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Höckes Immunität

“Aufhebung von Immunität” bleibt beim Wähler hängen

Von GÖTZ KUBITSCHEK*

Der Justiz-Ausschuß des Thüringer Landtags hat zum 7. Mal die Immunität Björn Höckes aufgehoben. Grund ist, daß die Staatsanwaltschaft Halle/Saale ein Ermittlungsverfahren gegen Höcke betrieben und nun Anklage erhoben hat. Höcke habe öffentlich eine nationalsozialistische Parole vorgetragen.

Wir sprechen vom Abschluß einer Wahlkampfrede, die Höcke Ende Mai 2021 in Merseburg hielt, vor fast zwei Jahren also. Wer Höckes Redestil kennt, weiß, daß er dort, wo er wirbt und um Wählerstimmen kämpft, gern mit einem Dreiklang abbindet: „Es lebe Thüringen, es lebe unser Deutschland, es lebe das wahre Europa!“

Das läßt sich von Bundesland zu Bundesland variieren. In Merseburg nun griff Höcke spontan den Wahlkampf-Slogan der dortigen AfD auf, die mit der Parole “Alles für unsere Heimat” später ein starkes Ergebnis erzielte. Höcke rief den Wählern zu: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!“

“Alles für Deutschland” war einer der Wahlsprüche der SA, der Spruch zierte Ehrendolche. Aber Höcke sprach diese drei Wörter nicht deswegen, selbstverständlich nicht deswegen, auch nicht nach Abwägung, ob es statthaft sei, sie zu sprechen. Er rief sie als Baustein eines Dreischritts, einer sich steigernden Kaskade, am Ende einer Rede, in der nichts von dem enthalten war, was nun durch das Strafverfahren unterstellt werden soll: augenzwinkende oder offensichtliche Nähe zur Sturmabteilung eines totalitären Regimes.

Es ist das siebte Mal, daß Höckes Immunität aufgehoben wird, und es ist das siebte Mal, daß dies aufgrund eines “Meinungsdeliktes” geschieht. Immer geht die Anzeige eines politischen Gegners (eher: Feindes?) voraus, kein Mal ist Höcke aus einer solchen Ent-Immunisierung als Verurteilter oder belegt mit einer Strafe entlassen worden.

Aber die Absicht, die der politische Gegner verfolgt, ist – von den Ermittlungsergebnissen völlig unabhängig – bereits mit der öffentlichkeitswirksamen Aufhebung der Immunität erfüllt. “Aufhebung von Immunität” bleibt als Nachricht beim Wähler auf dieselbe Weise hängen wie etwa die dramatischen Aussagen von Verfassungsschutzämtern, daß es “Verdachtsmomente” gebe. Es mag im Nachgang alles unhaltbar gewesen sein – man wird dennoch nicht ohne Grund ermittelt haben.

Weil er um die Institutionengläubigkeit unserer Landsleute weiß, hat Höcke schon früh gefordert, die völlig irrelevante “Immunität” von Abgeordneten überhaupt auszusetzen und am besten ganz abzuschaffen. Denn nur ihre Aufhebung ist als politische Waffe eine Meldung wert, sie schützt ja gerade nicht vor absurden Vorwürfen und Verfahren. (Aus demselben Grund kämpft die AfD mit Blick auf die politische Waffe Verfassungsschutz dafür, daß “Verdachtsmomente” nicht mehr als Nachricht der Ämter an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürften, sondern nur noch gesicherte Erkenntnisse.)

Was fällt auf, wenn man die Rahmenbedigungen der 7. Aufhebung der Immunität Höckes analysiert?
1. Das Verfahren ist verschleppt worden und wird in einem Moment präsentiert, in dem die AfD in Thüringen als stärkste Kraft gehandelt wird, mit zunehmendem Abstand zur regierenden Linkspartei und gegen den Bundestrend weit vor der CDU.

2. Die Staatsanwaltschaft Halle überspringt eine Instanz, indem sie Höckes Fall gleich von der Großen Strafkammer verhandeln läßt. Weder die Prominenz Höckes noch das “Gewicht” des Falles lassen eine solche Entscheidung zu.

3. Im Rahmen der Ermittlungen sind Mitarbeiter und Parteifreunde Höckes befragt worden. Einige berichteten von Fragen, die für die Ermittlung des Sachverhalts völlig irrelevant sind. So habe man sich mehrfach danach erkundigt, was solche Verfahren “mit Höcke machten”, also inwiefern sie ihn belasteten, von der Arbeit abhielten, ihn zermürbten und sein Verhältnis zur Partei und zu innerparteilichen Konkurrenten beeinflußten.

Höcke hat sich in einer Stellungnahme nicht nur über den Vorwurf an sich, sondern vor allem auch über diese Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörde geäußert. Im Wortlaut:
"Wie kann es sein, daß die Staatsanwaltschaft Halle für eine Marginalität nicht nur zweimal meine Immunität aufheben läßt, sondern ein Verfahren eröffnen will und mir dabei auch noch durch die beabsichtigte direkte Anrufung der Strafkammer eine Tatsachseninstanz nehmen möchte? Kann es sein, daß man hier maximale Öffentlichkeit produzieren will bzw. wie kann es sein, daß es für „Prominente“ Sonderrecht gibt?
Wie kann es sein, daß die Staatsanwaltschaft Halle in dieser Sache durch die Polizei in Thüringen Zeugenbefragungen bei meinen Mitarbeitern, amtierenden und ehemaligen Landesvorstandsmitgliedern durchführen ließ, bei denen explizit Fragen gestellt wurden, die überhaupt nicht zur Sachverhaltsaufklärung beitragen konnten?
Wie kann es sein, daß in den Vernehmungen durch die Polizei Fragen dahingehend gestellt wurden, ob die zahlreichen Anzeigen bzw. Immunitätsaufhebungen mit Herrn Höcke etwas machen würden? Wollte man hier etwa die Zersetzungswirkung der Justizkeule evaluieren? Erkennen wir hier vielleicht die Spitze eines Justizskandals, eines Komplotts, der wiederum juristisch bzw. parlamentarisch aufgearbeitet werden muß?
Und wie kann es sein, daß die Staatsanwaltschaft Halle für die strafrechtliche Verfolgung eines rhetorischen Stilmittels viel Zeit und Geld einsetzt, während die Gewaltkriminalität in Deutschland explodiert und die Justiz über völlige Überlastung klagt?"

Man wünscht sich eine tatsächlich objektive Instanz, die solche Fragen beantworten würde, aber auf eine solche Instanz zu hoffen und zu pochen, ist naiv, ist beinahe kindisch, jedenfalls aus machtpolitischer Sicht nichts wert. Unabhängigkeit von politischer Machenschaft sollte man von der Justiz erwarten dürfen, eine zusätzliche Instanz ist nicht nötig.

Höcke weist in seiner Stellungnahme zurecht darauf hin, daß in undemokratischen Regimen die Justiz immer schon gegen die Opposition in Stellung gebracht worden sei. Immer sei es darum gegangen, diese Opposition zu diskreditieren, zu verängstigen und mit Abwehrarbeit gegen Verleumdung zu beschäftigen.

"Der mißbräuchliche Einsatz von Strafanzeigen, Immunitätsaufhebungen und Prozessen gegen legale wie legitime Oppositionelle jedweder politischer Coleur muß beendet werden. Das freie Mandat drückt sich auch in der Spontanität der Rede aus. Wenn wir in einen Zustand abgleiten, in dem jede politische Rhetorik vorher von zwei Juristen geprüft werden muß – wobei auch hier gilt: zwei Juristen, drei Meinungen! – dann ist es um die freiheitliche Demokratie in unserem Land wahrlich schlecht bestellt."

Das ist alles durchdacht. Dickleibige Bücher über die Perfidie der “totalitären Demokratie” und über die Endlosschleife in von Parteien und Partikularinteresse erbeuteten Staaten beschreiben die Vorgänge, die im Fall Höckes ablaufen: Denn wenn Parteien darüber entscheiden, wer Richter wird und wer Behörden leitet, deren Status und Ruf auf “Unabhängigkeit” gründet, können diese Parteien eben diesen Nimbus der Unabhängigkeit gegen den politischen Gegner drehen.

Aus dieser Schleife ist mit Appellen ans gute Gewissen und an die einst anders gemeinte Gewaltenteilung nicht zu entkommen. Es geht um Machtfragen. Korrigiert werden kann der Mißbrauch nur mit Macht.

Für Höcke geht es darum, das, was ertragen werden muß, zu ertragen und dennoch mit guten Anwälten den billigen Stich, den der politische Feind führen möchte, abzuwehren.

Wir müssen uns darüber hinaus im Klaren sein, daß im Falle eines Wahlsieges der AfD in Thüringen oder anderswo – im Falle einer Machtoption also, der Vorwurf, Wörter verwendet zu haben, die schon andere verwendeten, noch das Geringste sein wird.
*Im Original erschienen auf sezession.de
(pi-news.net)

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