Auf genaues Rechnen kommt es an
Von David Cohnen
Die Oberbürgermeisterwahlen 2025 in NRW brachten überraschende Ergebnisse: In Mülheim und Dortmund wurden mit Nadia Khalaf (SPD) und Alexander Omar Kalouti (CDU) erstmals zwei Kandidaten mit arabischem Hintergrund gewählt, beide mit klarer Migrationsagenda. Die Stichwahlen zeigten jedoch deutliche Demokratiedefizite: sinkende Beteiligung, knappe Resultate und Siege durch kleine, mobilisierte Wählerschaften. Während die AfD in anderen Städten Stimmen zulegte, verhinderten geschlossene Parteienbündnisse ihren Erfolg. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob die Resultate Ausdruck gesellschaftlicher Repräsentation oder zufälliger Umstände sind.
Bei der Oberbürgermeisterwahl in Mülheim an der Ruhr wurde nun einen Tag später eine Auszählpanne offenbar: Zunächst wurde die SPD-Kandidatin Nadia Khalaf als Siegerin mit rund 67 Stimmen Vorsprung verkündet. Eine routinemäßige Überprüfung ergab, dass die Stimmen eines gesamten Briefwahlbezirks vertauscht wurden - die Stimmen für CDU-Amtsinhaber Marc Buchholz waren fälschlich der SPD zugeordnet und umgekehrt. Nach Korrektur liegt Buchholz nun mit etwas über 100 Stimmen vorn; das amtliche Endergebnis bestätigt der Wahlausschuss voraussichtlich am 2. Oktober. Untersuchungen sprechen bislang für einen Auszählfehler; Hinweise auf bewusste Manipulation fehlen. In Deutschland erschweren Mehr-Augen-Prinzip, öffentliche Auszählungen und Kontrollen Wahlbetrug, und ein Nachweis absichtlicher Manipulation wäre ohne konkrete Belege schwierig.
Das lenkt den Blick auf das Wahlergebnis des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Bundestagswahl 2025. Das BSW erzielte 4,98 Prozent der Zweitstimmen und verfehlte damit die Fünf-Prozent-Hürde um rund 9.500 Stimmen (0,02 Prozentpunkte). Der Einzug in den Bundestag aus.
Das BSW klagte zunächst vor dem Bundesverfassungsgericht. Es bemängelte die fehlende Möglichkeit einer sofortigen Neuauszählung bei knappen Ergebnissen und eine Benachteiligung durch die Stimmzettelreihenfolge. Die Klage wurde abgewiesen; das Gericht verwies auf das reguläre Wahlprüfungsverfahren im Bundestag.
Daraufhin legte das BSW Einspruch beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages ein. Dieser musste erst konstituiert werden, weshalb sich das Verfahren verzögerte. Das BSW fordert eine schnelle Entscheidung und droht andernfalls mit einer erneuten Verfassungsbeschwerde. Eine gesetzliche Frist existiert nicht, sodass sich der Prozess voraussichtlich über Monate oder Jahre hinziehen kann. Das BSW verweist auf mögliche Auszählungsfehler: Bei Stichproben seien rund 4.500 falsch bewertete Stimmen gefunden worden. Die Partei fordert deshalb eine vollständige Neuauszählung aller Zweitstimmen, betont jedoch, keine gezielte Manipulation zu unterstellen.
Es ist entscheidend zu klären, ob die Kritik des BSW berechtigt ist, da hiervon das Vertrauen in demokratische Institutionen, die Rechtsstaatlichkeit und die Legitimität der Wahl abhängt. Nur wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Ergebnis korrekt zustande kam, lassen sich politische Stabilität sichern, zukünftige Wahlen stärken und der Eindruck vermeiden, dass Parteien durch formale Mängel benachteiligt werden.
Die Verzögerungen im Wahlprüfungsausschuss lassen sich nicht nur durch fehlende gesetzliche Fristen erklären, sondern auch durch politische Überlegungen der Abgeordneten. Ein schneller Einzug des BSW in den Bundestag würde die knappe Mehrheit der derzeitigen Bundesregierung aufheben, da eine zusätzliche Partei im Parlament vertreten wäre. Vor diesem Hintergrund handeln Abgeordnete und institutionelle Gremien besonders vorsichtig, um sowohl formale Korrektheit zu wahren als auch politische Stabilität und Machtpositionen zu sichern.
Sowohl in Mülheim als auch beim BSW zeigt sich, dass knappe Wahlergebnisse selbst bei funktionierenden Kontrollmechanismen anfällig für Auszählfehler sind. Während in Mülheim die Konsequenzen auf kommunaler Ebene begrenzt blieben, hätte eine fehlerhafte Auszählung beim BSW direkte Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und die Stabilität der Bundesregierung. Beide Fälle verdeutlichen die zentrale Bedeutung von präziser Auszählung, transparenten Verfahren und institutionellem Vertrauen für die demokratische Legitimation.