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Immer ein fleißiger Jäger sein

Was dem Fürsten in Hinsicht auf Kriegswesen obliegt

Von Nicolò Machiavelli

Es darf daher ein Fürst keinen andern Gegenstand noch Gedanken haben, noch irgend zu seinem Handwerk was andres wählen, außer dem Krieg und die Ordnung und Disziplin desselben, weil dieses das einzige Handwerk ist, das dem Befehlenden geziemt, und sich so kräftig erweist, daß es nicht nur die geborenen Fürsten aufrecht erhält, sondern selbst öfters Privatpersonen zu dieser Stufe befördert hat. Und im Gegentheil sieht man, daß, wenn die Fürsten mehr auf die Weichlichkeiten als auf die Waffen bedacht gewesen sind, sie ihre Staaten verloren haben. Und die erste Ursache, die dich darum bringt, ist die Verachtung dieses Handwerks; die Ursach, die dir dazu verhilft, ist die Meisterschaft in diesem Handwerk.

Francesco Sforza wurde, weil er bewaffnet war, aus einem Privatmann Herzog von Mailand; und seine Söhne wurden, weil sie das Ungemach und die Anstrengungen der Waffen scheuten, aus Herzögen Privatleute. Denn das Unbewaffnetseyn, neben andern Schäden, die es dir zufügt, macht dich verächtlich, welches eine jener Schimpflichkeiten ist, vor denen ein Fürst sich hüthen muß, wie unten gesagt werden wird: denn zwischen einem Bewaffneten und einem Unbewaffneten findet gar kein Verhältniß statt; und es widerspricht der Vernunft, daß wer bewaffnet ist, von freien Stücken Dem, der es nicht ist, gehorchen, und daß der Unbewaffnete unter [60] seinen bewaffneten Dienern sicher seyn sollte: weil, wo in dem Einen Verdacht, und im Andern Geringschätzung ist, sie unmöglich zusammen gutthun können. Und darum kann ein Fürst, der auf die Miliz sich nicht versteht, des übrigen Mißgeschicks zu geschweigen, wie gedacht, von seinen Soldaten weder geachtet seyn, noch ihnen trauen.

Er darf daher die Gedanken niemals von dieser Übung des Krieges wenden, und muß sich im Frieden darinnen mehr als im Kriege üben: was er auf zweyerlei Art thun kann: erstens mit Werken, und dann im Geiste. Und was die Werke betrifft, so muß er, außer daß er die Seinigen in guter Ordnung und Übung erhält, immer ein fleissiger Jäger seyn, und mittelst dessen den Körper an die Strapazen gewöhnen, und nebenher die Natur des Bodens erlernen, merken, wie die Berge sich erheben, wie die Thäler ausgehen, wie die Ebenen sich flächen, die Natur der Flüsse und Sümpfe einsehen, und hierauf die größte Sorge verwenden.

Zwiefach ist diese Kenntniß nützlich: ernstens lernt er sein Land so kennen, und die Vertheidigungen desselben besser verstehen; sodann begreift er mittelst der Kenntniß jener Posten und der Vertrautheit mit ihnen, leicht jeden andern Posten, den er von neuem erforschen muß; weil die Hügel, die Thäler, die Ebenen, Flüsse und Sümpfe, die z. B. in Toskana sind, mit denen anderer Provinzen gewisse Ähnlichkeit haben; so daß man von der Erkenntniß der Posten einer Provinz mit Leichtigkeit zur Erkenntniß der andern kommen kann. Und dem Fürsten, dem diese Erfahrung fehlt, fehlt das erste nöthigste Stück zu einem Feldherrn; denn diese lehrt, mit Vortheil dem Feind entgegen gehen, Quartiere schlagen, Schaaren führen, Bataillen ordnen, Festen belagern. Philopoimen, der Achaier-Fürst, [61] erhält, nebst anderm Lob, womit ihn die Scribenten bedenken, auch dieses, daß er in Friedenszeiten nie etwas andres bedacht als die Fälle des Kriegs; und wenn er mit den Freunden im Freien gewesen, habe er oft angehalten, mit ihnen berathschlagt: wenn der Feind auf jener Höhe stünd, und wir mit unserm Heer auf dieser Seite, wer von uns würde im Vortheil seyn?
(Aus "Der Fürst" von Nicolò Machiavelli)

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