Wissenschaftliche Dienste des Bundestags: kein grundrechtlich geschützter Ehrenschutz für den Staat
(gh) - Zu Vorhaben von Bundesministerin Faeser, scharfe Kritik am Staat strafrechtich relevant zu verfolgen, haben nun die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags eine Stellungnahme vorgelegt. Darin heißt es: "Bundesinnenministerin hat im Februar 2024 gemeinsam mit den Präsidenten des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) beabsichtigte Maßnahmen gegen Rechtsextremismus vorgestellt. In diesem Sachzusammenhang wurde unter anderem erklärt: 'Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.' Bereits seit 2021 besteht beim BfV ein neu eingerichteter Phänomenbereich 'verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates', der Bestrebungen erfasst, 'die durch die systematische Verunglimpfung und Verächtlichmachung des auf der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
basierenden Staates und seiner Institutionen bzw. Repräsentanten geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in diese Grundordnung zu erschüttern'“.
Hierzu wird festgestellt: "Zwar stellt kein Straftatbestand des Strafgesetzbuches (StGB) das 'Verhöhnen des Staates' oder seine 'Delegitimierung' als solches unter Strafe – tatsächlich strafbar ist jedoch die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB). § 90a StGB zufolge wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft".
Hingewiesen wird nun auf ein Urteil des BVerfG in einem Beschluss aus dem Jahr 2011, mit dem es die strafgerichtliche Verurteilung wegen Äußerungen, mit denen das „BRDSystem“ als „verkommen“ bezeichnet worden war, aufhob: Denn "anders als dem einzelnen Staatsbürger kommt dem Staat kein grundrechtlich geschützter Ehrenschutz zu. Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Die Zulässigkeit von Kritik am System ist Teil des Grundrechtestaats. …
Die Schwelle zur Rechtsgutverletzung ist im Falle des § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB … erst dann überschritten, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise der Meinungsäußerung der Staat dermaßen verunglimpft wird, dass dies zumindest mittelbar geeignet erscheint, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. … Verboten werden darf mithin nicht der Inhalt einer Meinung als solcher, sondern nur die Art und Weise der Kommunikation, die bereits den Übergang zur Rechtsgutsverletzung greifbar in sich trägt und damit die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutverletzung überschreitet“.
Justizia ist keine Laune der Natur, sondern immer ein Kind der Zeit. Und so hat es seit Bestehen der Bundesrepublik auf politische Stimmungen verschieden reagiert. So bleibt abzuwarten, inwieweit Politik hinter die Binde ihr Lichtlein leuchten lässt.