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Schweizer Russlandexperte:

"Der Krieg wird Ende des Jahres vorbei sein“

Der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche, Roger Köppel, weilt seit Samstag in Moskau und führt dort interessante Interviews mit Bewohnern der russischen Hauptstadt. Vor der Lubjanka, dem früheren KGB-Hauptquartier, führte er am Sonntag ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit dem seit über 40 Jahren in Russland lebenden Schweizer Unternehmer und Anwalt Dr. Karl Eckstein. Seine im Video vorgetragenen wichtigsten Kernaussagen über den Ukraine-Krieg, Präsident Wladimir Putin und das Leben in Russland haben wir nachfolgend für unsere Leser niedergeschrieben.

Dr. Karl Eckstein über…

…den Übergang von Jelzin zu Putin: „Unter Jelzin hat diese schauderhafte Privatisierung stattgefunden, wo praktisch das ganze Volksvermögen verscherbelt wurde an ein paar Akteure. Die Verarmung hat eigentlich stattgefunden deshalb, weil die meist in den USA ausgebildeten Personen, die die Berater hier waren, die ganze Privatisierung hier geleistet haben. Die Privatisierung hat nur ganz wenigen Leuten Vorteile gebracht, die Bevölkerung hat sie in Armut gebracht. Der Ausverkauf der Heimat als Privatisierung. Vladimir Putin musste das in Empfang nehmen und das erste, was er sehr gut gemacht hat, ist, er hat dem Volk wieder bewusst gesagt: Wir bauen wieder unser Militär auf, wir zeigen wieder Haltung und wir zeigen uns wieder auf der internationalen Arena. Nicht betrunken aus einem Flugzeug heraus (wie Jelzin), sondern wir treten wieder auf als anerkannte Macht. Diese psychologische Wirkung war das großartigste an ihm, dass die Russen wieder an Selbstvertrauen gewannen. Und dann hat es mit einer relativ geschickten Politik begonnen, dass man die Oligarchen gestoppt hat, dass die Oligarchen nicht mehr – wie das im Westen ist – dass das Kapital sagt, was die Politik zu tun hat. Das hat Putin gestoppt und hat gesagt, jetzt tut ihr, was die Politik sagt.“

…Putin als Feindbild des Westens: „Putin war ja ein Deutschlandliebhaber. Seine beiden Töchter hat er ja in Moskau in die deutsche Schule geschickt, nicht in die russische Schule. Er hat in allem gezeigt, wie sehr er Deutschland liebt und achtet. Wann immer er irgendwie eine Initiative ergriffen hat, wurde er abgewiesen vom Westen. Das ist ein Prozess, der sehr lange gedauert hat und den man ihm heute (in Russland) vorwirft: ‚Du hättest schon viel früher anhand der Fakten wissen und sehen müssen, wie du immer belogen und hintergangen wurdest. Das hätte schon viel früher passieren müssen und du hättest schon viel früher viel härter durchgreifen müssen.‘ Das ist der große Vorwurf, der Putin heute noch in der russländischen Bevölkerung gemacht wird.“

…den Grund des Ukraine-Kriegs: „Das ist doch ganz einfach: Russland bzw. die Sowjetunion wurde betrogen, als man ihr versprochen hat, in Folge der Teilung, dass der Warschauer Pakt sich aus der DDR zurückziehen wolle, aber dafür die Versicherung erhält, die auch amerikanische Außenminister bestätigt haben (James Baker), es gäbe keine Nato-Osterweiterung. Und dann ist sie Schritt für Schritt für Schritt gekommen. Überall amerikanische Waffen und Raketenbasen bis nach Polen und ins Baltikum. Und dann haben die Amerikaner noch den ABM-Vertrag gekündigt (2002), da wurde den Russen klar, jetzt können sie in ein paar Minuten aus Polen und überall die Raketen schicken und wir haben keine Reaktionsmöglichkeit mehr. Und jetzt noch schlimmer: Wenn noch die Ukraine dazu kommt, dann sind diese Raketen ja innerhalb einiger Minuten in Moskau und in einigen der wichtigsten russischen Städten. Das darf nicht sein, das wäre ja politischer Selbstmord das zuzulassen.“

…den Kriegsverlauf: „Meine Prognose ist, dass spätestens Ende dieses Jahres der Krieg zu Ende sein wird und dass die Russen dann diktieren werden, was mit der Ukraine geschieht. Die russische Kriegs-Taktik war am Anfang fürchterlich, die russische Armee ist am Anfang absolut unvorbereitet einmarschiert, hat junge Menschen geopfert. Aber jetzt hat sich einiges geändert. Wenn man sich jetzt die russische Taktik anschaut, sind die russischen Opfer im Verhältnis viel viel kleiner und die ukrainischen Chancen mit ihrer Munitionsknappheit da noch einen großen Gegenangriff zu starten, ist schon fast lächerlich.“

…die Zukunft des Dollars: „Das angelsächsische Imperium mit seinen Vasallen und Kolonialgebieten wie Westeuropa wird vor dem ökonomischen Zusammenbruch stehen. Es wird ein katastrophaler ökonomischer Zusammenbruch werden, sobald die Brics-Staaten im August dieses Jahres ihr neues alternatives Währungshandelssystem einführen werden. Dann werden sehr, sehr viele Länder im Handel umsteigen in die neue Währung. Und dann will ich mal sehen, wie die Amerikaner ihre Ausgaben finanzieren, wo sie schon jetzt ihre Food Stamps um 50 Prozent streichen mussten. Wie das dann aussehen wird, wenn man nachher nicht mehr einfach nur Dollars drucken kann zur Finanzierung der eigenen Unkosten.“

…den Westen: „Der Westen leidet an einem Kulturzerfall. Eine Nation, die stabil und innenpolitisch stark ist, kuturell geeint ist, die hat Erfolg. Aber schauen Sie doch mal die westlichen Staaten an mit diesem Import von allen Kulturen, die die paar wenigen deutschen Steuerzahler noch finanzieren müssen. Die ihnen dann aber vorschreiben, ob sie noch Schweinefleisch essen dürfen in den Schulen oder nicht. Bei diesem innenpolitischen Wertezerfall ist es ja nicht nur eine ökonomische Frage.“

…das Faszinierendste an Russland: „Das ist sehr schwierig, in ein zwei Worte zu fassen. Mir gefallen die Russen. Im Großen und Ganzen sind sie sehr intelligent und haben einen Humor, wo selbst der englische Humor nur noch ein billiger Abklatsch ist. Sie haben einen spontanen Humor in allem, sie nehmen den größten Dreck hin und belachen ihn nur. Dieses lebenspositive Weltbild, das sie trotz all ihren Schwirigkeiten haben, zeigt sich hier überall.“
(pi-news.net)

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