Springe zum Inhalt

Besser mit allen ein Narr

Besser mit allen ein Narr, als allein gescheut, sagen politische Köpfe. Denn, wenn alle es sind, steht man hinter keinem zurück: Und ist der Gescheute allein, wird er für den Narren gelten.

So wichtig ist es dem Strom zu folgen. Bisweilen besteht das größte Wissen im Nichtwissen oder in der Affektation desselben. Man muss mit den übrigen leben, und die Unwissenden sind die Mehrzahl.

Um allein zu leben, muss man sehr einem Gotte oder ganz einem Tier ähnlich sein. Doch möchte ich den Aphorismus ummodeln und sagen: Besser mit den Übrigen gescheut als allein ein Narr: Denn Einige suchen Originalität in Schimären.
(Baltasar Gracián, "Handorakel und Kunst der Weltklugheit")

 

 

 

 

**************
DAS WORT DES TAGES
Schäuble kultivierte jenes Duckmäusertum, das die Union ruinierte. Richtiges anmahnen und Falsches mitmachen, ist keine Lösung. Auch in der Politik gibt es kein richtiges Leben im falschen – um Adorno zu paraphrasieren. Ein Held nur im Hinnehmen. Das aber zelebrierte er auf eine Weise, die wie das Gegenteil aussah. Darin war er brillant. Er verstand es, sich als der überaus Überlegte, eigentlich Überlegene zu stilisieren, blieb dabei aber stets der Dienende. Nicht einmal zur Grauen Eminenz, zum heimlichen Regenten, hat er es damit geschafft. Er übertrieb seine Loyalität. Hielt sie für Staatsräson. Es war das Denken eines ewigen Staatsdieners. So viel hat er gemahnt und so wenig verhindert, falsche Entscheidungen, über die er selbst gelegentlich die Nase rümpfte, zugelassen. Er blieb im Grunde der brillante Musterbeamte, der er ganz zu Beginn für kurze Zeit in der Finanzverwaltung gewesen war. Eine Politikerkarriere ohne Berufserfahrung außerhalb der Sphäre des Staats. Er hat die Schaltknöpfe, vor die man ihn setzte, stets gehorsam betätigt.
(Wolfgang Herles, Tichys Einblick)
***************