Macht Natur mit dem Klima, was sie will?
Von David Cohnen
Zu dem Thema hatte ich bereits einige Überlegungen angestellt, insbesondere zur Frage, wie Durchschnittstemperaturen zustande kommen und welche Faktoren dabei möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass der Jahresbeginn 2025 mit durchschnittlich 5,32 C bis zum 7. Juni der kälteste seit 2010 war - damals lag der entsprechende Wert bei 5,0?°C. Gleichzeitig fließen in die Ermittlung globaler Durchschnittswerte zahlreiche Messstationen ein, die sich in Städten befinden - also in Gebieten mit dichter Bebauung, großflächiger Versiegelung, technischer Infrastruktur und dauerhaft erhöhten Oberflächentemperaturen. Diese lokal erzeugten Wärmeverhältnisse beeinflussen die Messergebnisse erheblich, werden jedoch kaum differenziert gewichtet.
Hinzu kommt: Viele langjährig betriebene Messstationen in den USA zeigen über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten - in manchen Fällen über 100 Jahre - keine nennenswerte Temperaturveränderung.
Vielleicht war es voreilig, sich frühzeitig auf bestimmte Ursachen festzulegen. Die beobachtbaren Entwicklungen verdienen eine erneute, umfassende Betrachtung.
Ein neuer Faktor ist die Hitzewelle im Atlantik
Ein besonders aufschlussreicher Beitrag erschien am 10. Juni 2025 beim Nachrichtenmagazin Focus (in Kooperation mit dem Netzwerk Earth) unter dem Titel:
"Hitzewelle im Atlantik verblüffte Forscher - jetzt steht die Ursache fest"
Der Artikel berichtet über eine ausgedehnte marine Hitzewelle im Atlantik im Sommer 2023, die zu außergewöhnlich hohen Oberflächentemperaturen führte - teilweise bis zu zwei Grad Celsius über dem langjährigen Mittel. Diese Entwicklung hatte laut Bericht vielfältige globale Auswirkungen: von Hitzewellen in Europa über Korallenbleichen in der Karibik bis hin zu einer intensiven Hurrikansaison.
Die Ursachen dieser Erwärmung überraschten selbst Fachleute: Ein internationales Forschungsteam um Matthew England (University of New South Wales) identifizierte vor allem ungewöhnlich schwache Winde als entscheidenden Faktor. Diese führten dazu, dass sich das Oberflächenwasser des Atlantiks nicht wie üblich mit kühleren tieferen Wasserschichten vermischen konnte, was zu einer raschen und intensiven Erwärmung der oberen zehn Meter führte. Die sonst übliche Tiefenverwirbelung, die bis in 20 bis 40 Meter Tiefe reicht, blieb aus.
Ein zweiter, ergänzender Effekt bestand laut Studie in der geringeren Wolkenbildung infolge strengerer Emissionsvorschriften für die Schifffahrt. Der Rückgang von Schwefelaerosolen in der Atmosphäre ließ mehr Sonnenlicht auf die Meeresoberfläche treffen - besonders in stark befahrenen Seegebieten. Dadurch verstärkte sich regional die Erwärmung zusätzlich.
Selbst der sogenannte "Cold Blob" - eine normalerweise kühle Meeresregion südöstlich von Grönland - erwärmte sich deutlich. Diese Region hatte sich bislang der globalen Erwärmung entzogen, unter anderem wegen kalten Schmelzwassers aus Grönlands Gletschern. Dass sogar hier eine Erwärmung stattfand, wurde von den Forschern als deutliches Zeichen für außergewöhnliche atmosphärische Anomalien gewertet.
Bewertung und Ausblick
Die Analyse der atlantischen Hitzewelle zeigt exemplarisch, wie komplex und dynamisch klimatische Prozesse sind. Es wird deutlich, dass regionale atmosphärische Phänomene - wie Windflauten oder Veränderungen in der Wolkenbildung - sehr wohl eine entscheidende Rolle bei der Erhöhung globaler Durchschnittstemperaturen spielen können.
Diese Erkenntnisse bestärken den Eindruck, dass langfristige Temperaturveränderungen nicht ausschließlich monokausal zu erklären sind. Vielmehr müssen regionale Besonderheiten, technische Veränderungen (wie etwa der Rückgang von Schwefelaerosolen durch politische Maßnahmen) sowie kurzfristige Wetterveränderungen in eine differenziertere Gesamtbetrachtung einfließen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass städtische Messstationen tendenziell höhere Temperaturen aufzeichnen und damit das globale Mittel nach oben verschieben, sollte mehr Gewicht auf ausgewogene, historisch gewachsene Datensätze gelegt werden - wie sie etwa manche ländlichen US-Stationen liefern, die über Jahrzehnte hinweg keine signifikanten Erwärmungstrends zeigen.
Fazit
Die Diskussion um Temperaturanstiege und Klimaveränderungen darf weder politisiert noch dogmatisiert werden. Die marine Hitzewelle im Atlantik verdeutlicht, dass natürliche Variabilität, Wetterveränderungen und menschliche Eingriffe (z.?B. in den globalen Schiffsverkehr) komplex zusammenwirken. Umso wichtiger ist es, Kausalitäten nicht vorschnell festzuschreiben, sondern auf eine transparente und ergebnisoffene Analyse zu setzen.