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Leselust?

Buch des Jahres: „Der Westen im Niedergang“

Von WOLFGANG HÜBNER

In der Ukraine gehen NATO und EU einer historischen Niederlage entgegen, die es ohne westliche Skrupellosigkeit und Hybris nie geben würde. Diese Niederlage, die auf ukrainischer wie auch russischer Seite schon hunderttausende tote, verstümmelte und traumatisierte militärische und zivile Opfer gefordert hat, kann nur noch durch eine westliche Eskalation des Krieges (vielleicht) verhindert werden – nämlich dann, wenn ein atomarer Weltkrieg nicht gescheut wird. Eine Entscheidung darüber fällt auch bei der Wahl des US-Präsidenten am kommenden Dienstag.

Auf diesen Tag wollte der renommierte französische Soziologe, Historiker und Anthropologe Emmanuel Todd nicht warten, als er sein neues Buch „Der Westen im Niedergang“ verfasste. Mit seiner brillanten Analyse der Entstehung, politischen Kräfte und Perspektiven des Ukraine-Krieges setzt sich Todd in provokativen, aber wohlbegründeten Widerspruch zur absolut vorwiegenden Interpretation des Geschehens in den westlichen Regierungen, Medien und dienstbaren Denkfabriken. Todd, selbst ein liberaler Intellektueller, tut das als unbeirrbarer Wissenschaftler, der mit Fakten statt Meinungen überzeugen will.

Das gelingt dem Franzosen offenbar so gut, dass sein Buch bislang in den USA noch keinen Verlag gefunden hat. Doch wie seine vielen Bücher in der Vergangenheit erscheinen Übersetzungen von „Der Westen im Niedergang“ in etlichen Ländern, seit einigen Tagen auch in Deutschland. Gerade für die deutschen Leser hat Todd ein fast beschämend deutschfreundliches Geleitwort sowie aktualisiertes Nachwort geschrieben. Es fällt allerdings schwer, in Kenntnis der einheimischen Kriegstreiber wie Baerbock, Merz, von der Leyen und Kiesewetter die Hoffnungen des Autors auf eine künftige positive Rolle Deutschlands in Europa zu teilen.

Keinerlei Schwierigkeiten jedoch gibt es für nachdenkliche Leser, Todds Argumentation in den klug logisch aufgebauten elf Kapiteln seines 336 Seiten umfassenden Werks zu folgen. Denn der Mann, der bereits 1976 aufgrund einer soziologischen Analyse den Zusammenbruch der Sowjetunion prognostiziert hat, schreibt verständlich und lässt sich von Propaganda wie „russischer Angriffskrieg“ oder der absurden Verteufelung Putins nicht davon abhalten, die wirklichen Interessen an und in dem Krieg zu verstehen und zu benennen.

Todds Urteil über die Rolle des Westens ist niederschmetternd: Die Ukraine und ihre Menschen wurden und werden geopfert, um Russland eine finale geopolitische Niederlage zu bereiten. Doch die Kalkulation der Achse Washington-London-Warschau-Kiew, Moskau in die Knie zu zwingen, geht nicht auf. Stattdessen haben die Biden-USA, das verarmte, aber kriegssüchtige Großbritannien, die EU und ganz besonders Deutschland unzählige Milliarden Euro, die viel sinnvoller anders investiert worden wären, in einem Projekt verschwendet, das nun scheitert.

Es ist im Rahmen dieser Buchvorstellung nicht möglich, Todds Darstellung der historischen Tragödie auch nur annähernd umfassend zu würdigen. Diese Aufgabe soll den Lesern überlassen bleiben, auf die eine aufregende und bereichernde Lektüre des Sachbuchs des Jahres wartet. Schnell kaufen und lesen!

» Emmanuel Todd: „Der Westen im Niedergang“
(pi-news.net)

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