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Macht ohne Struktur?

BRICS-Gipfel in Brasilien

Von ELENA FRITZ

Der jüngste BRICS-Gipfel in Brasilien hätte ein Meilenstein sein können. Eine geopolitische Wegmarke. Schließlich vereinigt der Block heute bereits mehr Wirtschaftsleistung als die G7 – Tendenz steigend. Und doch bleibt der Eindruck: Die großen Zahlen stehen einer geringen Wirksamkeit gegenüber. Die symbolische Abwesenheit von Chinas Präsident Xi Jinping spricht Bände. Was fehlt, ist nicht das ökonomische Potenzial, sondern die politische Kohärenz. Und vor allem: die Struktur.

Die westliche Hegemonie ruht nicht allein auf Waffen, sondern auf Institutionen: IWF, Weltbank, WTO, SWIFT, Schiedsgerichte, Ratingsysteme – ein globales Steuerungsnetzwerk, das Marktzugang, Investitionen und Sanktionen nach geostrategischen Interessen filtert. Diese Infrastruktur ist das Rückgrat der Pax Americana. Wer gegen sie opponiert, wird nicht zwingend militärisch, aber systemisch isoliert.

Russland hat diesen Zusammenhang längst erkannt. Die russischen Vorschläge innerhalb von BRICS zielten deshalb nicht auf symbolische Resolutionen, sondern auf reale institutionelle Gegenmacht:
Aufbau eines eigenen multilateralen Gerichtshofs für wirtschaftliche Streitigkeiten
Etablierung eines autonomen Abrechnungssystems außerhalb von SWIFT
Einführung einer BRICS-Reservewährung, möglicherweise goldgedeckt
Ausbau der New Development Bank zur geostrategisch handlungsfähigen Investitionsbank
Schaffung eines gemeinsamen Informationsraums zur Unterwanderung westlicher Meinungshoheit
Koordinierte Außen- und Sicherheitspolitik, etwa bei UN-Abstimmungen

Doch die Vorschläge verhallten.

Warum BRICS (noch) nicht funktioniert
Was auf den ersten Blick wie Trägheit wirkt, ist in Wahrheit systemisch: Die BRICS-Staaten eint keine gemeinsame Vision. China profitiert massiv von der bestehenden Weltordnung, Indien ist eng mit dem US-Markt verflochten, Brasilien laviert, Südafrika bleibt rohstoffabhängig – und Russland steht zunehmend isoliert. Vorschläge aus Moskau gelten als „nicht ihre Kriege“, und genau darin liegt das Problem.

BRICS ist derzeit kein System, sondern ein Spiegel divergierender Interessen.
Die Souveränität, die alle Mitgliedsstaaten hochhalten, wird zur größten strukturellen Schwäche. Denn Macht entsteht nicht durch nationale Autarkie, sondern durch koordiniertes Handeln und gemeinsame Regeln. Und genau diese sind nicht in Sicht.

Das geopolitische Vakuum – und die Illusion der Neutralität
Die Welt steuert auf eine neue Blockbildung zu. Der Westen konsolidiert seine Ordnung, während der „Osten“ – so er denn entsteht – weiterhin uneins ist. In dieser Konstellation wird Neutralität zur geopolitischen Fiktion. Wer keine Ordnung schafft, wird in einer fremden Ordnung subsumiert.

Russland erkennt diese Dynamik – nicht aus Idealismus, sondern aus Notwendigkeit. Denn Moskau ist die erste große Nation, die sich nicht nur militärisch, sondern systemisch vom Westen gelöst hat. Doch ohne Partner, die bereit sind, institutionelle Verantwortung zu teilen, wird aus BRICS kein Gegenpol, sondern ein Gesprächskreis.

Fazit
Der BRICS-Gipfel war kein Fehlschlag – aber ein Offenbarungseid.

Solange BRICS keine eigenen Strukturen aufbaut, bleibt der Block eine ökonomische Größe ohne geopolitische Wirkung. Wer den Dollar kritisiert, aber keine Alternativen schafft, bleibt im System, das er überwinden will.

Es reicht nicht, gegen die westliche Ordnung zu sein – man muss eine eigene schaffen.
(pi-news.net)

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