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Die Deutsche Bahn schafft sich ab

Die Bahn funktioniert weder mit noch ohne Streik

Von MANFRED ROUHS

Die Deutsche Bahn ist ein Sanierungsfall der härtesten Sorte. Im Oktober haben nur 58,6 Prozent der ICE- und IC-Züge ihr Ziel mit weniger als fünf Minuten Verspätung erreicht. Oft fallen Züge gleich ganz aus. Dafür würde sich ein japanischer Lokomotivführer in sein Schwert stürzen – aber Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), fordert mehr Geld und weniger Arbeitszeit für die Bewohner seiner Wohlstandsinsel.

Die Fahrgäste der Bahn – Kunden sollten wir sie nicht nennen, eher sind sie Leidtragende – werden von einem zur Weihnachtszeit anstehenden Bahnstreik wenig bemerken. Ob ein Zug wegen des üblichen Bahnchaos ausfällt oder wegen eines Streiks, kann ihnen gleichgültig sein. Die Bahn funktioniert weder mit noch ohne.

An der Spitze des Konzerns ist schon seit mehr als zehn Jahren niemand mehr fristlos entlassen worden. Würde jeder rausgeschmissen werden, der seine Ziele nicht erreicht, wer bliebe dann noch übrig? Dass die Bahn vor Jahrzehnten mit weniger weit entwickelter Technik mehr leistete als heute, stört in einem Unternehmen, dessen Spitze alle Formen von Ehrgeiz und jeglicher Leistungsgedanke fremd ist, offenbar niemanden.

Die Arbeit des Bodenpersonals der Bahn, dem Kundenkontakt zugemutet wird, ist dagegen durch mehr Technik nicht leichter, sondern stressiger geworden. Pöbelnde und (oft zurecht) empörte Reisende sägen an ihren Nerven. Ihr Biotop ist offensichtlich von unten nach oben nicht reformierbar. Wer früh in Rente gehen kann, lässt sich seine Chance nicht entgehen, dem hoffnungslosen Fall Deutsche Bahn mit den höchstmöglichen Bezügen auf Kosten der Allgemeinheit zu entfliehen.

Claus Weselsky ist ein klassischer Gewerkschafts-Dinosaurier aus dem 20. Jahrhundert, der nicht im Hier und Jetzt lebt, sondern in einer klassenkämpferischen Vergangenheit. Seine Realitätswahrnehmung hat schon vor Jahrzehnten ausgesetzt. Der aktuelle Streik dürfte sein Abschiedsgeschenk kurz vor der Rente sein. Mancher bei der Bahn wird erleichtert durchatmen, sobald er endlich seinen Ruhestand antritt.

Weselsky und andere haben aus der Deutschen Bahn ein Raumschiff gemacht. „Wer Bahn fährt, hat das Gefühl, in ein fremdes Räderwerk zu geraten“, sagte schon vor Jahren Stephan Grünewald, der Leiter des Kölner Marktforschungsinstituts Rheingold. „Die Streiks verstärken das Grundgefühl, die persönliche Autonomie zu verlieren. Die Menschen fühlen sich komplett ausgebootet.“

Da hilft nur Aussitzen – und Autofahren. Selten hat irgendjemand so gute Werbung für das Auto gemacht, wie in diesen Wochen und Monaten Claus Weselsky.
(pi-news.net)

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