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Die Opfer des Inzwischen

Ohne die Mitwirkung der FDP, das kann man nicht oft genug sagen, hätte es keine Ampel-Politik gegeben

Von PETER M.

Mit dem Ende des Jahres rückt die Zeit seiner Bilanzierung näher, auch was die Gegenöffentlichkeit betrifft. Dafür braucht es geeignete Werkzeuge. Deshalb folgen hier einige Überlegungen zu entspannten Qualitätskriterien, 40 Jahren Erkenntnisverzug, formalem Realismus und den Opfern des Inzwischen.

Das beste Qualitätskriterium für Publizisten dürfte sein, sich entspannt zurücklehnen zu können und zu sagen: “Ich hab’s euch ja gesagt.“ Nicht dass linke Politik katastrophale Folgen hat. Das wäre zu einfach. Sondern rechtzeitig die bürgerlichen Illusionen entlarvt zu haben, die sie erst ermöglicht haben. Ohne die Mitwirkung der FDP, das kann man nicht oft genug sagen, hätte es keine Ampel-Politik gegeben. Ich hab’s euch ja gesagt: Dass die FDP keine standfeste bürgerliche Opposition ist, dass Kubicki eine Täuschung ist, dass die Führung und die Mehrheiten in einer Partei maßgeblich für ihr Verhalten sind und nicht in Talkshows dauerpräsende Quertreiber. Ich habe euch gesagt, dass Merkel die CDU in ihrem Wesen widergespiegelt hat, dass die Hoffnung auf Merz ein Irrtum ist und die CDU eine linke Partei.

Der Satz „Ich hab’s euch ja gesagt“ teilt in Rechthabende und Versager und gilt darum als unfein. Ohne ihn ist Publizistik aber wie ein Fußballturnier ohne Sieger. Auch für sie muss gelten, dass eine Erkenntnis rechtzeitig erfolgen muss, um wertvoll zu sein. Wenn ich meinen Wagen zur Inspektion in die Werkstatt bringe, erwarte ich ja auch, dass ein Defekt schon dann gefunden wird und nicht erst, wenn ich nach der Rückgabe mit dem Auto irgendwo liegengeblieben bin. Nach den Anforderungen, die man im Alltag an Mechaniker, Anlageberater oder Ärzte stellt, sieht es für viele Publikationen der bürgerlichen Gegenöffentlichkeit nicht gut aus. Jeder kann ja für sich selbst nachprüfen, wo man etwa einen Wolfgang Kubicki rechtzeitig richtig eingeordnet oder wo man jede seiner mentalen Entlüftungen auf einem Seidenkissen präsentiert hat.

Wenn man schon nicht richtig lag, sollte man wenigstens aus seinen Fehlern lernen und seine Maßstäbe so ändern, dass man alte Fehler nicht noch einmal machen würde. Es geht hier rein formal darum, überhaupt zu erkennen, dass man einen Fehler gemacht hat und dass man seine Kriterien irgendwie ändern muss: Warum machen „bürgerliche“ Parteien bereitwillig linke Politik? Was sind die Einfallstore? Die Umfragewerte der Ampel-Parteien fallen zwar in den Keller, aber von dieser Aufarbeitungs- und Änderungsbereitschaft ist wenig zu spüren. Im politischen Bewusstsein bleibt das Ampel-Ende merkwürdig stumm. Lieber arbeitet man sich wieder an Angela Merkel und ihrer Biografie ab.

Man muss mit den gescheiterten bürgerlichen Pseudowiderständlern kein Mitleid haben. Vor 40 Jahren gründete sich die Partei „Die Republikaner“ unter Franz Schönhuber, weil ihre Mitglieder meinten, dass mit der CDU keine konservative oder gar rechte Politik möglich sei. Die Zeit seither hat sie überwältigend bestätigt. Wer sich erst jetzt von CDU und FDP abwendet und zögernd der AfD Zugang zu seiner publizistischen Welt gewährt, der kommt eigentlich 40 Jahre zu spät.

Der anständige Konservative beschwört immer, dass sich „am Ende die Realität durchsetzt“. Das Jahr 2024 hat gezeigt, was das bedeutet: Es werden keine Wüsten von blühenden Landschaften überwuchert, der Strand bricht nicht durch das Pflaster der Straße. Die Realität setzt sich als Zusammenbruch durch, nachdem die herrschende Politik alle Ressourcen verbraucht hat, als Insolvenz, Wirtschaftskrise, Überfremdung, Inflation, Gewalt. Wie alt muss man mittlerweile eigentlich sein, um sich daran zu erinnern, dass man als Bio-Deutscher nicht die Minderheit im Straßenbild von Großstädten war, oder dass Deutschland mal eine eigene Währung hatte?

Selbst wenn morgen alle linke Politik (also auch CDU-Politik) zurückgenommen würde, würden ihre Folgen bleiben. Und selbst wenn diese beseitigt werden könnten, wird das Leben, das man bis dahin unter ihrer Einwirkung gelebt hat, ein Opfer dieses Inzwischen bis zur Durchsetzung der Realität geworden sein. Dieses Inzwischen wurde und wird ausgedehnt von jenen, die das Warten auf den bürgerlichen Erlöser wie etwa Friedrich Merz gepredigt und allen jenen in den Rücken getreten haben, die rechtzeitig wirklich Widerstand geleistet haben. Das sollte man beim Bilanzieren weder vergessen noch vergeben.
(pi-news.net)

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