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Selbstmord?

Senecas Tod, Historiengemälde aus dem Jahr 1871 von Manuel Domínguez Sánchez, heute im Prado in Madrid. (Wikipedia)

Das Leben hält niemanden fest

Von Lucius Annaeus Seneca

Das Leben darf nicht immer festgehalten werden. Denn zu leben ist noch kein Gut, sondern erst: gut zu leben... Doch wirst du sogar Lehrer der Philosophen finden, die bestreiten, dass man seinem Leben Gewalt antun dürfe, und die es für einen Frevel halten, sich eigenhändig zu töten: Man habe auf das Ende zu warten, das die Natur einem bestimmt hast.

Werso redet, sieht nicht, dass er sich den Weg in die Freiheit versperrt: Nichts hat das ewige Gesetz so gut eingerichtet wie die Tatsache, dass es allen zwar nur eine einzige Möglichkeit, ins Leben einzutreten, gegeben hat, aber viele Möglichkeiten, es zu verlassen.

Soll ich die Grausamkeit einer Krankheit oder eines Menschen abwarten, obwohl ich einen Ausweg mitten durch die Folterungen habe und alles Unglück abschütteln kann? Aus einem einzigen Grund können wir uns über das Leben nicht beklagen: Es hält niemanden fest. Um die menschlichen Angelegenheiten ist es gut bestellt, weil jeder nur aus eigener Schuld unglücklich ist. Gefällt die das Leben? Dann lebe! Gefällt es dir nicht? Du darfst dahin zurückkehren , von wo du gekommn bist.

Ich werde auf das Altwerden nicht verzichten, falls es mr meine Kräfte in vollem Umfang bewahrt, damit meine ich: meine besseren. Sollte das Alter jedoch beginnen, an meinem Verstand zu rütteln und ihn in Teilen zu zerstören, wenn ich nicht mehr lebe, sondern nur noch dahinvegetiere, dann werde ich mit einem Sprung diese morsche. brüchige Behausung verlassen.

Vor einer Krankheit werde ich mit Hilfe des Todes nicht fliehen, vorausgesetzt, sie ist heilbar und beeinträchtigt nicht meine gesitige Verfassung.

Auch wegen eines Schmerzes werde ich nicht Hand an mich legen. Weiß ich hingegen, dass ich diesen Schmerz dauernd ertragen muss, werde ich aus dem Leben gehen, nicht seinetwegen, sondern weil er mich an allem hindern würde, was das Leben lebenswert macht. Ein schwächlicher Feigling ist, wer wegen senes Schmerzes stirbt, ein Dummkopf, wer dem Schmerz zuliebe weiterlebt. (Aus Eplistulae ad Lucilium -  Anmerkung: Seneca musste auf Befehl Neros Selbstmord verüben.)

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