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Briefwähler waren’s

Das „Wunder“ von Nordhausen

Von WOLFGANG HÜBNER

„Wunder gibt es immer wieder…“, sang einst Katja Ebstein. Und was kann es Schöneres geben als Wunder. So eines soll sich am Sonntag in der thüringischen Stadt Nordhausen am Südharz ereignet haben: Ein verkrachter Oberbürgermeister, der nur mit Gerichtsbeschluss das Rathaus betreten kann, wollte erneut gewählt werden, hatte aber bei der ersten Runde vor vierzehn Tagen nur geradezu demütigende 23,7 Prozent erreicht. Sein größter Rivale hingegen 42,1 Prozent, womit er auch die Kandidaten Marx und Trump aus dem Rennen warf. Nun aber hat der verkrachte Amtsinhaber in der Stichwahl knapp 55 Prozent der Wählerstimmen bekommen, der Konkurrent dagegen nur 45 Prozent.

Allen vorliegenden Informationen zufolge haben den Ausschlag dafür die Briefwähler gegeben, von denen es deutlich mehr gab als bei der ersten Runde. Vor der Auszählung der Briefwahlstimmen lag der Herausforderer jedenfalls noch vor dem jetzigen Sieger. Das nährt natürlich Zweifel daran, ob das Wunder denn auch wirklich eines war. Oder ob es sich vielleicht doch eher um ein „Wunder“ handeln könnte, dem nachgeholfen wurde. Das allerdings ist in einer Demokratie ein solch schwerwiegender Verdacht, der ohne unwiderlegbare Beweise halt nur einer bleiben wird.

Erhebliches Unbehagen an der Glaubwürdigkeit des Wahlausgangs sind aber erlaubt und nachvollziehbar: Denn nun soll in Nordhausen ein parteiloser Politiker mit ehemaliger grüner Parteimitgliedschaft Oberbürgermeister bleiben, der nicht deshalb – wie auch immer – gewählt wurde, weil er im Amt überzeugen konnte. Sondern der gewann, weil sein Konkurrent, Mitglied einer missliebigen Partei, nicht gewinnen durfte und sollte. Das sind alles andere als gute Voraussetzungen für den neuen Helden des „Brandmauer“-Kartells.

Und so könnte sich schon bald der Verlierer mit dem schönen Namen Prophet als der moralische Sieger erweisen. Zumal er offenbar die Mehrheit derjenigen bekommen hat, die tatsächlich am Sonntag in die Wahllokale gingen, um ihre Stimmen abzugeben. Die Erleichterung über die Verhinderung des missliebigen Kandidaten mag deshalb künftig auch ohne übertriebenen Konsum des berühmten „Nordhäuser Doppelkorns“ noch einen politischen Kater zur Folge haben. Nur echte Wunder müssen das nicht fürchten. Warten wir es ab.
(pi-news.net)

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