Schreit Deutschland noch einmal "Ja"?
Von WOLFGANG HÜBNER
Künftige Historiker werden viel Fleiß darauf verwenden, um zu analysieren, wie und warum die Mächte des sogenannten Westens sich im Ukraine-Konflikt in eine aus heutiger Sicht fast ausweglos erscheinende Situation hineinmanövrierten. Denn nimmt man die Stellungnahmen aus Washington, London und Paris ernst, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder die Eskalation des Ukrainekrieges zu einem großen europäischen Krieg mit Weltkriegspotential oder einen großen Gesichts- und Machtverlust des Westens, insbesondere der auf der Dollardominanz beruhenden Supermacht USA.
Diese erschreckende Alternative ist deshalb so brandgefährlich, weil Russland in den letzten Tagen keinen Zweifel mehr daran gelassen hat, dass jeder ukrainische Angriff mit amerikanischen oder britischen Langstreckenraketen auf russisches Territorium mit Gegenangriffen auf amerikanische oder britische Einrichtungen innerhalb und außerhalb der Ukraine beantwortet wird. Moskau will mit dieser sehr ernst zu nehmenden Drohung Pläne der Westmächte vereiteln, mit Hilfe des Regimes in Kiew Attacken auch auf russische Städte zu unternehmen, um die Führung in Moskau vor der eigenen Bevölkerung zu blamieren und Russland doch noch zu besiegen.
Anlass dazu war vor allem die Äußerung des britischen Außenministers David Cameron, der sagte, die Ukraine habe das Recht, die gelieferten britischen Waffen gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Deshalb wurde am Montag der britische Botschafter in den Kreml einbestellt, um ihm die möglichen Folgen deutlich zu machen. Das ist eine schwerwiegende Eskalation in dem Konflikt, die von den deutschen Medien in absolut verantwortungsloser Weise nur oberflächlich oder gar nicht behandelt wird. Nach der Weigerung von Kanzler Scholz, Kiew Taurus-Marschflugkörper zu liefern, wollen nun offenbar Briten und Amerikaner ins ganz große Risiko gehen.
Was das für Deutschland bedeuten kann, sollte klar sein. Russische Vergeltungsschläge gegen die zahlreichen britischen und amerikanischen Stützpunkte im Bundesgebiet böten sich Moskau besonders gut an. Einmal mehr würde in einem solchen Fall auf katastrophale Weise deutlich werden, dass Deutschland faktisch weiter ein besetztes Land ist. Im Kriegsfall, dem sich die Entwicklung immer mehr nähert, wird Deutschland unweigerlich das Schlachtfeld werden, für das es schon im Kalten Krieg vorgesehen war. Dass der Großteil der deutschen Bevölkerung sich dieser Gefahr nicht bewusst ist, kann sich auf dramatische Weise schon sehr bald ändern. Doch dann wird es zu spät sein.
(pi-news.net)