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Menschen und Linientreue

Das Spektrum der Nützlichkeit

Von Gastautor Hans Hofmann-Reinecke

Wie kommt es, dass unsere Politiker von ihren Aufgaben in fachlicher und ethischer Hinsicht ganz offensichtlich total überfordert sind? Warum merkt man das erst so spät? Ein bisschen Physik kann hier Klarheit schaffen.

Das blaue Licht
Hat Ihr Zahnarzt schon einmal mit so einer grellen blauen Lampe in Ihrem Mund gewütet? Wozu soll das gut sein? Nun, er bringt da gerade an den Zähnen plastisches oder sogar flüssiges Füllmetarial an, das ab jetzt und für den Rest Ihres Lebens fest halten soll. Die Hersteller haben in diese Materialien eine Chemikalie eingemischt, die bei genau diesem blauen Licht sofort hart wird, die sich aber von der normalen Beleuchtung des Alltags nicht beeindrucken lässt; sonst wäre sie ja schon vorher hart. User weißes Tageslicht besteht aus einer Mischung von Farben, aber nur ein winziger Ausschnitt aus diesem Regenbogen-Spektrum von Rot bis Violett, nur diese blaue Spektrallinie bewirkt die Härtung des Füllmaterials, nur die ist nützlich. Und genau diese Linie liefert besagte Lampe.

Man könnte vergleichender Weise sagen, dass auch Lebewesen ein Regenbogenspektrum an Eigenschaften haben, aus dem ganz bestimmte Spektrallinien für bestimmte Aufgaben notwendig sind. Ein Rettungshund, der im Schnee oder Schutt nach vermissten Personen suchen soll, braucht Ausdauer und guten Geruchssinn, wie etwa der Labrador; und ein Hütehund soll seine Herde zusammenhalten und vor Räubern schützen; der braucht Intelligenz und Selbstständigkeit, wie der sympathische Border Collie.

Links und Rechts
Der Homo Sapiens hat vermutlich ein noch breiteres Spektrum an Eigenschaften, und auch hier bestimmt die Ausprägung gewisser Spektrallinien die Eignung für eine bestimmte Rolle. Eine Lehrerin braucht andere Linien als ein Feuerwehrmann und der wiederum andere als ein Ingenieur. Wer mit den falschen Spektrallinien in seinem Beruf landet, der wird keinen guten Job machen und der wird auch nicht glücklich sein. Ein Fluglotse etwa, dessen Spektrallinie „Orientierungssinn“ schwach ist, der links und rechts oder Ost und West verwechselt, der wird bald auffällig werden und muss sich dann einen anderen Job suchen, so wie hier. Dieses Manko kann in einem anderen Beruf, etwa als Opernsänger oder Anlageberater, völlig irrelevant sein.

Wie ist das in der Politik? Welche Spektrallinien sind hier erforderlich? Hier ist zunächst eine Unterscheidung notwendig: Um Karriere in der Politik zu machen ist das Spektrum vom Typ „A“ Voraussetzung, um dem Land dienen und es vor Schaden bewahren zu können das Spektrum „B“. Wie es in diesen Tagen wieder einmal deutlich wird, haben A und B kaum etwas gemein. Dieses fatale Phänomen soll hier aber nicht thematisiert werden. Schon das Spektrum B für sich allein genommen ist interessant genug.

Die Spektrallinien K E I F
Hier gibt es die Linie K = „Korrektheit, Integrität“, welche sicherstellt, dass ein Politiker die ihm gewährten Privilegien nicht zum persönlichen Nutzen missbraucht. Die Linie „E“ bezeichnet „Empathie, Engagement“ und Aufopferung für das Land, Linie „I“ Intelligenz und „F“ Fachwissen. Nehmen wir einen Außenminister unter die Lupe: Der wird gemäß K seinen Zugriff auf den Flugdienst der Bundeswehr nicht zum eigenen Spaß missbrauchen, er wird gemäß „E“ dafür sorgen, dass ein Besuch im Ausland ein klares Ziel zum Nutzen Deutschlands verfolgt, um das zu entwickeln er „I“ einsetzt und zu dessen Umsetzung er F = Kenntnis des Landes, seiner Gebräuche und Geschichte benötigt. Und es bedarf der Beherrschung der Sprache der Diplomatie, die ist heute die englische.

Wie stark ausgeprägt waren diese Linien etwa bei Herrn Genscher? Und wie bei Frau Baerbock? Beurteilen Sie das selbst, und Sie werden vermutlich in letzterem Fall keine einzige der geforderten Linien entdecken. Und trotzdem haben Sie vielleicht einmal gesagt: „Die macht Ihre Sache doch ganz gut, die wächst mit ihren Aufgaben, etc.“ Wie kommt so eine abwegige Meinung zustande?

Das weiße Licht
Haben Sie im Tageslicht oder im Licht der Nachttischlampe schon einmal die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett beobachtet? Vermutlich nicht – Sie haben nur den weißen Schein wahrgenommen, die Mischung aus all den verschiedenen Spektrallinien. Und diese Mischung haben Sie vielleicht als angenehm oder auch als zu hell oder zu schwach empfunden. Und ähnlich ist unsere Wahrnehmung auch bei unseren Mitmenschen. Wir sehen nur das Gemisch aus all ihren Spektrallinien und kommen dann zum Urteil „sympathisch“, „attraktiv“ oder „arrogant“ etc.

Das ist sicher ein wichtiges Urteil im Privatleben, im Freundeskreis. Aber anderenorts sollte man das Prisma anlegen, um die relevanten Spektrallinien zu sehen. Schon beim Zahnarzt sollte man bessere Kriterien haben als sympathisch und gutaussehend, und bei Politikern auf jeden Fall. Aber die Wirklichkeit ist eine andere: Da sagt sich vielleicht eine Wählerin: „Der Habeck, das ist mein Typ! Dem geb‘ ich meine Stimme. Ich wähle Grün.“ Und vor 20 Jahren sagte die Wählerschaft: „Der Merkel kann man vertrauen, die ist bescheiden und sachlich. Ganz anders als dieser fürchterliche Trump.“

Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.
(vera-lengsfeld.de)

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