Der falsche Mann soll in Frankfurt geehrt werden
Von WOLFGANG HÜBNER
Jürgen Kaube, Mitherausgeber der FAZ, hielt es sicher für eine gute Idee, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck zum diesjährigen Ludwig-Börne-Preisträger zu bestimmen. Als das Mitte Februar 2023 bekannt wurde, war der Grünen-Politiker nämlich noch eines der populärsten Mitglieder der Berliner Ampel-Regierung. Der promovierte Philologe und Schriftsteller galt im linksliberalen Milieu als eine Art intellektueller „Leuchtturm“ im recht biederen politischen Personal der Bundesrepublik.
Kaube, dem die Ludwig-Börne-Stiftung in diesem Jahr die Nominierung des Preisträgers anvertraut hatte, begründete laut einer Meldung des Magazins „SPIEGEL“ seine Entscheidung für Habeck damit, „die Äußerungen des Vize-Bundeskanzlers seien von gesellschaftswissenschaftlich informierter und lebensweltlich grundierter Reflexion geprägt.“ Und zitiert wurde Kaube mit der im Nachhinein ungewollt ironisch klingenden Bemerkung: »In den Zwängen der Politik erkämpft er sich auf beeindruckende Weise Freiräume durch Nachdenklichkeit«.
Im Lichte der gegenwärtigen Enthüllungen über die skandalöse Vetternwirtschaft in dem von Habeck geführten Ministerium klingen solch geradezu schwärmerischen Töne eines politisch den Grünen nahestehenden Spitzenjournalisten der FAZ gar nicht mehr gut. Denn in Rekordzeit hat der hochgelobte Minister und bekennende Vaterlandsverächter nicht nur sein politisches Kapital verspielt, sondern ist auch als intellektueller Moralist schwer beschädigt worden. Das aber verträgt sich ganz schlecht mit dem Ludwig-Börne-Preis.
Dessen Namensgeber, ein zum Christentum konvertierter jüdischer Journalist und Kritiker, der in Frankfurt 1786 geboren wurde und 1837 in Paris starb, ist ein Vorbild für geistige Unbestechlichkeit und war einer der herausragenden Vordenker der Demokratiebewegung von 1848, die er selbst nicht mehr erleben durfte. Seit 1993 wird nun in der Frankfurter Paulskirche ihm zum Gedenken jährlich der Ludwig-Börne-Preis an deutschsprachige politische Publizisten verliehen.
Keiner der bisherigen Preisträger, unter denen viele prominente Namen zu finden sind, war bislang zum Zeitpunkt der Verleihung neben der publizistischen Tätigkeit auch aktiver Politiker. Das hätte Kaube, der selbst schon den Preis erhalten hat, eine Warnung sein müssen. Denn es ist das eine, über Politik zu schreiben, jedoch eine andere, Politik auch zu gestalten. Bei dieser Gestaltung ist Habeck nun aus guten Gründen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Reaktion des grünen Ministers darauf lässt weder geistige noch politische Souveränität oder Einsichtsfähigkeit erkennen.
Deshalb ist Robert Habeck eindeutig der falsche Mann zur falschen Zeit, der am 11. Juni an einem Sonntagmorgen in der Frankfurter Paulskirche geehrt werden soll. Jürgen Kaube mag seine Wahl inzwischen bereits bedauern, zurückgezogen hat er sie bislang nicht. Es sollte nicht wundern, wenn empörte Bürger die Preisverleihung zum Anlass für Proteste gegen Habeck nutzen würden. Das wäre übrigens auch ganz im Sinne von Ludwig Börne, der in seinem Leben keiner Auseinandersetzung aus dem Wege gegangen ist.
(pi-news.net)