Die ganz große Bigotterie auch in Straßburg
Von PROF. HARALD WEYEL
Am 8. April hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats einen Beschluß gefaßt, in dem er Georgien Verstöße gegen die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte vorwirft. Anlaß für die Anwürfe gegen Georgien sind der EU-Kurswechsel bzw. die EU-Beitrittsverhandlungspause der etablierten und erneut bestätigten Regierungspartei „Georgian Dream“. Derselben Partei also, die vor Jahren noch den Beitrittswunsch in die Verfassung aufnehmen ließ. Dies vor allem dank der Fehlentwicklungen und Übergriffigkeiten aus Brüssel, die über die Einfliußnahme auf die georgische Innenpolitik auf deren Außenpolitik zielt und erneut in den laufenden Großkonflikt mit Rußland ziehen will.
Als Gegenmaßnahme der georgischen Regierung muß auch die Registrierungspflicht für ausländisch finanzierte NGOs, die übrigens in ähnlicher Form (mit teils hoher Strafbewährung) seit Jahrzehnten in den USA existiert, und vor Jahren sozusagen auch von Rußland übernommen wurde. Genau diese NGOs sind es, die weder die gewählte Regierung noch das gewählte Parlament anerkennen, und nun für Krawalle in Tiflis sorgen — und dies sogar gegen den Willen von Teilen der Opposition. Wohl aber mit Billigung und Unterstützung Brüssel und gewisse nationale Regierungen.
Nicht erst mit diesem Beschluß hat der – immerhin nicht „en gros“ fremdes Steuergeld verteilende – Europarat mit seinen 47(-1) Mitgliedern seine Unschuld und Chancen als „ehrlicher Makler“ verspielt. Mit seiner ewig gleichen „linksliberalmittigradikalen“ Mehrheit wurde er schon vor dem Februar 2022 mehr und mehr zum Ankurbler und Durchlauferhitzer für höchst zeitgeistige Interventionen sowie einseitige Stellungnahmen und Sanktionen gegen ausgesuchte Mitgliedsländer, die dann von EU und NATO entsprechend nachbehandelt werden. Schade drum!
Ich dagegen setz(t)e mich im Europarat für alte/neue Diplomatie ein, insbesondere mit den Kollegen, die allem bigotten Werteimperialismus skeptisch gegenüberstehen. So habe ich zum Beispiel eine Initiative eines jungen bulgarischen Abgeordneten unterstützt, das demokratisch legitimierte Referendum über den Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone anzuerkennen. Zur generellen Einordnung des €-EU-Geschehens: Bulgarische Parlamentsmehrheit, Präsident und Verfassungsgericht setzten sich nämlich schon seit dem 7. Juli 2023 über den erklärten Volkswillen einer Petition mit über 600.000 Zeichnern hinweg, ein Referendum zur Verschiebung des Beitritts zur EU-€-Zone durchzuführen, der nämlich frühestens im Jahre 2043 erfolgen sollte. Und 80 Prozent der befragten Bulgaren sprechen sich in Umfragen dagegen aus. (Was zu Protesten führt und führte, von denen fast nie berichtet wurde — ganz im Gegensatz zu denen, die in die immer gleiche „EU-ropa“-Agenda passen!)
Darüber hinaus sollte der Europarat die gewaltsame Niederschlagung von Demonstrationen auch gegen diesen Quasi-Staatsstreich untersuchen, wenn er den Anspruch hat, weltweit und zumindest in den immerhin noch 47-1-Mitgliedsländern unparteiisch „Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat“ zu wahren. Und nicht erst seit (aktuell) ein Zeitungsredakteur in Deutschland zu sieben Monaten Haft auf Bewährung für ein Satire-Meme verurteilt werden kann, wird klar, daß gerade der vermeintliche Musterschüler Deutschland schon lange, lange als waschechter Beobachtungsfall gelten muß, um es korrekt im deutschen System-Neusprech auszudrücken.
PS: Übrigens ist dies jetzt zunächst mein letzter Amtskommentar, da ich nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag auch nicht mehr der Delegation im „Europarat“ sowie der weit weniger spektakulären „Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung“ angehöre. Künftige Kommentare dann nur noch als Wissenschaftler, Bürger und Mitglied einer wahrhaft alternativen „Zivilgesellschaft“!
(Im Original erschienen auf harald-weyel.de)
(pi-news.net)