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Wellenbrecher

Die Vertreibung des Boris Reitschuster

Von Vera Lengsfeld

Wir leben bekanntlich im besten Deutschland aller Zeiten, in dem eifrige Demokraten dabei sind, überall auf der Welt Zustände zu kritisieren, die sie für undemokratisch halten. Sie sehen den Splitter in den Augen der anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Mehr noch, ihre moralische Hybris gibt ihnen das Gefühl, dass jedes Mittel recht sei, um das durchzudrücken, was sie unter Demokratie verstehen. Es wird bereits offen gefordert, auch undemokratische Mittel zu verwenden, um die in eine real existierende Demokratie transformierten Zustände zu zementieren. (Für alle Jüngeren: Die Zustände in der Deutschen Demokratischen Republik wurden „real existierender Sozialismus“ genannt). Regierungskritiker waren in der DDR Staatsfeinde, heute sind sie Nazis, die bekämpft werden müssen.

Wie wenig zimperlich dabei vorgegangen wird, beschreibt der neben Henryk Broder bekannteste Journalist unseres Landes Boris Reitschuster.

Reitschuster war ein im journalistischen Milieu gut vernetzter und beliebter, ja, für seine Putinkritik auch schon angefeindeter, aber doch hoch geachteter Kollege, bis ihm auffiel, dass die meisten seiner Kollegen ihrer demokratischen Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, nicht mehr nachkamen, sondern sich stattdessen zu willigen Helfern der Politik gemacht haben. Jüngstes Beispiel ist, dass die absurde Behauptung von Außenministerin Baerbock, die Bundesregierung hätte durch Island Jugendliche aus Israel ausfliegen lassen, vom ZDF nicht nur nicht hinterfragt, sondern aus dem Interview rausgeschnitten wurde. So wird die unfähigste Außenministerin seit Bestehen der Bundesrepublik vor den Folgen ihres Unvermögens geschützt.

Weil Reitschuster darauf bestand, seine journalistische Arbeit am Auftrag des Grundgesetzes auszurichten und nicht an den Vorgaben des journalistischen Zeitgeistes, wurde er schnell zum Außenseiter, dann zum Ruhestörer, der beseitigt werden muss.

Besonders die wenigen Journalisten, die noch die Bundespressekonferenz frequentieren, um den Regierungssprechern positiv aufzufallen, konnten Reitschusters kritische Fragen nicht ertragen, weil sie vorgeführt bekamen, was ihre Aufgabe gewesen wäre. Dass Reitschuster nicht mehr gegrüßt wurde, auch von guten Bekannten nicht, war nur eine Seite. Die andere waren aktive Denunziationen, bei denen sich besonders ein linksradikaler Kollege hervortat und Mahnschreiben des Vorstands der BPK. Schließlich folgte sein Rauschmiss, mit der fadenscheinigen Begründung, sein Wohnsitz wäre nicht mehr in Berlin. Das wird in der Satzung der BPK zwar nicht verlangt, aber dennoch exekutiert.

Reitschuster wehrte sich vor Gericht und musste feststellen, dass wir inzwischen etwas haben, das es niemals mehr in Deutschland geben sollte: eine Justiz, der man nicht mehr vertrauen kann. Reitschuster verlor Gerichtsverfahren, die er nach Recht und Gesetz nicht hätte verlieren dürfen. Die Beweise dafür kann man im Buch nachlesen. Ich kann diese Erfahrung nur bestätigen. Besonders in Berlin, aber nicht nur, hat die Gegenseite einer als „rechts“ abgestempelten Person schon gewonnen, bevor sie überhaupt ihre Schriftsätze eingereicht hat, die dann eher Propagandaschreiben gegen „rechts“ gleichen, als zum eigentlichen Streit-Gegenstand etwas zu sagen.

Für Reitschusters Vertreibung sorgte auch die Polizei. Auf dem Flugplatz wurde ihm mitgeteilt, dass er zur Fahndung ausgeschrieben sei. Der Hausmeister seiner Berliner Wohnanlage bekam Besuch von der Polizei, die über Reitschuster Auskünfte einholen wollte. Auch sein Verwandter in Augsburg wurde befragt. Erst als das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, erfuhr Reitschuster, dass es eins gegeben hatte und nur, weil sein Anwalt auf Akteneinsicht drängte, wem er das zu verdanken hatte: Einer Anzeige des WDR.

Die Absurdität des Ganzen ist unfassbar: Der WDR hatte Anzeige erstattet, weil Reitschuster an einem Tag über angebliche WDR-Mitarbeiter berichtet hatte, die eine Reichsbürgerflagge aus dem Kofferraum gezogen und damit eine Demonstration besucht haben sollen. Die Sache ging seinerzeit in den sozialen Netzwerken durch die Decke. Zwar war es Reitschuster, der durch eigene Recherche herausgefunden hatte, dass es sich nicht um WDR-Mitarbeiter handelte und das schon am folgenden Tag veröffentlichte, worauf in der Strafanzeige des WDR sogar Bezug genommen wurde, die Staatsanwaltschaft eröffnete dennoch ein Ermittlungsverfahren.

Das solche fragwürdigen Verfahren kein Einzelfall sind, beweist der Fall Michael Ballweg, der sogar acht Monate in Untersuchungshaft genommen und in Handschellen dem Gericht vorgeführt wurde, ehe das gegen ihn gerichtete Verfahren eingestellt wurde.

Ich wurde zwar nicht inhaftiert, habe aber mit einem ähnlich grundlosen, nach zwei Jahren eingestellten, Ermittlungsverfahren Erfahrungen machen müssen. Ich weiß, was es bedeutet, unschuldig verfolgt zu werden. Ich hatte allerdings gedacht, dass diese Gefahr mit dem Zusammenbruch der DDR vorbei sei. So kann man sich irren.

Zu den Schikanen, denen Reitschuster unterworfen wurde, gehören auch Bankkündigungen, zuerst durch die ING, nach Selbstauskunft, Deutschlands beliebteste Bank, die übrigens schon mehrfach Bankenkündigungen bei Regierungskritikern vorgenommen hat, unter anderem auch bei mir. Jüngst hat die ING verkündet, dass allen Kunden das Konto gekündigt wird, wenn sie über keine glaubwürdigen Pläne zur Emissionsreduzierung verfügen!

Eine Bank maßt sich an, zu entscheiden, ob sich ihre Kunden „klimagerecht“ verhalten. Wie wollen sie das prüfen? Wer gibt einer Bank das Recht, Klimadaten ihrer Kunden zu erheben? Das ist eine totalitäre Anmaßung, die nur deshalb nicht als Skandal empfunden wird, weil unsere meinungsmachende Presse darüber berichtet, als wäre es die normalste Sache der Welt. ING trennt sich von Klimasündern, lauten so oder ähnlich die Überschriften. Wer „Sünder“ ist und dafür bestraft werden muss, liegt bei der Bank, die Häscher, Richter und Henker in einem ist. Niemanden von den besorgten Demokraten in Deutschland fällt auf, dass die Bank damit die verfassungsmäßigen Grundrechte der Bürger verhöhnt, indem sie eine neue Art von Zensur einführt.

Aber auch andere Banken haben Reitschuster gekündigt, manche anscheinend unter dem Druck von Denunziationsportalen, wie sie mittlerweile zahlreich mit Steuergeldern unterhalten werden, die Banken unter Druck setzen und zum Wohlverhalten auffordern, indem sie sich von „rechten“ Kunden trennen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, was es bedeutet, wenn ein Privatkonto gekündigt wird, über das alle Abbuchungen für die notwendigen Unterhaltskosten laufen. Es dauert Wochen, ehe alles wieder reibungslos läuft.

So werden Regierungskritiker beschäftigt und von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten.

Bei Reitschuster gab es parallel massive Verunglimpfungen durch Medien, allen voran die „Süddeutsche“, die ihrem Spottnamen „Alpenprawda“ wieder alle Ehre machte.

Wer das aushalten muss, braucht Nerven wie Drahtseile, die der durch Erfahrungen in Russland gestählte Reitschuster zum Glück hat. Er hat aber auch genügend Humor, um die Lächerlichkeit mancher Anwürfe zu erkennen. Trotzdem nervt so ein Terror, besonders wenn die Familie mitbetroffen ist. Deshalb ist es bedauerlich, wenn auch nur allzu verständlich, dass er Deutschland den Rücken gekehrt hat. Heutzutage kann man ja von fast jedem Teil der Welt aus für die Rettung der Demokratie in Deutschland kämpfen.

Zum Schluss noch ein wertvoller Rat für alle, den Reitschuster von einem befreundeten Juden aus Kiew erhielt: Man soll sich persönliche Angriffe, die jeder erwarten muss, der den Herrschenden aller Couleur auf die Finger schaut, nicht zu Herzen nehmen. Das macht nur krank. Man soll sie als Material für die Analyse des Zustands der Gesellschaft betrachten. So bleibt man geistig gesund.

Man kann mit dem Hintern keine Wellen brechen, sagt ein altes russisches Sprichwort. Mit dem Kopf schon. Deshalb fürchten alle Machthaber dieser Welt die Köpfe ihrer Kritiker.

Boris Reitschuster: "Meine Vertreibung, Edition achgut 2023
(vera-lengsfeld.de)

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