Springe zum Inhalt

Sünde, Tod und Teufel

Am Ostertag ist ein neuer Mensch und eine ganz neue Haut geworden

Von Martin Luther

Liebe Freunde, ihr habt oft die Geschichte gehört, die sich am Tag nach der Auferstehung Christi begeben hat, und ihr wißt, wie die lieben Jünger Christi und die Frauen so unversehen zu der Freude gelangten, an die sie nicht zu denken wagten. Diese Geschichte sollte man mit vielen Worten ausmalen. Denn es gibt viele Leute, die zu früh klug werden und die von daher der Meinung sind, daß sie solche und ähnliche Geschichten schon auswendig ken­nen, weshalb sie auf etwas Neues warten. Wir hingegen, liebe Freunde, wollen uns verhalten, als ob wir die Geschichte noch nicht kennen, und wollen erklären, warum solche Historien geschehen, und wozu sie uns nützlich sind. Denn es ist eine sehr schlechte Kunst, solche Geschichten zu kennen und davon zu reden, wenn man nicht weiß, wozu sie dir und mir nützlich und dienlich sind. Denn dies alles ist geschehen, damit uns allen da­durch geholfen und geraten würde.

Und just dies ist die Ursache, warum St. Paul mit so vielen Worten diese Geschichte predigt und rühmt als Triumph und Sieg wider Sünde, Tod, Teufel, Hölle und alles Übel, damit man den Christum also betrachtet, daß er all dies nicht um seiner selbst willen getan habe. Man muß solche Historien vielmehr dahin wenden, daß ihr Nutzen für andere und für uns alle sichtbar wird. Denn er bedurfte des Nutzens nicht für sich selbst, weil er auch ohne Auferstehung hätte verklärt werden können, wie er es denn selbst auf dem Berge Thabor vor seinen Jüngern unter Beweis stellte. Aber er hat diese Weise darum für sich gewählt, auf daß er uns damit diene. Am Karfreitag hat er damit be­gonnen und ist in unserer Person aufgetreten, um dem Teufel ein solches Bild vor die Nase zu halten, an dem er sich stoßen sollte.

Denn der Teufel ist ein Fürst des Todes, der die Leute würgen oder in Sünde und Hölle werfen kann. Darum wird er mit Recht ein Sünden- und ein Todes-Fürst genannt. Er hat auch dies Handwerk so lang getrieben, daß ihm schließlich niemand mehr widerstehen oder entlaufen konnte und wollte. Darum wurde er auch sehr stolz und mutig. Da aber kam nun unser lieber Herrgott und legt ihm einen Bissen vor, an dem er sich den Tod sollte fressen, und schickte Christum auf die Erde ins Fleisch. Und der Teufel sah solche Gefahr nicht im geringsten voraus. Er dachte nur daran, daß er ihn baldmöglichst auffressen wollte.

So steckt er ihn zunächst in die Sünde, auf daß er verurteilt und gerichtet würde als ein Anführer, wie dies auch aus dem Titel hervorgeht, der über dem Kreuz angeschlagen war. Da muß er sterben wie ein verzweifelter, aufsässiger Bösewicht, der sich unterstanden hat, das ganze Römische Reich anzufechten und an sich zu reißen. Drum meint der Teufel, er habe ihn fest in der Hand und er wolle ihn erwürgen, wie er sogleich tat. Als er ihn nun auf diese Weise hingerichtet hatte, war er der Meinung, Christus müsse ewig in solchem Tod bleiben. Was aber geschieht dann? Christus ersteht unversehens vom Tode und tritt den Teufel mit Sünde, Tod und Hölle unter die Füße, und wird so Herr über den Teufel, über Sünde und Tod. Er tut dies auch nicht gewaltsam, sondern er hat das Recht auf seiner Seite, so daß der Teufel selbst ihm Recht geben muß.

Da geht denn das liebliche Fest von Ostern recht an. Da nimmt der liebe Christus den Teufel, die Sünde und den Tod und führt sie vor das Gericht und klagt den Teufel an: Warum hast du mich als einen Anführer gerichtet und verdammt? So ich doch Gottes Sohn, die ewige Gerechtigkeit selbst bin? Warum hast du mich in den Tod und in die Höl­le geworfen, obgleich ich doch das ewige Leben und die Seligkeit bin? Gegen solche Anklage kann der Teufel nichts vorbringen und muß verstummen. Da bricht es denn mit Gewalt hervor, daß der Christus, der ans Kreuz gehängt und getötet worden ist, die ewige Gerechtigkeit, die Weisheit und das Leben sei. So muß der Teufel von Rechts wegen seine Herrschaft und Gewalt verlieren. Vorher hatte er das Recht, uns zu erwürgen; da war er unser Henker und gebrauchte sein Recht. Was aber will er nun anfangen? Dieser Mensch Christus hat nie eine Sünde begangen. Und dennoch hat er ihn aus Mutwillen erwürgt.

So richtet denn Gott der Allmächtige in dieser Sache und spricht: Teufel, du hast dein Amt an diesen Menschen verwirkt, ich werde dir das Leben nehmen. Du hast das Maul zu weit aufgerissen und zu viel auf einen Bissen geladen. Da gehet denn das Urteil mit Gewalt daher, daß der Teufel samt der Sünde und dem Tod Christo unterworfen werden. Dies ist nun der liebliche und herrliche Triumph des Festes, daß der Teufel und alles, was wider Christum gewesen ist, Christo mit Recht zugesprochen und unterworfen wird, auf daß der Teufel zwischen zwei Stühlen sitzen und herausgeben muß, was er je gefressen hat. Es muß alles heraus und wiederum lebendig werden um dieses einzigen Menschen willen.

In diesem Sinn gibt Ijob auch ein Gleichnis vom Leviathan, dem großen Walfisch. Meinst du — so spricht er —, daß du den Leviathan mit einem Angelhaken fangen und seine Zunge mit Stricken binden könntest? Ebenso fein geht St. Gregor mit diesem Spruch um, als wollte er sagen: Der Fisch wird viel zu groß sein für dich. Du mußt einen anderen Angelhaken dazu haben, dieser wird’s nicht tun … Dennoch hat Gott einen Weg gefunden, wie er mit ihm zum Ende kommt. Er nahm eine scharfe Angel und hängte ein Regenwürmlein dran; dann warf er die Angel ins Meer: Das Regenwürmlein ist nun Christus, die scharfe Angel ist seine Gottheit.

An die Angel ist das Regenwürmlein gebunden, nämlich die Menschheit Christi und das Fleisch. Das betrügt den Teufel, der denkt: Soll ich das kleine Regenwürmlein nicht verschlingen können? Er denkt nicht an die scharfe Angel, sondern er fährt zu und beißt in den Angelhaken. Da aber kommt dann Christus, bezwingt ihn und bringt mit sich selbst heraus, was der Teufel sonst je verschlungen hat. Denn der Streit war wirklich zu ungleich geworden, sofern der Tod wider das Leben, die Sünde wider die Gnade, die Hölle wider den Himmel stritt.

Wie aber dem Teufel in diesem Kampf geschah, so ist es auch der Sünde geraten. Sie nahm Christus und verklagt ihn vor Pilatus … Was aber kam dabei heraus? Unter der­selben Sünde, die Christo auferlegt wurde, war eine ewige Gerechtigkeit verborgen, die sich nun beißt mit der zeitlichen Sünde. Rate also einfach, wer von den beiden gewinnen und in der Umklammerung untergehen wird? Denn das ist gewiß, daß die Gerechtigkeit Christi nicht untergehen und nicht verdammt werden kann. Ist sie doch eine ewige Gerechtigkeit, der keine Sünde etwas anhaben kann.

Also hat sich die Sünde notwendigerweise an Christus übernommen. Er läßt ihr wohl eine Zeitlang ihren Mutwillen, daß sie sich an ihn klebe. Aber dann reicht ihre Kraft nicht. Er umfaßt sie in sich selbst und erwürgt so alle Sünde der Welt. Wenn nun die Sünde sich an uns legt, so stößt sie uns ohne jede Anstrengung zu Boden. Warum das? Darum, daß wir nicht über so viel Kraft und Macht verfügen, um ihr widerstehen zu können. Aber Christus ist der Mann, der dies kann. Ihm kann die Sünde nichts anhaben. Denn er hat und ist selbst die ewige Gerechtigkeit, der weder zeitliche Sünde noch sonst etwas anderes zu schaden vermag.

Ebenso lief der unfreundliche Tod vergeblich gegen Christus an. Denn er traf auf eine Person, die unsterblich war. So gesehen, ist es ja ein vergebliches Unternehmen und ein närrisches Tun, daß sich der arme Tod an ein ewiges Leben legen will, das nicht sterben kann. Auch hat er es nicht getan, ohne dabei betrogen zu werden — ja, er betrügt sich letztlich selbst, indem er das ewige Leben fressen will: Nein, lieber Tod, das wäre wirklich zu viel! Es ist schon zu viel gewesen, daß er uns im Paradies um das leibliche Leben gebracht hat. Also hat Christus auch den Tod in sich selbst (d.h. in seinem eigenen Tod) ergriffen und gedämpft.

Der Teufel aber war — wie ich gesagt habe — an seine Gewalt und Herrschaft gewohnt und übersah so die ewige Herrschaft Christi. So geschieht es, daß er gegen den anläuft und den überwinden will, der nicht zu überwinden ist. Damit aber gehen sie auf einen Haufen dahin, Teufel, Sünde und Tod. Und dies alles hat ausgerichtet die Auferstehung Christi. Darum preist sie auch St. Paulus so herrlich. Am Karfreitag ist Christus in unsere Sünde getreten und gestorben. Aber dann wird das Bild tröstlicher, und man sieht fortan keine Sünde, keinen Tod und auch keine Wundmale mehr an ihm. Denn nun weiß ich, daß es meine Sünde, mein Tod und mein Teufel gewesen sind. Wohlan, so ist er verschlungen wie auch Jesaja sagt im 53. Kapitel: „All unsere Sünden sind auf ihn gelegt.“ (Jes 53,5) Wo aber bleiben sie, wenn sie auf Christum gelegt sind? Antwortet St. Paulus im 1. Brief an die Korinther (1 Kor 15,55): „Der Tod ist verschlungen im Sieg“, und da bleibt er auch samt der Sünde und dem Teufel.

Siehst du nun Christum an, so wirst du erkennen, daß er jetzt ganz anders aussieht als am Karfreitag am Kreuz: Dort waren sie alle zusammen Sünde, Tod und Teufel und legten sich mit dem armen Christus an. Jetzt liegen sie alle gefangen und gebunden unter seinen Füßen. Das aber ist nun ein eitel Zeichen des ewigen Lebens, der Seligkeit und der Gerechtigkeit in Christo.

Das heißt nun und ist der Christen Kunst, die sie allein beherrschen, sofern vom äußerlichen Leben und seinen Werken auch andere Leute lehren und reden. Aber dies ist das rechte Hauptstück, der Grund und Boden, daß ich ler­ne, diesen Christum nur noch mit meinem Herzen anzu­sehen. Hier geht es nicht mehr darum, mit Werken zu handeln. Schau vielmehr nur dem Spiel zu und lerne den Mann in seinem Werk genau erkennen, daß er nämlich deine und meine Sünde auf sich nimmt, und daß er dabei keine andere Waffe braucht als seinen eigenen Leib. Es ist ein liebliches und freundliches Spiel, das kein Mensch mit Worten erschöpfend einholen oder darstellen kann. Es ist auch ein köstlicher und herrlicher Triumph, daß er nichts mehr hinzutut denn seinen eigenen Leib und richtet doch eine solche Schlacht an, daß er den Teufel, Sünde und Tod all ihrer Herrschaft beraubt.

Wie schwer kommt es uns doch an, wenn wir uns mit den Sünden schlagen und sie aus eigener Kraft ablegen wollen. Da haben die Mönche so viel Werke und Gebete erdacht, da haben wir gefastet, Wallfahrten errichtet und unzählige Dinge getan, alles zu dem einen Zweck, daß wir die Sünden gerne los gewesen wären. Also hängt es uns heute noch an, daß wir uns gern selbst helfen möchten. Aber das gelingt nicht. Hilfe bringt allein die Kunst, daß wir dem Mann Christo zuschauen. Denn so werden wir sehen, daß er sich mit dem Teufel, mit Sünd und Tod beißt, und daß er sie erwürgt in seinem Blut. Denn er hat ein ewiges Leben und eine ewige Gerechtigkeit. Dazu sind Fleisch und Blut mit der Gottheit ein Christus. (Von da­her stellt sich dann die Frage), wie denn nun Sünde und Ge­rechtigkeit, Tod und Leben beisammen bleiben können? Es muß eins das andere fressen und eins das andere wegbeißen. So ist denn nun die Person gestorben und kann doch eigentlich nicht sterben; und auch das Fleisch ist tot, muß aber der Gottheit wegen das Leben behalten.

Dieser Anblick und das Anschauen machen dich zu einem Christen. Und wenn du es glaubst und für gewiß hältst, so hast du die Gerechtigkeit und das Leben, das er hat. Denn er tut solches nicht seinethalben, sondern dir zu nutz und zu gut. Dir zu gut hat er den Teufel also gefangen und dir seinen Sieg zu eigen geschenkt, den er für sich gar nicht erst bedurfte. Und das Recht, das er wider den Teufel hat, auch dies hat er dir zu eigen geschenkt. Du bedarfst dazu keiner guten Werke, weil du es erst verdienen müßtest. Er schenkt es dir. Sei nur so fromm, daß du sein Geschenk dankbar annimmst. Aber es ist ein so großes Werk und wir sind so elende, ungläubige Leute, daß wir es weder fassen noch in unser Herz bringen können.

Aus all dem lernen wir, daß wir unsere Gerechtigkeit nicht aus eigenem Verdienst und nicht aus unserer Planung haben, sondern allein aus Gnade und Barmherzigkeit. Denn wer kann sich anderes vom Sohne Gottes vorstellen? Es ist auch diese Predigt, wie Paulus sagt (1 Kor 1,18 ff) und die Erfahrung lehrt, alle Zeit für eine Torheit bei den Heiden und Weisen dieser Welt gehalten worden, wie noch heutigentags bei den Türken. Denn es ist ein großer, schwerer Artikel, dem wir nicht ohne Schwierigkeit anhangen.

So ist nun dies der Nutzen des Leidens und der Auferstehung Christi, daß er all das nicht für sich, sondern für die ganze Welt getan hat, daß er nämlich den Teufel und meine Sünde, die am stillen Freitag an ihm hingen, unter die Füße getreten hat … Willst du nun solch große Güter gebrauchen — wohlan, er hat sie dir schon geschenkt. Tu du ihm nur so viel Ehre und nimm es mit Dank an. Wenn nun Sünde oder Teufel kommen und wollen sich an dich legen, wie willst du dich wider sie rüsten und wehren? Was willst du tun, um sie von dir zu jagen? So mußt du es machen: Die Auferstehung Christi ist durch das Wort dein geworden, das Evangelium trägt es dir vor, daß es dein eigen sein soll. So kannst du es denn in keine andere Monstranz fassen denn in dein Herz. Wenn nun die Sünde kommt und klagt dich an, indem sie spricht: Dies und das hast du getan, wo willst du bleiben? Du mußt in den Tod und in die Hölle. Bist du kein Christ, so gehst du unwei­gerlich dahin. Denn da kann niemand anhalten, es sei denn ein Christ.

Denn der kann also antworten: Ich habe Unrecht getan, das weiß ich wohl. Aber mit Sünden umzugehen, das gehört zu den Menschen, Christen geht es nichts an. Denn es ist nur einer, der Christus heißt. So komm nur her, liebe Sünde, wir wollen ihn ansehen, ob er auch Sünde, Tod und Teufel an sich habe. Aber ich bin sicher, daß du nichts derartiges an ihm finden wirst. So wisse nun, Sünde, Tod und Teufel und alles, was mich an­ficht, daß du mich nicht triffst. Ich gehöre nicht zu denen, die vor dir erschrecken. Denn Christus, mein lieber Herr, hat mir seinen Sieg und Triumph geschenkt … und eben von diesem Geschenk hab ich auch den Namen, daß ich ein Christ heiße. Meine Sünde und mein Tod sind an seinem Hals gehangen am stillen Freitag.

Aber am Ostertag sind sie verschwunden und verschlungen. Diesen Sieg hat er mir geschenkt, darum kehre ich mich nicht an dich. Also soll ein Christ lernen und für gewiß halten, daß Christus nicht allein solches getan, sondern ihm zu eigen geschenkt hat, auf daß er von sich zu treiben wisse alle Angriffe. Sonst würde er nicht ein Christ, sondern ein närri­scher Mensch sein, der die Sünden anders ansieht, als sie anzusehen sind. Denn du betrachtest die Sünde, als ob sie nicht auf Christum gelegt und von Christo unter die Füße getreten und dir danach geschenkt worden sei. So gesehen, bringen aber die Sünden nichts denn Verzagen, Schrecken und Verderben. Drum schicke dich also drein und halte es für gewiß, daß Christus deinen Tod und deine Sünde auf sich genommen hat am stillen Freitag, und kommt danach am Ostertag wieder und entbietet dir ei­nen guten Tag und spricht: Schau mich an, wo bleiben deine Sünden? Hier siehst du keine Sünde mehr, sie sind alle hinweg, was willst du dich dann noch davor fürchten?

Auf diese Weise ist mir und dir und allen christgläubigen Menschen dies Werk der Auferstehung geschenkt. Brauche ich es nicht so, tue ich meinem Herrn Christo großes Unrecht, daß ich seinen Triumph und Sieg also ungenützt liegen lasse. Es soll nicht ein müßiger Sieg sein. Er will wirklich viele damit aufrichten, auf daß ich in allen Anfechtungen, Sünden und Schrecken nichts anderes sehe denn die fröhliche Auferstehung Christi. Wer nun diesen Sieg so in sein Herz bilden kann, der ist schon selig. Denn es komme Sünde, böses Gewissen, Hunger, Pestilenz, Krieg oder was es auch sei, bist du in der Auferstehung Christi geübt und gerüstet, so wirst du bald sehen, daß solche schrecklichen Bilder nichts anderes sind als des Teufels Waffen, der nimmermehr Ruhe haben kann, wie es denn auch gegenwärtig einem abenteuerlich in die Augen geht, welch seltsame Mauer und Rüstung der Teufel (gegen uns) führet.

Was aber willst du nun in solcher Gefahr tun? Wenn du gewiß bist, daß dies des Teufels Waffen sind, war­um willst du dann erst noch lange mit ihnen umgehen und sie schön aufpolieren? Und warum willst du daneben die Waffen Christi verrosten lassen? Bei Leibe nein, laß al­les gehen, stehe und sprich: Ich kann nicht mit Sünden umgehen, aber Jesus Christus der kann es, dem will ich zusehen, … auf den allein will ich achten … Derselbe Chri­stus läßt die Sünde an sich hängen und schlägt sie dann hinweg. Ich kann es nicht, drum will ich auch nicht damit umgehen.

Wenn ich also den Schatz annehme, so müssen Sünde, Tod und Teufel und alle Schrecken aufhören. Und ob es gleich geschieht, daß man zu Zeiten Sünde und Schrecken noch fühlt, wie es denn nicht ganz kann aufgehoben werden, weil wir in dem alten Sack stecken — wohlan, so schadet es doch nicht. Es wird dir darum dieser Sieg und Triumph nicht genommen. Und ob du es auch fühlst, daß dich die Sünden noch drücken, so sprich dennoch: Ich fühle sie nicht. Ursach: Am stillen Freitag sah ich noch all meine Sünden an Christo hangen, aber am Ostertag sind sie alle hinweg …

Dies ist nun eine seltsame und unerhörte Predigt vor der Welt, die keine Vernunft fassen oder glauben kann, nämlich daß wir — obgleich wir doch fühlen Sünde und Tod und des Teufels Reich — desselben los und ledig sollen werden durch einen anderen, der sich unser annimmt. Natürlicherweise geht es dabei also zu, daß der die Strafe erleidet, der gesündigt hat. Und aus diesem Wahn ist es auch gekommen, daß man Christum gar zugedeckt hat mit dem Verdienst unserer eigenen Werke. Von da sind ge­flossen so viele Werke bei den Mönchen und auch bei den Türken bis auf den heutigen Tag. Denn die ganze Welt muß also schließen: Niemand zahlt für den anderen. Da ist denn auch der Papst zugefahren mit der Genugtuung und der Buße für die Sünde, was nichts anderes bedeutet als die Sünde auf sich selbst zu laden. Aber so heißt es nicht in der Schrift, die ihrerseits vielmehr bestimmt: Eines an­deren Gerechtigkeit soll und muß solches tun; wenn mei­ne Sünden auf mir liegen, so drücken sie mich zu Boden und treiben mich zur Verzweiflung. Aber die Gerechtig­keit Christi tröstet, stärkt und erlöst uns.

Eine seltsame Predigt ist es, das ist wahr. Aber sie allein macht Christen. Mit meinen Sünden habe ich den Tod verwirkt, das ist wahr — da hilft kein gutes Werk, keine gute Meinung und keine Genugtuung, sie sei wie sie wolle. Es muß ein Fremdes kommen, das nicht mein ist und das ich nicht haben kann. So kostet es denn einen Christen nicht mehr als das Ansehen mit dem Herzen. Der fromme Christus heißt jetzt Martinus, Petrus und Magdalena. Denn Christus ist am stillen Freitag Petrus geworden, der ihn verleugnet hat. Aber am Ostertag kommt er hervor und spricht: Hier ist keine Sünde mehr.

So besteht nun unsere Kunst nicht in Werken, sie heißen wie sie wollen, sie seien klein oder groß, böse oder gut. Es liegt allein an dem, daß wir dem Christo zusehen und von ihm mit Dank annehmen, was er uns gibt. Und das will auch die Figur im 4. Buch Mose von der ehernen Schlan­ge (Num 21,9) sagen. Da kostet die Gesundheit nicht mehr denn das Ansehen, eine andere Hilfe gab es nicht. Sie mußten die Fäuste fallen lassen, alles war vergebens, was sie unternehmen wollten. Ja, sie machten die Schlan­gen nur noch grimmiger und zorniger durch ihre Ab­wehr, und das Übel wurde nur noch ärger.

Es blieb die einzige Kunst, die eherne Schlange anzuschauen, ohne alle Apotheken und Arznei. Also geht es auch mit uns: Die feurigen Schlangen beißen uns, d.h. wir fühlen die Sünde in uns und sehen, daß wir darum ewiglich verloren sind. Was können wir tun, um sie los zu werden? Nicht mehr, als ihren Anblick auszuhalten. Denn wenn ich mit meinen Fäusten die Schlangen abreißen will ohne den Ostertag …, so wird es uns darüber ergehen wie den Juden, die das Übel nur ärger machten. Und wo vorher nur eine Sünde war, da sind jetzt gleich zehn andere.

Du kannst es dir leicht ausrechnen: Wenn du die Sünde eigenmächtig willst ablegen, hast du nicht allein Unrecht gegenüber der Sünde, sondern du willst darüber hinaus Christo in sein Amt greifen und erklärst: Ich will Chri­stus sein. Damit aber maßt sich der Mensch die Macht Gottes an, was die größte Sünde ist. O, um Gottes willen nein — laßt ihn Christum bleiben, laßt ihm sein Amt. Es ist genug mit den anderen Sünden, die wir begehen. Christus hat Mt 24,5 richtig gesagt: „Es werden viele falsche Propheten kommen und sagen: Ich bin Christus.“ Denn wir selbst — wie ihr wißt — haben also gelehrt und getan, was die Pfaffen und Mönche bis auf den heutigen Tag tun, wenn sie sagen: Liebe Freunde, gebt uns euer Almosen, so wollen wir für euch bitten, fasten, wachen und euch all unserer guten Werke teilhaft machen.

Was aber sagen und tun sie damit anders, denn daß sie Christus sein wollen und Christo in sein Amt eingreifen? Daß euch doch der Teufel von der Kanzel werfe, weil ihr euch so an Christi statt setzt und uns doch nichts anderes gebt als eure „finsteren Metten“ (= die ‚Tenebrae‘ genannten Horen der Kartage) und ähn­liches Narrenspiel. Dennoch geschieht dies noch überall im Papsttum. Daß es aber Christus allein tun könnte oder sollte, darauf läßt man sich von vornherein nicht ein.

Deshalb, liebe Freunde, laßt uns fleißig beten, daß wir bei dem Ostertag bleiben können. Denn wo das geschieht, da hat es keine Not mit allen Rotten und allem Irrtum. Verlieren wir ihn aber, so ist’s aus. Denn dann kann man kei­nen Irrtum — auch nicht den geringsten — steuern, wie ihr denn seht, daß es mit den Mönchen, Nonnen und Pfaffen geschehen ist und noch geschieht…

Daß es doch ja wahr bleibe, wer den stillen Freitag und den Ostertag nicht hat, der hat keinen guten Tag im Jahr. Das ist: Wer nicht glaubt, daß Christus für ihn gelitten hat und auferstanden sei, mit dem ist es aus. Denn daher heißen wir ja Christen, daß wir den Christum können ansehen und sagen: Lieber Herr, du hast meine Sünde auf dich genommen und bist Martinus, Petrus und Paulus geworden, und hast also meine Sünde zertreten und verschlungen. Da soll und will ich drum meine Sünde suchen, da hin hast du mich auch gewiesen. Am stillen Freitag sehe ich meine Sünde noch genau. Aber am Ostertag ist ein neuer Mensch und eine ganz neue Haut geworden — da sieht man keine Sünde mehr. Dies alles hast du mir geschenkt und dabei gesprochen, du habest meine Sünde, meinen Tod und meinen Teufel überwunden.

Auf diese Weise predigen nur wir allein durch Gottes Gnade den Nutzen und den Brauch der Auferstehung Christi, wie ihr — davon gehe ich aus — oft gehört habt. Hütet euch allein davor, daß ihr nicht meint, ihr könntet es selbst. Ich und du und wir alle miteinander haben daran zu lernen, so lange wir leben. Gott aber gebe, daß wir es wirklich lernen. Amen.
(Predigt Martin Luthers, Ostersonntag 1530 auf der Feste Coburg)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert