Und seine Lehren für uns
Von Peter Helmes
Der “Cavaliere”, wie Silvio Berlusconi von vielen genannt wurde, war eine Persönlichkeit mit vielen Facetten – guten wie schlechten. Alle meinten, etwas über ihn schreiben oder sagen zu müssen. Doch er paßte in kein Schema – außer dem des „Selfmademans“. Neben seinem Jura-Studium, das er 1961 mit einer beachtenswerten Diplomarbeit über Werbeverträge abschloß, arbeitete er damals auch als Sänger und Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen und in Bars.
Anfangs löste dieser als „politischer Clown“ Verspotteter vor allem Gelächter und Kopfschütteln aus. Doch der Mann, der sich aus dem Nichts zum Reichsten des Landes aufgebaut hatte, traf bei der wachsenden Mittelschicht einen Nerv. Berlusconi warf mit groben Witzen und anzüglichen Äußerungen um sich (Beispiel: „Ich schaue mir gelegentlich schöne Frauen an. Ich finde das besser, als schwul zu sein.” Doch das hat ihm bei den Wählern offenbar nicht geschadet.
Berlusconis wahre Leistung bestand darin, die Mehrheit der Italiener dazu zu bringen, sich mit ihm zu identifizieren. Der durchschnittliche Italiener glaubte ihm. Er glaubte an Berlusconis Wertvorstellungen: Dem Mißtrauen gegenüber den Linken, dem Staat, dem Finanzamt, der Justiz und den Parteien. Und gegen das Establishment, dem Berlusconi trotz seines Reichtums und Erfolgs zumindest zu Beginn nicht angehörte.
Als Berlusconi seine Mitte-Rechts-Partei ‚Forza Italia‘ gründete, waren die führenden Politiker Italiens fast ausschließlich Akademiker oder Intellektuelle, die von den Normalbürgern weit entfernt waren. Dies nutzte Berlusconi geschickt und konsequent für sich aus und kreierte sein Image: Ein System-Outsider hilft den Menschen, die von der Politik nicht berücksichtigt werden. Er wußte jederzeit, was die italienische Bevölkerung will.
Gleichzeitig repräsentierte Berlusconi auch die Unruhe, die Energie, die Ungeduld der Italiener gegenüber Regeln. Berlusconi spürte den Puls der Zeit wie kaum ein anderer. Andere Politiker wie Mussolini wollten die Italiener ändern. Berlusconi mochte die Italiener, so wie sie sind.
Sein populistischer Stil – seine Art, mit den Menschen aller Klassen vorbehaltlos und ohne Dünkel umzugehen – fand Nachahmer in den unterschiedlichsten Versionen, von Europa bis in die USA. Aber vor allem in Italien hinterläßt der ‚Berlusconismo‘ tiefe Spuren. Politisch ebnete der Medienzar den Weg für die Radikalisierung der Politik, indem er Mißtrauen in die Institutionen und politischen Gegner säte. Das liberale Zentrum in Italien bleibt auch dank ihm leer, die Handvoll kleiner Parteien können Wähler nicht mehr überzeugen. Berlusconis Schatten ist zu mächtig.
Und Sozialisten – einstmals neben den Christdemokraten tonangebend – gab Berlusconi nicht den Hauch einer Chance. Seine von seiner Forza Italia geführten Bündnisse gewannen drei Mal die Parlamentswahlen, vier Kabinette führte Berlusconi an. Er war mit 3.339 Tagen an der Macht der längstdienende Ministerpräsident und beendete das jahrelange Karussell kurzzeitig wechselnder Regierungen.
Neben Mussolini war er einer der berühmtesten italienischen Politiker auf der Welt. Den viermaligen Premier kann man aber nicht mit Mussolini vergleichen; denn Berlusconi war weder Faschist noch ein Diktator, er kam durch Wahlen an die Macht und gab sie auch durch Wahlen ab.
Geld, Medin, Macht – und unübertroffene Popularität
Berlusconi hat vielleicht nicht das erfunden, was wir Populismus nennen, aber er hat dem Phänomen mit allem, worüber er verfügte, eine neue Dimension verliehen: Geld, Medien, Charaktereigenschaften und – für italienische Verhältnisse sehr oft – politische Macht. Und er ist so ziemlich mit allem ungestraft davongekommen. Auch bei seinen Freundschaften und Geschäften mit Diktatoren. Die Zusammenarbeit mit Despoten, um die Migration vom armen Süden ins reiche Europa zu stoppen, hat Nachahmer und wird weiter Nachahmer finden. Das ist unvermeidlich.
Natürlich sollte man „Berlusconi“ nicht den Politikern zur Nachahmung empfehlen, dafür hat er zu viele dunkle Flecken auf seiner Weste. Aber man sollte von ihm lernen, daß es allemal besser ist, dem Volke aufs Maul zu schauen, als es zu bevormunden.
Riposa in pace, Cavaliere!
(beischneider.net)