Springe zum Inhalt

Produktive Minderheit

Falsche Finanzpolitik presst die Falschen aus und beschenkt wiederum die Falschen

Von PROF. EBERHARD HAMER

Mit einem Bundeshaushalt von über 470 Milliarden Euro kann niemand behaupten, es sei nicht genug Geld da.

Obwohl wir eine Marktwirtschaft haben wollen, hat sich die Staatsquote am BIP inzwischen auf über 53 Prozent (1913 waren es nur 13 Prozent) erhöht, wird also die volkwirtschaftliche Leistung mehr für staatliche als für private Zwecke verbraucht. Dabei sollte Marktwirtschaft doch dem Nutzen jedes einzelnen Bürgers und nicht mehrheitlich staatlichen Zielen und Zwecken dienen.

Seit langem weist das Mittelstandsinstitut Niedersachsen darauf hin, dass unsere Regierungen ungerecht belasten:
Von den inzwischen über 84 Millionen Einwohnern zählt die Bundesstatistik nur 42 Millionen Beschäftigte. Reduziert man die Beschäftigten auf die Wertschöpfer, die produktiv für den Markt arbeiten – die also ihr Einkommen nicht von den Steuern der Produktiven beziehen (wie z. B. öffentlicher Dienst, Arbeitslose, Rentner) – und berücksichtigt man auch die Angehörigen der Marktproduktiven (28,2 Prozent), so leben 65,8 Prozent der Bevölkerung von der produktiven Marktleistung von nur 34,2 Prozent. Oder grob gerechnet: Zwei Drittel der Bevölkerung leben von der Marktleistung eines Drittels.

Es lebt aber nicht nur eine Mehrheit unserer Bevölkerung von einer produktiven Minderheit, sondern auch die Ober- und Unterschicht von der Mittelschicht. Die Oberschicht lebt von Gewinnen, Mieten und Pachten – also von der Arbeit anderer. Die Mittelschicht (fast 50 Prozent) lebt aus eigener Leistung und muss davon noch abgeben. Die Unterschicht lebt mehr aus Sozial- als aus Eigenleistung, braucht also die Mittelschicht zum Überleben.

Die Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften beträgt nur 15 Prozent, der Spitzensteuersatz für Unternehmer dagegen 45 Prozent zzgl. aller anderen Steuern. Das hat dazu geführt, dass die Oberschicht einschließlich der Konzerne zur Staatsfinanzierung nur 17 Prozent, der Mittelstand dagegen 85,9 Prozent beiträgt, während die Untergruppe mit 4,9 Prozent mehr subventioniert werden muss, als sie selbst Steuern und Sozialabgaben aufbringt.

Zu dieser steuerlichen Ausplünderung des Mittelstandes kommt noch die bürokratische Belastung mit mehr als 90.000 gesetzlichen Vorschriften und mehr als 30.000 EU-Richtlinien, die die Freiheit des Unternehmers mehr als dreimal so stark einschränken wie die der Kapitalgesellschaften. Und dazu hat sich noch eine Zwangshilfsbürokratie der Unternehmen für den Staat entwickelt mit Forderungen von Statistiken, Meldungen, Kontrollen u.a. pro Betrieb mehr als 1000 Stunden jährlich.

Dass unsere etwa sechs Millionen Unternehmer die gesetzlichen und steuerlichen Schraubzwingen des Staates bisher überhaupt ertragen haben, lag an den bisher günstigen Rahmenbedingungen, unter denen sie trotzdem erfolgreich sein konnten. Diese Rahmenbedingungen jedoch hat die Ampel-Regierung vorsätzlich verschlechtert durch Energiepreiserhöhung, zusätzliche Umweltabgaben, „Transformation auf grüne Wirtschaft“, Heizungsverbote, Deindustrialisierungspolitik und Produktionskostensteigerung (Inflation, Lohnerhöhungen, Lieferkettengesetz, Materialkostensteigerungen u.a.).

Inzwischen ist die Toleranzgrenze überschritten
Dass die sonst so friedlichen Bauern inzwischen mit Massenprotesten auf die Straße gefahren sind, wundert nicht, wenn man die grüne Landwirtschaftspolitik verfolgt: die Zwangsstillegung von Äckern, Anbauvorschriften, Düngeverbote, Tierstallvorschriften, Gülleverwendungsvorschriften, ideologische Waldbauvorschriften u.a.

Dass aber ein relativ kleiner Betrag wie 970 Millionen Dieselsteuerermäßigung zu einer Explosion bei den Landwirten geführt hat, war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die „Dieselsubvention“ ist nämlich keine Subvention, sondern nur Teilverzicht auf die mehr als die Hälfte des Dieselpreises betragende Dieselsteuer. Sie wurde damit begründet, dass die Landwirte ohnehin zumeist auf ihren eigenen Äckern fahren, also die Straße nicht wie andere Fahrzeuge benutzen und dass die günstigere Dieselsteuer für Ackerfahrzeuge unsere Nahrungsmittel billig halten solle. Als nun zwei aus den internationalen grünen Organisationen kommende Öko-Fanatiker Staatssekretärinnen und ein Teil der alten Fachleute bei der grünen Machtergreifung gegen grüne Ideologen ausgetauscht wurden, wurde nicht mehr für die Bauern, sondern gegen sie regiert. Auch der Minister selbst ist weder fachlich qualifiziert noch hat er Ahnung, was in seinem Ministerium vorgeht.

Ebenso sind andere mittelständische Branchen in den letzten zwei Jahren an ihre Existenzgrenze getrieben worden, wie z. B. der Einzelhandel durch die unsinnige Lockdown-Politik, die Vergnügungsindustrie aus dem gleichen Grunde u.a.

Das Handwerk dagegen stirbt an Überregulierung sowie durch Fachkräftemangel infolge üppiger Finanzierung von Arbeitsverweigerern und durch sinkende Erträge bei steigenden Anforderungen und Haftungen, so dass nicht einmal die Kinder der Meister mehr sich „das antun wollen, was ihren Eltern täglich passiert“. Die von Habeck empfohlenen Betriebsschließungen wegen der nicht mehr tragbaren öffentlichen Rahmendaten sind inzwischen ein Massenphänomen.

Ökonomen jedenfalls können der Regierung nicht geraten haben, gerade die produktiven Leistungsträger zum Zwecke der Haushaltssanierung noch mehr zu plündern, von denen alle anderen leben wollen.

Es passt auch nicht ins Bild, dass nicht nur den Bauern, sondern auch anderen mittelständischen Unternehmern immer mehr zusätzliche Lasten „zur Haushaltssanierung“ zugemutet, dagegen gleichzeitig den internationalen Konzernen Milliardengeschenke zugesagt werden. Zur gleichen Zeit wird die gesamte deutsche Landwirtschaft mit fast einer Milliarde Euro zusätzlich belastet, dem internationalen Konzern Infineon für eine Ansiedlung aber zehn Milliarden Euro Subventionsgeschenke zugesagt zuzüglich weiterer zehn Milliarden Euro Energiepreisgarantie für die nächsten 20 Jahre. Dabei braucht dieser Konzern die Subventionen nicht einmal wieder zurückzuzahlen, denn er wegen noch günstigerer Bedingungen den deutschen Standort bald wieder verlässt.

Was zu Hause erpresst wird, wird international verschleudert
Dass die Regierung und der Staat nicht zu wenig, sondern zu viel Geld haben, zeigt das Ausgabeverhalten vor allem gegenüber dem Ausland.

+ Die Regierung zwingt zum ideologischen Heizungsaustausch, was jeden Wohnungseigentümer und Mieter zu fünfstelligen Ausgaben zwingt; gleichzeitig hat die Regierung zehntausende unqualifizierte Parteisoldaten als Beamte in die Ministerien geholt und soll dafür z. B. das Bundeskanzleramt mit einer Milliarde Euro verdoppelt werden.
+ Auch im amerikanisch-russischen Ukraine-Krieg „übernimmt Deutschland immer mehr Verantwortung“, d. h. ist es größter Schenker von Militärgerät und zweitgrößter Geldgeber (die USA geben nur Darlehn). Trotz aller Sparzwänge soll diese Kriegsbeteiligung verdoppelt werden. Wie soll man das den Bauern erklären?
+ An die UNO sind wir freiwillig viertgrößter Zahler. Im vergangenen Jahr mit 5,9 Milliarden Euro, obwohl die UNO an der Feindklausel gegen Deutschland festhält.
+ Für die EU haben wir den britischen Anteil freiwillig mitübernommen und sind mit 20 Milliarden Euro netto größter Zahler.
+ In allen internationalen Organisationen haben wir uns ebenfalls unter die größten Zahler vorgedrängt, ohne dafür Einfluss zu gewinne.
+ Wo immer ein Regierungsmitglied hinfliegt, nimmt er Geld mit, um überhaupt anerkannt und empfangen zu werden. Über 58 Milliarden Euro hat die Regierung in 2022 für für uns sinnlose – auch nicht kontrollierte – meist rot-grüne oder queer-sexuelle Projekte in die Welt geballert. Zum Beispiel vier Milliarden für die Energiewende in Afrika, 115 Millionen Euro für Radwege in Peru, 200 Millionen Euro für die Umsetzung von Klimazielen in Kolumbien, 73 Millionen für eine Stadtbahn in Saigon, 10 Milliarden für nicht bezifferte Umweltprojekte in Indien usw.
+ In Drucksache 20/9761 gibt die Bundesregierung zu, dass sie 449 Projekte in der Welt mit einem Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro finanziere. Die meisten betreffen angebliche Umweltmaßnahmen, sexuelle Umerziehungsmaßnahmen oder Agrarwende, z. B.
+ Fazilität für die Befähigung für Klimaschutz zur NDC-Umsetzung (Sambia) 17,4 Mio. Euro
+ 18,4 Mio. Euro zur „Ermöglichung evidenzbasierter Entscheidungsfindung und guter Regierungsführung“ (Sudan)
+ Bildung Mosambik 46 Mio. Euro
+ Dekarbonisierung humanitärer Energie (DAE, Mali, Mauretanien, Niger) 21 Mio. Euro
+ Initiative for Climate Action Transparency global 40,6 Mio. Euro
+ Fazilität „Investitionen für Beschäftigung“ Afrika 53 Mio. Euro
+ Unterstützung der sozialen Sicherung Ruanda 20 Mio. Euro
+ Wiederaufforstung Waldschutz Madagaskar 10 Mio. Euro
+ Biodiversität in Bergen in Mexiko 25 Mio. Euro
+ Kreditgarantien für Beschäftigung im Privatsektor Jordanien 20 Mio. Euro
+ Ausbau der Solarenergie in der Cote d’Ivoire 30 Mio. Euro
+ Rückkehrprogramme für Flüchtlinge in Zentralamerika 21,2 Mio. Euro
+ Agrarfinanzierung in Mali 16,3 Mio. Euro
+ Förderung der Landrechtsverwaltung Senegal 15 Mio. Euro
+ Grüne Bürgerenergie für Afrika in Mosambik 13,4 Mio. Euro
+ Soziale Absicherung von Armen Malawi 11 Mio. Euro
+ Integration von Binnenvertriebenen in der Ukraine 10 Mio. Euro
+ Klimaschutzziele im mexikanischen Transportsektor 10 Mio. Euro

Für weitere ähnliche angeblich humanitäre, vielleicht nützliche, vielfach aber unnütze ideologische oder Korruptionsgeschenke brüstet sich die Bundesregierung auf und steigt die Wut des Lesers, wenn er einbezieht, dass für alle diese nicht in unserem Interesse liegenden internationalen Großzügigkeiten der deutsche Mittelstand bluten muss.

Nach Expertenmeinung ist Deutschland der freigiebigste Zahler an alle Welt nach den USA, mit dem Unterschied, dass letztere damit Macht kaufen und sichern, wir aber keinen eigenen Nutzen dabei verfolgen.

Der Widerspruch bleibt: Mit pingeligsten Prüfungen muss jeder Kleinunternehmer in Deutschland jede Privatfahrt, jeden Scheingewinn und jede Investition versteuern. Was dem Mittelstand abgepresst wird, wird ins Ausland verschleudert für einen Krieg, der uns nichts angeht (Ukraine), für Projekte, die nicht einmal kontrolliert werden und für ideologische Organisationen (NGOs) und Maßnahmen, die human sein sollen, aber häufig nur linke Ideologie sind.

Solange jedenfalls das Geld mit vollen Händen ins Ausland in dubiose internationale Organisationen und für politisch ideologische Zwecke verschleudert wird, darf man in Deutschland keinen Finanznotstand, nicht einmal Finanzknappheit behaupten.

Würde allerdings die Bevölkerung merken, wie im Inland gespart, im Ausland aber dafür geprasst wird, wäre Finanzpolitik nicht mehr ein „nur die Finanzpolitiker interessierender Bereich“, sondern würde die höchste Belastungsquote unserer fleißigen Minderheit und die Ausplünderung des Mittelstandes als eigenes Existenzproblem begriffen. Vielleicht ist der von den Bauern begonnene Mittelstandsaufstand der Beginn eines längeren Verteilungskampfes.
(pi-news.net)

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert