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“Sisu”

Wie das “glorreiche Gemetzel” des finnischen Rambo den Ukrainern Mut macht

Von Dr. PHIL.MEHRENS

Finnland bekam es im Zweiten Weltkrieg nach dem sowjetischen Angriff vom November 1939 zunächst mit der UdSSR zu tun. 1944 wurde in Moskau ein Waffenstillstand vereinbart, der die Finnen verpflichtete, gegen die Wehrmacht zu kämpfen. Was folgte, war der siebenmonatige Lapplandkrieg zwischen Finnland und Deutschland, der bis April 1945 dauerte. Hitlerdeutschland verfolgte die bekannte Verbrannte-Erde-Strategie und verwüstete im finnischen Norden Brücken, Straßen, Städte und Dörfer.

In dieser Phase des Krieges läßt Jalmari Helander, der fürs US-Kino bereits den Action-Reißer “Big Game – Die Jagd beginnt” (2014) inszenierte, seinen Film “Sisu” spielen. Der Filmtitel ist das finnische Wort für eine besondere Form von Mut und Entschlossenheit im Angesicht scheinbar unüberwindbarer Widerstände.

Schmerzen? Auch dieser Held muss den Begriff googeln!
Kriegerische Zeiten bringen kriegerische Filme hervor. In sechs Kapiteln – “Das Gold”, “Die Nazis”, “Minenfeld”, “Die Legende”, “Verbrannte Erde” und “Das letzte Kapitel” – erzählt der Autor und Regisseur von einem Superhelden, dessen einzige Superkraft die Schmerzunempfindlichkeit ist. Das kennt der kundige Kinobesucher aus den achtziger Jahren, in denen ein gewisser John Rambo, verkörpert von Sylvester Stallone, über ähnliche Beharrungs- und Widerstandskräfte verfügte oder, einfacher gesagt, nicht totzukriegen war. Zu diesem Vorbild bekennt sich Helander auch ganz offen: “Die Geschichte basiert auf einer ähnlichen Idee wie bei Rambo: ein Mann mit Mumm in den Knochen gegen die erbarmungslose Wildnis und eine feindliche Übermacht”, so der ehemalige Werbefilmer. Der Film nehme sich selbst nicht allzu ernst, aber er sei trotzdem düster und brutal.

Und er ist wie die “Rambo”-Filme ein Werk von immens geringer Handlungskomplexität. In den sechs Kapiteln geht es, auf einen Nenner gebracht, einzig und allein darum, daß ein ehemaliger finnischer Elitekämpfer, der dem Krieg den Rücken gekehrt hat, um irgendwo in Lappland in Ruhe Gold suchen zu können, ausgerechnet an jenem glücklichen Tage, an dem er endlich auf eine gewaltige Goldader gestoßen ist, einen Kleinkrieg gegen Nazi-Invasionstruppen führen muß. Die sind mit ihren Panzern zwar bereits auf dem Rückzug; der Krieg ist verloren. Aber umso verlockender erscheint ihnen die Aussicht auf einen Goldschatz.

Die deutsche Wehrmacht steht stellvertretend für Putins Armee
Der tatsächliche Feind, um den es hier geht, ist aber selbstverständlich nicht die Wehrmacht. Weder unterhalten sich die Soldaten in der englischen Originalfassung auf deutsch noch verhalten sie sich wie Wehrmachtsoffiziere. Zur klareren Zuordnung hat ihr Kommandant das berüchtigte Totenkopf-Symbol auf dem Helm. Die im Kapitel “Die Legende” eingeflochtene Information, daß der Finnen-Rambo im Widerstand gegen die Sowjets gestählt wurde, weist den Weg zur zeitgemäßen Deutung. Der Kampf gegen Hitlers Sturmtruppen ist nur die historische Verkleidung für eine universell verständliche Durchhalte- und Mutmachgeschichte, die im Jahr 2023 natürlich jeder auf den Ukrainekrieg beziehen wird.

Die deutsche Totenkopf-Einheit benimmt sich bis ins grausige Detail genau so, wie man es aufgrund der Nachrichten aus dem osteuropäischen Kriegsgebiet und der Bilder aus Butscha und Mariupol von russischen Söldnern erwartet. Sie sind mehr Bestie als Mensch. Und natürlich wünscht jeder Zuschauer diesen grausamen Kriegern genau das, was ihnen Helanders Drehbuch auch widerfahren läßt: einen ramboesken Superhelden, eine “Ein-Mann-Todesschwadron”, einen laut Legende “Unsterblichen”, der sie erst das Fürchten lehrt und ihnen dann den Garaus macht.

Finnlands “Geschenk” an die neuen Verbündeten
Die ukrainischen Zivilisten, die unter dem russischen Einmarsch zu leiden hatten, werden verkörpert durch eine Schar von Frauen, die die bösen Invasoren als Geiseln gefangenhalten. Und ihnen wird auch das Privileg zugebilligt, die martialische Moral zu verkünden, die man wohl als entscheidenden sittlichen Nährwert dieser Gewaltorgie aufzufassen hat: “Es kommt nicht darauf an, wer am stärksten ist, es kommt darauf an, nicht aufzugeben.” In Kiew wird man diese Botschaft dankbar zur Kenntnis nehmen und dem neuen NATO-Mitglied zu dem Film gratulieren. Passender als mit “Sisu” jedenfalls kann ein Land seine Aufnahme in ein Militärbündnis nicht besiegeln.

HINWEIS: Aktuell (24.05.23) läuft der in einigen Häusern bereits am 11. Mai gestartete Film noch in zahlreichen Kinos, u.a. in Duisburg, Wesel, Köln, Bochum, Dresden, Hannover, Bremen, Berlin, Düsseldorf, Regensburg, Halle, Bonn, Borken, Frankfurt a. M. Freiburg i. Br., Münster, Villingen-Schwenningen, München, Schweinfurt, Steinfurt, Paderborn und Augsburg. Europaweiter Verkaufsstart für DVD und Bluray ist am 11.07.23.
(conservo.blog)

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