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So nicht, AfD!

Weder sprech- noch entscheidungsfähige Parteispitze

Von WOLFGANG HÜBNER

In den über 50 Jahren meines aktiven politischen Lebens habe ich schon viel Unsinn und auch einigen Wahnsinn erlebt. Aber was sich die AfD-Führung am Mittwoch, gut zwei Wochen vor der Wahl zum EU-Parlament, geleistet hat, toppt alles an politischer Selbstbeschädigung, was mir erinnerlich ist: Der Spitzenkandidat der AfD-Liste für die Wahl wird zum Gaudi der hassenden und hetzenden Konkurrenz vollständig demontiert, weil er sich in einem Interview mit einer italienischen Zeitung treu geblieben ist, aber eine ambitionierte Madame Le Pen in Paris das aus egoistischen innenpolitischen Erwägungen skandalisiert.

Das darf eine Partei nicht tun, die sich als Alternative für Deutschland bezeichnet, den aufrechten Gang in der Politik propagiert und „Mut zur Wahrheit“ plakatiert! Das kann allerdings eine Partei tun, die letztlich, wenngleich mit inhaltlichen Unterschieden, so sein will wie die anderen großen Parteien in Deutschland auch: Nicht zu deutlich, um möglichst viele Wähler anzulocken, und bestrebt, koalitionsfähig zu sein bzw. zu werden. Ich vermag zwar nicht zu erkennen, wer im Parteienkartell selbst eine AfD ohne Krah, Bystron und Höcke als Koalitionspartner akzeptieren könnte. Aber vielleicht weiß das wenigstens im AfD-Bundesvorstand schon jemand.

Es ist sinnlos, sich an Spekulationen zu beteiligen, ob und wie das Verhältnis zwischen den Bundessprechern Weidel/Chrupalla und Krah zerrüttet ist. Das ist für die Wähler, also auch mich, letztlich uninteressant. Viel wichtiger ist hingegen, dass es offensichtlich schwerwiegende Differenzen über den Charakter und die Inhalte der AfD gibt. Wie anders ist das so auffällige Fehlen einer Solidaritätserklärung der Parteispitze für Höcke nach dem Schandurteil gegen ihn zu erklären? Und ist es nicht ebenso auffällig, wie die AfD-Spitze in der wichtigsten aktuellen Frage, nämlich der nach Kriegskurs oder Friedenskurs in der deutschen Politik, weder sprech- noch entscheidungsfähig an der Parteispitze ist?

Krah hat mit großem Erfolg seinen Kernsatz „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ verbreitet. Diese Aussage ist gegen den eifrig gepflegten Schuldkult samt Erbschuld nach nun fast 80 Jahren gerichtet. In dem skandalisierten Interview hat er seinen Satz in differenzierter Weise auch auf die SS angewandt, in der es übrigens auch nicht wenige Franzosen gab. Der nun oft erhobene Vorwurf, er hätte besser das Interview nicht geben sollen, ist nicht überzeugend: Wieso soll der Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl in einem EU-Land die Medien meiden?

Krah ist zweifellos im Personal der AfD eine schillernde, aber halt auch brillante Erscheinung. Das war auch bei seiner Wahl zum Listenführer schon bekannt. Es muss als Versagen von Weidel und Chrupalla gewertet werden, in engem Kontakt mit ihm nicht die jetzige „Katastrophe“ (FAZ) vermieden zu haben.

Katastrophe als Bezeichnung der Situation ist nicht übertrieben. Sie rührt auch daher, dass in der AfD keine Einigkeit darüber herrscht, welche Partei sie sein will: Ergänzende Alternative zu den Altparteien oder Systemalternative? Vielleicht lässt sich eine Entscheidung noch über die Bundestagswahl 2025 hinausschieben. Doch ohne großen Schaden auch nicht viel länger. Das haben die jüngsten Turbulenzen gezeigt.

Und nun die EU-Wahl? Eine selbstverschuldete böse Ernüchterung großer Hoffnungen droht.
(pi-news.net)

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