Serbien-Präsident warnt vor globalem Krieg in wenigen Monaten
„Wir werden schon in sehr kurzer Zeit eine wirkliche Katastrophe erleben“, sagt der serbische Präsident Aleksandar Vucic im Interview mit Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel. Das knapp einstündige Gespräch drehte sich vor allem um eine Frage: Wird der Ukraine-Konflikt zum Dritten Weltkrieg? Und was passiert, wenn eine friedliche Lösung scheitern sollte?
Köppel stellt heikle Fragen inmitten eines geopolitischen Großkonflikts. Vucic denkt lange nach, bevor er spricht – unter westlichen Politikern eine Seltenheit. Was er zum Ukraine-Konflikt zu sagen hat, sorgte schon kurz nach der Veröffentlichung des Videos weltweit für Wirbel.
„Wir könnten in eine Situation geraten, die schlimmer wird als der Zweite Weltkrieg“, so Vucic. Und weiter: „Ich möchte gerne Frieden sehen, doch andere wollen einen Sieg für die eine oder die andere Seite.“ Jetzt, Mitte Juni 2024, sei aus Sicht des Staatsmannes eine besonders heikle Phase erreicht. „Ich glaube, dass wir uns den letzten Tagen annähern, in denen ein Überdenken und Umdenken in der Ukraine-Frage noch möglich ist“, sagt er, und ist sich sicher: „Wir werden schon in sehr kurzer Zeit eine wirkliche Katastrophe erleben.“
Verbotener Frieden
Die Zuspitzung der Lage zeigt sich nicht nur durch die immer wieder vorgetragene Idee Macrons, endlich Bodentruppen gen Osten zu schicken, sondern auch in den waghalsigen Aussagen deutscher und amerikanischer Politiker. Die unterstellen Putin einen „Bluff“, wenn er Konsequenzen für Angriffe auf das russische Territorium verspricht. Ist also nicht mit Reaktionen Russlands auf eine solche Eskalation zu rechnen?
Vucic erklärt: „Wenn man darauf wettet, dass der andere blufft, bedeutet das, dass man selbst keine besseren Karten hat.“ Die Aussage wirkt nur auf den ersten Blick kryptisch. Was er meint: Der Westen lehnt sich zu weit aus dem Fenster! Weil USA und NATO selbst an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gelangen und Russland sich nicht so leicht besiegen lässt, wie ursprünglich gedacht, geht man jetzt zum Wahnsinn über – und wiegt dabei die westlichen Bevölkerungen in trügerischer Sicherheit. „Ich glaube man unterschätzt Russland und Putin“, so Vucic.
Dass Vucic Frieden will, sich Verhandlungen wünscht, darüber lässt er keinen Zweifel. Doch es gibt Hindernisse: „Was die Sache weiter verkompliziert, ist die Tatsache, dass alle nur über Krieg reden. Niemand will Frieden machen. Niemand spricht über Frieden. Frieden ist fast ein verbotenes Wort“, beschreibt Vucic die düstere Realität in Westeuropa.
Europa am Abgrund
Dass eine Annäherung vor diesem Hintergrund nahezu unmöglich erscheint, ist auch dem Präsidenten klar. Wieso ist die Situation so verfahren? „Alles steht auf dem Spiel, alles. Niemand kann es sich erlauben, zu verlieren.“
Und genau deshalb beschleicht ihn ein so düsteres Gefühl: „Warum spreche ich davon, dass wir uns dem Abgrund nähern? Analysieren Sie die Situation der Nato und der USA. Sie können es sich nicht leisten, einen Krieg in der Ukraine zu verlieren.“ Gleiches gelte für die Gegenseite: Falls Russland den Krieg verliert, „wird Russland nicht mehr so existieren, wie es heute besteht“. Und: „Auch Putin wird sein politisches Erbe verlieren“.
Was würde ein solcher Großkonflikt, ein völlig entfesselter Weltkrieg bedeuten? Vucic macht sich keine Illusionen: „Wer ist bereit, eine Million, zwei Millionen, fünf Millionen, zehn Millionen oder 15 Millionen Menschen zu verlieren? Ich bin nicht bereit, einen einzigen Menschen zu verlieren, und wir werden uns daran nicht beteiligen. Aber das ist eine Frage für einige andere Leute.“
Wird es ein Dritter Weltkrieg, fragt Köppel. Vucic stoppt ihn, will den Teufel nicht an die Wand malen, und doch: „Ich kann nicht sagen, dass es ein Dritter Weltkrieg wird, aber wir sind sehr nah dran an einer großen Konfrontation, die in den nächsten drei oder vier Monaten eintreten wird. Und es besteht die Gefahr, dass es sogar schon früher geschieht.“
(pi-news.net)