festlegen, solange er die verfassungsrechtlichen Vorgaben einhält. Der Termin muss innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestages liegen (Art. 39 Abs. 1 GG).
Praktische Umsetzung: In der Praxis orientiert sich der Bundespräsident oft am Vorschlag der Bundesregierung, vor allem aus Gründen der politischen Abstimmung und um eine reibungslose Durchführung der Wahl zu gewährleisten. Dennoch bleibt ihm die Freiheit, einen anderen Termin festzulegen, wenn es beispielsweise organisatorische Bedenken gibt.

Die Bundesregierung bittet den Bundespräsidenten zwar um die Festlegung eines bestimmten Wahltermins, aber der Bundespräsident kann diesen nach eigenem Ermessen festsetzen.

Fazit:
Die Besprechung zwischen den Fraktionsvorsitzenden der CDU, SPD und Grünen sowie dem Bundespräsidenten hatte keinerlei rechtliche Relevanz - sie war schlichtweg ein politisches Schaufenster ohne verbindliche Konsequenzen. Es wurde keinerlei rechtsverbindliche Entscheidung getroffen, die das politische Geschehen in irgendeiner Weise verändern könnte. Olaf Scholz bleibt weiterhin derjenige, der das Heft des Handelns in der Hand hält, und es liegt ausschließlich in seiner Verantwortung, die Vertrauensfrage zu stellen oder den Weg für Neuwahlen freizumachen. Allein er kann entscheiden, ob und wann es zu einer politischen Wende kommt - die Fraktionsvorsitzenden, selbst wenn sie sich mit dem Bundespräsidenten beraten haben, sind dabei weitgehend machtlos.

Die Tatsache, dass der Bundespräsident und die Fraktionsvorsitzenden in dieser Besprechung lediglich den politischen Austausch suchten, ändert nichts an der dominierenden Rolle von Olaf Scholz. Sollte die Opposition, vertreten durch Friedrich Merz, auf eine Veränderung im Kanzleramt hoffen, kann sie dies nur durch den konstruktiven Misstrauensantrag erreichen. Solange dieser nicht gestellt wird, bleibt Scholz im Amt - selbst bis zum offiziellen Wahltermin im September 2025.

Zusammengefasst: Die Verantwortung liegt klar bei Friedrich Merz. Wenn er tatsächlich vorhat, den Kanzler abzusetzen und selbst ins Amt zu kommen, kann er dies innerhalb von 52 Stunden mit einem konstruktiven Misstrauensantrag tun. Sollte er sich dagegen entscheiden, wird Olaf Scholz weiterhin die politische Bühne dominieren.

Es bleibt abzuwarten, ob im Gespräch zwischen den Fraktionsvorsitzenden der CDU, SPD und Grünen mit dem Bundespräsidenten bereits Überlegungen zu einer schwarz-rot-grünen Koalition, sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft, angestellt wurden.

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